- Bundestagsanalysen
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte ist erforderlich, weil die Regierungsmehrheit in diesem Haus seit zehn Sitzungswochen, also seit einem halben Jahr, die Behandlung eines Antrags der Union blockiert. Dass Sie damit der größten Oppositionsfraktion ihre verfassungsrechtlich garantierten, parlamentarischen Mitwirkungsrechte beschneiden, fügt sich leider nahtlos in das wenig demokratische Gebaren der Ampel in diesem Bundestag ein:
Zuruf von der FDP: Oijoijoi!)
Der Opposition werden Anhörungen verweigert, oder sie werden in der Frist weniger Stunden aufgesetzt.
Ausschussvorsitzende!
Ausschussvorsitzende!)
Parlamentarische Fragen werden mit extremer Verspätung, ausweichend oder in der Sache gar nicht beantwortet. Und das Justizministerium fand monatelang nichts dabei, dass eine Organisation in seinem Geschäftsbereich eine Art Staatspresse
Darf man nicht sagen!)
aufgebaut hat, staatlich finanziert und vorzugsweise mit Regierungsinhalten befüllt. Vom vierten Punkt, nämlich der Art und Weise, wie Sie hier grundstürzende Änderungen im Wahlrecht innerhalb einer Woche vorgelegt und verabschiedet haben, will ich gar nicht weiter sprechen.
Innerhalb von drei Tagen!)
Ich stelle aber fest: Sie schaden mit diesem Verhalten weniger uns als der parlamentarischen Demokratie in Deutschland!
Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Nicole Höchst [AfD])
Zum Skandal wird Ihr Verhalten aber vor allem angesichts des Themas, um das es hier und heute geht. Bei dem heute erneut zu debattierenden Antrag der Union geht es ja nicht um die Reparatur eines falschen Energiegesetzes – davon hatten wir einige – oder um die Korrektur eines Bußgeldkatalogs im Straßenverkehr. Es geht hier um nicht weniger – es ist eigentlich schade, dass das in Ihrer Rede gar nicht vorkam – als um den Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch und Kinderpornografie im Netz.
Im Klartext: Die Ampelmehrheit im Rechtsausschuss verzögert und verhindert seit einem halben Jahr den Schutz der Schwächsten in unserer Gesellschaft.
Beifall bei der CDU/CSU)
Im Ausschuss sind Sie nicht einmal bereit, zu diesem Thema eine Expertenanhörung durchzuführen. Wenn Sie sich beispielsweise an der Frist stoßen und sechs Monate für zu lange halten, dann müssten Sie sich doch geradezu nach einer solchen Expertenanhörung sehnen. Sie blockieren sie.
Aber nicht genug, dass Sie unsere Initiative blockieren. Die Regierung hält es seit über einem Jahr auch nicht für nötig, dem Bundestag irgendeinen eigenen Vorschlag zu präsentieren, meine Damen und Herren.
Beifall bei der CDU/CSU
Zuruf von der CDU/CSU: Skandalös!)
Dazu passt leider auch die Reaktion auf den Brief unseres Fraktionsvorsitzenden an den Bundeskanzler. Aus Anlass des Weltkindertages hat Friedrich Merz den Kanzler im letzten Jahr dringend gebeten, endlich zum Schutz missbrauchter Kinder aktiv zu werden. Reaktion auf diesen Brief von Friedrich Merz: keine. Auch nach sechs Monaten wird dieses Thema im Kanzleramt offenbar nicht als wichtig angesehen; vielleicht kann der Kanzler sich inzwischen auch gar nicht mehr an den Brief erinnern. Beim Thema Kinderschutz reicht es bei dieser Regierung leider maximal zu Sonntagsreden und Lippenbekenntnissen. Wir sorgen mit der heutigen Debatte dafür, dass Sie sich für dieses skandalöse Verhalten vor der deutschen Öffentlichkeit verantworten müssen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Jetzt muss man sich ja die Frage stellen: Warum sträubt sich die Ampel nun schon seit einem halben Jahr gegen eine Ausschussanhörung, obwohl Sie in der Sache vielleicht sogar Kritikpunkte haben, die Sie gerne vortragen möchten? Sie scheuen den öffentlichen Rat von Experten ganz offensichtlich, weil diese Ihnen noch einmal klarmachen würden, dass in vielen Fällen schwerster Kriminalität die IP-Adresse eines Computers der einzige Anknüpfungspunkt für Ermittlungen ist. Sie scheuen diese Anhörung, weil hier auch davon zu reden wäre, dass der geplante Terroranschlag von Castrop-Rauxel nur deshalb vereitelt und die Täter ermittelt werden konnten, weil ein bestimmter Internetanbieter die Bestandsdaten zufällig noch nicht gelöscht hatte. Zufällig! Meine Damen und Herren, diese Ampelmehrheit stellt inzwischen ein Sicherheitsrisiko für unser Land und für unsere Kinder dar.
Beifall bei der CDU/CSU)
Immerhin scheint es Ihnen ja noch peinlich zu sein, wenn Ihnen neutrale Experten in einer Anhörung bescheinigen werden, dass gerade der sexuelle Missbrauch von Kindern allzu oft nur mit diesen IP-Adressen aufzuklären ist; denn ekelerregende, brutale und schier unvorstellbare Bild- und Videodateien werden im Netz ausgetauscht. Und in Chatgruppen verhöhnen die perversen Täter ganz offen ihre Opfer und die Ermittler, weil sie wissen, dass der Verzicht auf eine Speicherung von IP-Adressen sie vor Verfolgung weitgehend sicher macht. Zumindest gegenüber diesen Kinderschändern dürfen wir bei der Aufklärung nicht länger auf das Prinzip Zufall setzen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Wir sind in Deutschland bekanntermaßen vielfach angewiesen auf Hinweise vor allem des US-amerikanischen National Center for Missing & Exploited Children, die hier wirklich eine segensreiche und wichtige Arbeit machen, indem sie Informationen aus dem Netz sammeln. Von 2017 bis 2021 bekamen wir fast 200 000 strafrechtlich relevante Hinweise auf Kinderpornografie und Kindesmissbrauch allein aus dieser Quelle. Bei 19 150 dieser Hinweise führte eine Bestandsdatenabfrage nicht zu einer Identifizierung des benutzten Anschlusses. Warum nicht? Weil die IP-Adresse als einziger Ermittlungsansatz nicht mehr bei den Providern gespeichert war.
Wir als Unionsfraktion gehören nicht zu denen, die achselzuckend darauf hinweisen, das seien ja nur 10 Prozent der Fälle, in 90 Prozent der Fälle habe es ja irgendwie geklappt. Wir sagen: Es sind 19 150 Fälle zu viel. – Denn hinter diesen Zahlen verbergen sich Täter, die weiter ihr Unwesen treiben können, und Kinder, die nicht gerettet werden konnten und ihren Peinigern ausgeliefert bleiben. Wir nehmen nicht hin, dass diese Missbrauchsfälle unaufgeklärt und ungesühnt bleiben.
Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Christian Wirth [AfD])
Es sollte daher eigentlich für alle hier im Hause sonnenklar sein, was zu tun ist. Wir brauchen eine befristete Speicherung von IP-Adressen – nicht von Vorratsdaten, sondern von IP-Adressen – nach deutschem Recht.
Das ist Vorratsdatenspeicherung!)
Diese Notwendigkeit hat explizit auch der Europäische Gerichtshof als oberstes Gericht der Europäischen Union erkannt. Ganz bewusst hat er in seinem Urteil zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung klipp und klar die Speicherung von IP-Adressen insbesondere zur Verfolgung schwerer Straftaten zugelassen. Und welche Straftaten, so frage ich, könnten denn schwerer sein als Gewalttaten gegen Kinder? Ich denke und hoffe, dass wir alle in diesem Haus zumindest diesen Minimalkonsens noch hinbekommen.
Beenden Sie also in dieser Frage endlich Streit und Zank in der Ampel, und versuchen Sie bitte nicht länger, mit der Scheinlösung eines Einfrierens von IP-Adressdaten abzulenken! Begreifen Sie endlich: Daten, die nicht mehr vorhanden sind, kann man nicht einfrieren. Insofern ist das eben keine Lösung. Das mag ja grundrechtskonform sein, aber wenn es nichts bringt, hilft das keinem Kind und keinem Opfer von Straftaten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Opfer Ihrer internen Streitigkeiten sind inzwischen Hunderte und Tausende von Kinderseelen. Jede Verletzung durch Gewalt und Missbrauch ist eine zu viel, weil sie ein Kind unauslöschlich und lebenslang begleitet. Ich bitte Sie daher auch im Namen dieser Kinder: Beschäftigen Sie sich in der Ampel nicht länger mit sich selbst, sondern mit dem Schutz der schwächsten Glieder unserer Gesellschaft!
Vielen Dank.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)