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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrtes Publikum! Deutschland steht als Unterzeichner der Genfer
Flüchtlingskonvention in einem besonderen Maß in der EU dafür, dass wir rechtsstaatlich gut organisierte Asylverfahren durchführen. Die Entscheider/-innen des
BAMF unterstützen als Expertinnen und Experten schon seit vielen Jahren die Mitgliedstaaten auf den bekannten Inseln bei der Bearbeitung der Asylverfahren.
Die beabsichtigte Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist nach unserer Ansicht unerlässlich. Es geht auch nicht darum, das individuelle
Recht auf Asyl oder Flüchtlingsschutz abzuschaffen. Ganz im Gegenteil: Wir treten für eine gerechte Verteilung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern auf alle
Mitgliedstaaten der EU ein und für eine Stärkung der Menschenrechte und der Verfahrensrechte.
Ein Grundrechtemonitoring an den Außengrenzen soll nach den Plänen zukünftig systematische Menschenrechtsverletzungen an unseren Außengrenzen
unterbinden.
Zuruf der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])
Die derzeit geltende Dublin-III-Verordnung soll nach den Plänen aufgehoben und ersetzt werden. Die EU wird insoweit bis 2024 ein umfangreiches Asyl-
und Migrationspaket verabschieden.
Als ehemalige Entscheiderin und auch Gesamtpersonalrätin beim BAMF kann ich Ihnen versichern, dass die Mitarbeitenden bis an ihre Belastungsgrenzen
gegangen sind, um den Asylsuchenden in dem Asylverfahren gerecht zu werden. Aber es ist nun mal so, dass Asyl nach dem Grundgesetz oder Flüchtlingsschutz nach
der Genfer Flüchtlingskonvention, egal ob hier in Deutschland oder an einer Außengrenze, am Ende schlichtweg eine rechtliche Anspruchsprüfung ist.
Die Pläne der EU-Kommission zur Einführung verpflichtender Grenzverfahren eben an diesen Außengrenzen lassen grundsätzlich nicht erkennen, dass da die
Genfer Flüchtlingskonvention verletzt würde; denn diese ist auch – –
Frau Kollegin, eine Sekunde! Es ist gerade sehr laut. Sie merken das vielleicht gar nicht; ich weiß es nicht. Aber es ist ein sehr lautes Gebrabbel
gerade. Ich bitte wirklich diejenigen, die Wichtiges auszutauschen haben,
Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das stört uns hier auch gerade!
Das ist
wegen meiner Rede!)
hinauszugehen oder der Rednerin ein bisschen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Beifall der Abg. Gülistan Yüksel [SPD] und Clara Bünger [DIE LINKE]
Eben war der Redner zu laut, jetzt ist sie zu
leise!)
– Ja, Sie redet aber deutlich leiser als der Kollege. – Bitte schön.
Gut. – Die Genfer Flüchtlingskonvention ist auch an den Außengrenzen maßgeblich und zu beachten. Das, glaube ich, wird hier niemand abstreiten
wollen. Es gilt das Prinzip der Nichtzurückweisung, das Non-Refoulement-Prinzip, und Pushbacks sind unzulässig. Auf europäischer Ebene müssen Personal und
finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um das zu regeln.
Beifall bei der SPD)
Wenn wir in Deutschland und in Europa im Asylverfahren aber feststellen, dass zahlreiche Menschen einen Asylantrag stellen und am Ende keinen Anspruch
haben, dann müssen wir handeln. Deshalb ist es richtig, dass die Asylverfahren an den Außengrenzen in Betracht gezogen werden, besonders für bestimmte Gruppen,
nämlich die Gruppen von Migranten, bei denen wir davon ausgehen, dass sie am Ende keinen Schutzstatus bekommen werden.
Abg. Clara Bünger [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Darüber hinaus ist es wichtig, dass unsere Bundesinnenministerin noch mal betont hat, dass wir die vulnerablen Gruppen aus diesen Verfahren
herausnehmen müssen; das sind Kinder, Ältere, Behinderte oder Schwerkranke. Schon aus dem Grund können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen; denn wir haben da eine
andere Meinung.
Die aktuell im Europäischen Parlament beschlossene Verordnung zum Screening-Verfahren sorgt dafür, dass wir, unter Achtung des Asylrechts und der
Menschenrechte, irregulär in die EU eingereiste Personen registrieren können. Wir können nachvollziehbar registrieren, wer in unser Land eingereist ist, und das
als Grundlage für das weitere Asylverfahren nehmen.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage von Frau Bünger?
Ja, bitte, Frau Kollegin.
Ja, aber selbst keine Zwischenfrage zulassen!
Die haben wir doch schon genug
gehört!)
Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie auch meine Frage zulassen. – Ich erinnere daran, dass 1993 14 Stunden diskutiert wurde. Ich möchte gerne mit
Ihnen in einen Dialog treten. Sie haben gerade gesagt, dass Asylverfahren an den Außengrenzen geprüft werden. Nach den Vorschlägen der Kommission – dem stimmen
Sie zu – ist es so, dass eine inhaltliche Prüfung an den Außengrenzen gerade nicht stattfinden soll. Vielmehr soll im Rahmen einer Zulässigkeitsprüfung schnell
in einen Drittstaat abgeschoben werden. Das betrifft insbesondere Menschen aus Ländern, die eine hohe Anerkennungsquote haben, zum Beispiel aus Syrien oder
Afghanistan. Da würden wir alle sagen: Die haben einen Schutzanspruch in der EU verdient.
Aber nach Ihren Plänen wird es keine inhaltliche Asylprüfung in der EU geben. Vielmehr werden die Menschen in einen Drittstaat abgeschoben.
Syrer fallen doch gar nicht in den Anwendungsbereich!)
Das führt dazu, dass die allermeisten Menschen nicht in der EU ein Asylverfahren durchlaufen werden. Meine Frage an Sie lautet: Wie können Sie, auch
als Entscheiderin, das mit Ihrem Gewissen und den Menschenrechten vereinbaren?
Vorab: Was ich mit meinem Gewissen vereinbaren kann oder nicht, spielt am Ende keine Rolle; denn es ist eine rechtliche Prüfung.
Beifall bei der SPD sowie des Abg. Torsten Herbst [FDP])
Bei der Frage, ob inhaltlich geprüft wird oder nicht, ist es ein Riesenunterschied, ob wir beim Asylverfahren überhaupt schon in der inhaltlichen
Prüfung sind oder ob wir – gesondert betrachtet – die Drittstaatenregelung prüfen. Denn da geht es eben nur darum, ob Asylbewerber, die aus ihrem Heimatland
geflohen sind, in einem Drittstaat schon Schutz gefunden haben. Und da ist auch die Einschränkung. Es ist ja alles noch in Verhandlungen; es ist noch gar nicht
klar, wie das am Ende aussehen wird. Aber letztlich geht es darum, ob ich in einem anderen Land schon Schutz gefunden habe. Drittstaaten sind die Staaten, die
nicht zur Europäischen Union gehören; das vielleicht mal zur Erklärung. Wenn ich beispielsweise aus Afghanistan in die Türkei komme, dort schon Jahre gelebt und
gearbeitet habe – dort quasi schon Schutz gefunden habe –, besteht nach dieser Drittstaatenregelung rein rechtlich kein Anspruch oder keine Veranlassung mehr,
dass wir hier noch mal einen Asylantrag prüfen.
Beifall bei der SPD)
Zuruf der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])
Also, die Drittstaatenregelung ist so, wie sie ist. Ich kann sie für Sie nicht ändern.
Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU
Es ist halt falsch, was Sie sagen!)
Ja. – Ich komme dann zu dem Punkt der sicheren Herkunftsländer.
Jetzt weiß keiner mehr Bescheid!)
Das ist auch die immer gleiche Diskussion: Wieso weisen Sie sichere Herkunftsländer aus? Wieso werden die Anträge dieser Asylbewerber als
offensichtlich unbegründet abgelehnt? Der einzige Unterschied bei diesen sicheren Herkunftsländern ist, dass der Gesetzgeber davon ausgeht,
Ampel ist, wenn jeder macht, was er will!)
dass in diesen Staaten keine Verfolgungsgefahr besteht. Das erkennen wir anhand von Lageberichten aus diesen Ländern, aber auch anhand der geringen
Schutzquoten.
Vor dem Hintergrund ist es ein Hinweis an die Entscheider in den Asylverfahren: Achtung! Das ist erst mal ein Staat, wo vermutlich nicht mit
Verfolgung zu rechnen ist. – Aber es ist so, Frau Bünger, dass wir auch bei Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsländern ein ganz normales Asylverfahren
durchführen und uns die Antragsteller in der Anhörung alles vortragen können. Wenn sie diese Vermutung widerlegen, dann bekommen sie auch Schutz. Es ist keine
Einbahnstraße, wenn man aus einem sicheren Herkunftsstaat gekommen ist.
Die Ausweitung der Drittstaatenregelung haben Sie gerade schon angesprochen. Das ist ein Mittel im Asylverfahren. – Hier blinkt „Präsident“ auf.
Das kommt, weil Ihre Zeit um ist.
Heiterkeit)
Ach so, ja. – Auf die Drittstaatenregelung gehe ich jetzt nicht näher ein.
Das geht jetzt auch tatsächlich nicht mehr.
Sie ist sehr kompliziert. Auf jeden Fall ist sie ein gutes Mittel.
Wir brauchen ein solidarisches System in Europa und die gerechte Verteilung der Flüchtlinge. Die Ampel steht für eine moderne Migrationspolitik. Was
jahrelang nicht angegangen wurde, müssen wir jetzt national und auch auf europäischer Ebene –
Kommen Sie bitte jetzt zum Schluss, Frau Kollegin.
Beifall bei der SPD)
Und wir haben nicht vergessen, die Zeit während der Frage anzuhalten.
Das wäre jetzt die Frage gewesen!)
Nicht, dass es hier noch ein Missverständnis gibt! Die Redezeit war also deutlich länger.
Das letzte Wort in dieser Debatte hat Dr. Volker Ullrich für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)