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Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema ist so ernst, dass ich versuchen möchte, Ihren Gesetzentwurf tatsächlich mit großer Ernsthaftigkeit zu begrüßen, weil er uns die Möglichkeit gibt, über viele wichtige Aspekte zu diskutieren. Insbesondere zum Hinweis des Kollegen Müller auf die Tötung von Säuglingen möchte ich sagen: Die Bewertung steht meines Erachtens nicht wirklich zur Disposition, sondern es sollte auch als Mord bestraft werden können.
Ich möchte nur ein paar Teilaspekte herausgreifen, weil Ihr Gesetzentwurf sehr vielschichtig ist. Zum einen würde ich sagen, dass etwa 80 Prozent in Wahrheit nicht das betreffen, was in der Überschrift steht – dort steht „Opferschutz“ –, sondern dass es um Repression geht.
Erhöhung von Strafrahmen: Die Kollegin Wegge ist schon darauf eingegangen. Ich glaube, es ist gut, dass wir darüber diskutieren können. Insoweit würde ich das zu Beginn meiner Rede abhaken wollen.
Zum Thema Opferschutz haben Sie eigentlich, wenn man den Begriff wörtlich nimmt, nur zwei Teilaspekte genannt und vorgeschlagen: die elektronische Fußfessel und die Videovernehmung von minderjährigen Zeugen. Beides ist ebenfalls diskussionswürdig.
Ich möchte das noch ein bisschen weiter einordnen, weil ich glaube – das ist schon vielfach gesagt worden; die Kollegin Helling-Plahr hat auf die kriminologischen Sachzusammenhänge hingewiesen –, dass diese Repression nicht dazu beiträgt, zukünftige Opfer zu verhindern.
Deswegen ist meines Erachtens eines der wichtigsten Vorhaben der Koalition, an dem wir gerade noch intensiv arbeiten, erstmals eine zentrale Stelle in Deutschland einzurichten, bei der Informationen darüber zusammenlaufen, welche Präventionsprojekte es in Deutschland überhaupt gibt, welche evaluiert sind und wo wir bei der Wirkungsevaluation unterstützen können. Dabei können wir Standards setzen. Das wird eine neue Bundesakademie werden. Das bringt uns in der Prävention tatsächlich sehr, sehr viele Schritte weiter voran.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP
Dann muss ich einen weiteren Aspekt nennen. Ich sage, dass es Ihnen um Repression und die Verschärfung von Strafrahmen geht. Dabei lassen Sie einen wesentlichen Teil weg: Das Ganze funktioniert nur dann, wenn vorher in den Ermittlungsverfahren auch ordentlich gearbeitet worden ist.
Herr Krings, wir beide kommen aus Nordrhein-Westfalen. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, in welchem desaströsen Zustand sich die Kriminalpolizei dort befindet, insbesondere in den Dienststellen, die Mord und Totschlag ermitteln müssen. Der Duisburger Leiter der Dienststelle hat gerade vorzeitig den Hut genommen, geht vorzeitig in Altersteilzeit, weil die Situation unerträglich ist. Der personelle Zustand ist schlecht. Lassen Sie uns gemeinsam auf die Landesregierungen hinwirken, damit auch ordentlich ermittelt werden kann.
Beifall bei der SPD)
Zum Thema Messer möchte ich sagen – das mache ich nur ganz kurz –: Wir müssen uns darüber unterhalten, was gemacht werden muss. Sie wissen: Wir führen darüber eine Diskussion mit der FDP und dem Bundesjustizminister. Wir müssen ran an das Waffenrecht. Ich wünsche mir eine ganz klare und einfache Botschaft. Warum ändern wir nicht das Regel-Ausnahme-Verhältnis und sagen, dass das Mitführen von Messern im öffentlichen Raum, erst recht im öffentlichen Personennahverkehr, generell verboten ist? Dann können wir im Waffenrecht regeln, was ausnahmsweise erlaubt ist, zum Beispiel für den Handwerker, für die Dame, die sich einen Apfel schälen will, und für andere.
Sie sollten lieber die Ursachen bekämpfen! So ein Quatsch! So an der Realität vorbei!)
Das würde die Situation klarer machen und wäre ein großer Sicherheitsgewinn. Unterstützen Sie doch solche sinnvollen Maßnahmen.
Wenn wir über Opferschutz reden, möchte ich einen Teilaspekt nennen, der mir jetzt jüngst einfach aus der Lebensrealität noch mal untergekommen ist. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass Opfer tatsächlich im gesamten Verfahren im Mittelpunkt stehen. Dazu gehört auch, dass sie überhaupt wissen, was passiert. Einfacher Sachverhalt aus einer nordrhein-westfälischen Großstadt: Im August 2021 wird ein Mitarbeiter der Verkehrsüberwachung in Ausübung des Dienstes geschlagen. Ihm wird die Nase gebrochen. Im Frühjahr dieses Jahres hat die Kommune, die die Anzeige erstattet hat, mal beim Landgericht nachgefragt, was eigentlich aus dem Verfahren geworden ist, weil er nie wieder davon gehört hat. Dann hat er eine Ein-Satz-Antwort bekommen: Das Verfahren sei eingestellt.
Das geht nun wirklich nicht. Solche Situationen, glaube ich, müssen wir in der Strafprozessordnung verbindlich regeln. Es darf eine solche Situation nicht geben, in der Opfer von Gewalttaten, egal welche, nicht davon erfahren, was im Laufe des Verfahrens anschließend passiert. Ich glaube oder hoffe jedenfalls, dass wir bei solchen Vorschlägen auch mal eine Einigkeit erzielen können.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Dann legen Sie etwas vor!)
Wenn ich das sozusagen zusammenbinden darf: Ich würde mir wünschen, dass wir das Thema mit weniger Polemik und gegenseitigen Vorwürfen angehen. Von uns hat jetzt, glaube ich, niemand gefragt, warum Sie in der Vergangenheit nicht die Dinge so geregelt haben, wie Sie es jetzt vorschlagen.
Wir hatten einen Koalitionspartner!
Was haben Sie in den letzten drei Jahren gemacht? Schlaue Sprüche in den letzten drei Jahren!)
Also lassen Sie es doch auch sein, jetzt sozusagen die Abgeordneten für das Regierungshandeln verantwortlich zu machen. Vielleicht würden wir das an Ihrer Stelle auch machen.
Ich will sagen: Das Thema ist so ernst – Sie sprechen hier die vulnerabelsten Opfergruppen an –, dass ich dafür werben möchte, dass wir über Ihre Vorschläge ernsthaft diskutieren, aber dass Sie sich auch öffnen für wirklich wirksame Maßnahmen der Prävention und des Opferschutzes, die darüber hinaus dringend erforderlich sind.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nehmen Sie die große Ernsthaftigkeit an, mit der wir die Debatten führen.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP
Wir können Ihre Vorschläge kaum erwarten!)
Das Wort hat Nina Warken für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)