- Bundestagsanalysen
Zwischenrufe von Günter Krings an Sebastian Fiedler
Der Redner war sehr bemüht!)
Letzter Satz. Gehen Sie mit mir den Weg – da sind wir hoffentlich alle einig – und folgen der Missbrauchsbeauftragten, die da sagt: Wir müssen die Tabus reißen. – Deswegen habe ich versucht, es möglichst konkret zu machen. Es darf kein gesellschaftliches Tabu sein. Sie vergleicht es zu Recht mit dem Brandschutz. Wir müssen all den Fragen, die so schmerzlich und übelst in der Mitte unserer Gesellschaft, quer durch alle gesellschaftlichen Schichten, vorhanden sind, ins Auge schauen. Also reden wir über sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen wie über den Brandschutz, und folgen wir ihrer Idee. Ich hoffe auf große Einigkeit zumindest in dieser Frage.
Reden ist gut, handeln noch besser!)
Es ist an der Stelle gut und richtig, dass wir hinweisgebende Personen schützen, die Hinweise auf Beamte geben, auf die Sie mit Ihren rechten Strategien abzielen. Es ist auch deswegen wichtig, weil wir das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden stärken müssen. Das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden ist außerordentlich gut, aber es sind Durchschnittswerte. Und man muss mal sagen: Wenn Sie sich in einen Stadtteil begeben, wo Menschen und Familien mit einer Einwanderungsgeschichte leben, dann können Sie feststellen: Das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden ist dort nicht gut. Deswegen ist das eine von vielen Maßnahmen und Mosaiksteinen, mit denen wir das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden stärken. Das ist im Interesse der Sicherheitsbehörden.
Das haben wir gar nicht kritisiert!)
Christine Lambrecht hatte einen sehr guten Vorschlag gemacht und hatte schon Kompromisse vorgelegt, aber Sie wollten nur eine Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Regeln.
Und, liebe Union, das hätten wir alles schon haben können.
Wer war denn der Justizminister?)
Lassen Sie sich das ausgerechnet von mir gesagt sein; das ist wichtig. Deswegen müssen wir auch diesen Teil schützen. Den hätten Sie in der Vergangenheit nie mitgetragen.
Unterstellung! Unterstellung!)
Dazu habe ich aber von Ihnen gar nichts gehört.
Wer war denn da Justizminister?)
Dazu hat der EuGH vieles gesagt. Deswegen werde ich gar nichts mehr zur Verhältnismäßigkeit sagen. Das hat der EuGH aus meiner Sicht klar festgestellt. Aber an der Verhältnismäßigkeit eines Speicherzeitraums von sechs Monaten, Herr Krings, darf man Zweifel haben, und zwar massive.
Das ist Verhandlungsmasse!)
Ich will abschließend sagen: Was Sie mit dem Antrag versuchen zu insinuieren, dem würde ich mich widersetzen, nämlich den Streit innerhalb der Koalition negativ zu belasten; da bin ich völlig raus.
Sie können streiten, so viel Sie wollen, aber wir brauchen Ergebnisse!)
Nun wird ein wichtiger Zusammenhang – auch im Gesetzentwurf – oft falsch dargestellt. Die Konzentration auf die Aufklärungsquote ist falsch, weil in der Statistik nur Taten erfasst werden, bei denen klar ist, dass ein Tatort in Deutschland schon nachgewiesen ist.
Die Wahrheit ist noch schlimmer, das stimmt schon!)
Es gibt noch einen anderen Punkt: Wir hatten heute schon eine Debatte – und das ist wirklich so ein bisschen merkwürdig –, bei der man den Eindruck gewinnen konnte, Sie wollten mit einem anderen Antrag Ihren jetzigen nachbessern. Sie begründen nämlich die in Ihrem Antrag geforderte Maßnahme – Herr Krings, Sie haben das gerade in der Begründung schon wieder gemacht, und ich habe Ihnen auch schon im Rechtsausschuss gesagt, dass ich das nicht klug und auch nicht gut finde – alleine mit dem Anliegen der Bekämpfung des sexuellen Kindesmissbrauchs oder der Kinderpornografie.
Weil es da besonders wichtig ist!)
Auf der anderen Seite müssen wir Ihren Vorschlag ablehnen.
Deswegen gilt es für mich, zwei Dinge zu fordern: Auf der einen Seite würde ich mich noch immer freuen, wenn wir von der Bundesregierung einen Gesetzesvorschlag bekämen.
Wo gibt es denn so etwas? Wenn Sie eine solche Maßnahme fordern, müssten Sie sinnvollerweise einen Straftatenkatalog festlegen. Aber Ihre Anträge sind häufig so: Sie wollen zur Terrorbekämpfung bestimmte Maßnahmen; dann reden Sie, so wie heute, nur zum islamistischen Terror und vergessen andere Teile. Jetzt begründen Sie die Maßnahme wieder nur mit einem Phänomen. Das macht Sie an der Stelle nicht wirklich glaubwürdig.
Kinder sind wichtig genug, um sich darauf zu konzentrieren?)
Eine solche Maßnahme ist in der Strafprozessordnung gar nicht bekannt. Sie verknüpfen in Ihren Forderungen immer wieder einzelne Ermittlungsbefugnisse mit einzelnen Phänomenen.
Weil es eben wichtig ist, die Kinder zu schützen!
Wir haben innerhalb unserer Fraktion im Nachgang zur einschlägigen EuGH-Rechtsprechung umfangreiche Beratungsprozesse durchgeführt, in denen ich mich davon überzeugen konnte, dass es zu einer gesetzlich vorgeschriebenen IP-Adressen-Speicherung keine Alternativen gibt, die den Strafverfolgungsbehörden helfen würden. Insbesondere ist das sogenannte Quick Freeze eben keine Alternative;
Sehr richtig!)
Ich will Ihnen deswegen sagen: Weil das fehlt – das ist schon mehrfach angeklungen –, brauchen wir dringend eine andere Analyse, einen periodischen Sicherheitsbericht, der in Zukunft die Grundlage für eine andere Debatte, nämlich eine breitere Debatte liefert.
Schlechte Statistiken! Wir brauchen neue Statistiken!
Das ist kein statistisches Spiel, sondern das erlaubt uns, besser hinzugucken.
Wir brauchen einfach neue Statistiken!)
– Was bleiben wir? Wir bleiben gar nicht stecken, sondern ich sage Ihnen ja: Niemand will diese Norm abschaffen. Also versuchen Sie nicht, so zu tun, um politisches Kapital daraus zu schlagen. Der Zeitpunkt Ihres Antrags lässt nichts anderes erkennen: Sie wussten genau, dass die Norm nicht auslaufen soll – das hat niemand gesagt –, Sie haben nur den Zeitpunkt aus Ihrer Sicht – als Opposition kann man das machen – geschickt gewählt,
Ihre Fraktion hat dafür gesorgt! Es war die SPD! Wir reparieren, was Sie falsch gemacht haben!)
Ich will, wenn Sie sich wundern, warum ich jetzt sage, dass wir den Antrag trotzdem ablehnen, einen anderen Punkt ansprechen. Es ist etwas zu beobachten: Sie fordern, liebe Union, in der jüngsten Vergangenheit ganz häufig die Änderung einzelner Befugnisnormen anhand eines einzelnen Blickbereichs. Es gibt aber ein weiteres Thema, das wir bei der Änderung des § 100a StPO im Blick haben, und das ist einer der Gründe für die Ablehnung jetzt. Weil wir das gerne gemeinsam machen wollen.
Aber Sie haben für die Befristung gesorgt!)
Herr Krings, um das noch mal auf den Punkt zu bringen: Niemand will die Norm abschaffen; das ist mir nicht bekannt. Um das noch mal auszuschärfen: Dieser Punkt ist in der Debatte jetzt gerade nicht aufgetaucht. Es ist aber dennoch richtig, zu erläutern, warum es wichtig ist, dass sie nicht abgeschafft wird: Das ist – das haben wir gesagt – ein Verbrechenstatbestand und nichts Nebensächliches. Man muss erklären: Wenn die Polizei an einen Tatort kommt, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, wie man zu den Tätern vordringen kann.
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will versuchen, das Thema noch mal sachlich aufzuzäumen und die politischen Spitzen am Ende meiner Rede einzuordnen und auf Ihre Ausführungen zu antworten, Herr Krings.
Das kann ja nur gegen Ihre eigenen Leute gerichtet sein!)
Es geht darum, ein Problem zu lösen, das Ihre Fraktion geschaffen hat!)
Deswegen ist meines Erachtens eines der wichtigsten Vorhaben der Koalition, an dem wir gerade noch intensiv arbeiten, erstmals eine zentrale Stelle in Deutschland einzurichten, bei der Informationen darüber zusammenlaufen, welche Präventionsprojekte es in Deutschland überhaupt gibt, welche evaluiert sind und wo wir bei der Wirkungsevaluation unterstützen können. Dabei können wir Standards setzen. Das wird eine neue Bundesakademie werden. Das bringt uns in der Prävention tatsächlich sehr, sehr viele Schritte weiter voran.
Sehr, sehr langfristig!)
Zum Thema Opferschutz haben Sie eigentlich, wenn man den Begriff wörtlich nimmt, nur zwei Teilaspekte genannt und vorgeschlagen: die elektronische Fußfessel und die Videovernehmung von minderjährigen Zeugen. Beides ist ebenfalls diskussionswürdig.
Ich möchte das noch ein bisschen weiter einordnen, weil ich glaube – das ist schon vielfach gesagt worden; die Kollegin Helling-Plahr hat auf die kriminologischen Sachzusammenhänge hingewiesen –, dass diese Repression nicht dazu beiträgt, zukünftige Opfer zu verhindern.
Oh doch! Oh doch!)
Nehmen Sie die große Ernsthaftigkeit an, mit der wir die Debatten führen.
Wir können Ihre Vorschläge kaum erwarten!)
Wenn ich das sozusagen zusammenbinden darf: Ich würde mir wünschen, dass wir das Thema mit weniger Polemik und gegenseitigen Vorwürfen angehen. Von uns hat jetzt, glaube ich, niemand gefragt, warum Sie in der Vergangenheit nicht die Dinge so geregelt haben, wie Sie es jetzt vorschlagen.
Wir hatten einen Koalitionspartner!
Das geht nun wirklich nicht. Solche Situationen, glaube ich, müssen wir in der Strafprozessordnung verbindlich regeln. Es darf eine solche Situation nicht geben, in der Opfer von Gewalttaten, egal welche, nicht davon erfahren, was im Laufe des Verfahrens anschließend passiert. Ich glaube oder hoffe jedenfalls, dass wir bei solchen Vorschlägen auch mal eine Einigkeit erzielen können.
Dann legen Sie etwas vor!)
Dann muss ich einen weiteren Aspekt nennen. Ich sage, dass es Ihnen um Repression und die Verschärfung von Strafrahmen geht. Dabei lassen Sie einen wesentlichen Teil weg: Das Ganze funktioniert nur dann, wenn vorher in den Ermittlungsverfahren auch ordentlich gearbeitet worden ist.
Dann haben Sie etwas zum Staatsbürgerschaftsrecht und zu Ausweisungen gesagt. Auch da habe ich nur die Wiedergabe der aktuellen Rechtslage erkannt. Ein Punkt nervt mich tatsächlich sehr – ich habe das schon bei den Diskussionen zum Hinweisgeberschutz verfolgt –: Ich verstehe nicht, dass Sie nicht auch die Abschaffung der Wehrbeauftragten fordern.
Jetzt werden Sie mal nicht albern!)
Zeitgemäße Befugnisse kriegen Sie auch mit mir. Ich streite seit vielen Jahren für die IP-Adressen-Speicherung; Sie wissen, wo dies geregelt ist.
Aber Sie sitzen in der falschen Fraktion!)
Dafür gibt es viele Motive. Wir brauchen periodische Sicherheitsberichte, um substanziierter diskutieren zu können.
Sie machen politikbasierte Evidenz und nicht umgekehrt!
In Wahrheit ist es ja auch ein Wahlkampfauftaktantrag, den Sie hier gestellt haben. Deswegen will ich am Ende noch einmal die Unterschiede zwischen den Parteien deutlich machen und sagen, was ich mir so vorstelle. Wir haben als einzige Fraktion aus guten Gründen eine Arbeitsgruppe Kriminalpolitik gegründet, weil wir versuchen, die Dinge übergreifend anzugehen.
Weil Sie da Nachholbedarf haben!)
Genauso nervt mich als Polizeigewerkschafter die Debatte über die Kennzeichnungspflicht. Da bringen Sie vermeintlich Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte gegeneinander auf.
Sie machen das doch!
Zwischenrufe von Sebastian Fiedler an Günter Krings
Zweites Beispiel. Wie steht es denn nach drei Jahren Scholz-Regierung um die Freiheit und die Sicherheit von Frauen in Deutschland? Im Jahr 2023 wurden weit über 250 000 Menschen bei uns Opfer häuslicher Gewalt, über 70 Prozent davon Frauen. Ein Anstieg allein in einem Jahr um 6,5 Prozent! Die einzige Antwort von Rot und Grün ist bis zum heutigen Tag, die Frauen auf Frauenhäuser zu verweisen.
Stimmt doch gar nicht!