- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die AfD ist eine Meisterin der unterkomplexen Antworten auf komplexe Fragen. Sie hat im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP gelesen, dass wir für mehr reguläre Einwanderung sind und mehr reguläre Einwanderung in unseren Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ermöglichen wollen. Wir wollen aber auch weniger irreguläre Einwanderung
Illegale heißt das!
Sie versuchen, aus illegaler Einwanderung legale zu machen! Das ist das, was Sie tun, und sonst gar nichts!)
in unsere Asylsysteme durch Menschen, die oft gar nicht vor einem Bürgerkrieg, Krieg oder Terror und Gewalt fliehen, sondern einfach ein besseres Leben suchen, was zunächst ja etwas völlig Legitimes und Normales ist.
Der eigentliche Fehlanreiz und die eigentliche Dysfunktionalität des europäischen Asylsystems besteht nämlich darin, dass Menschen, die eigentlich in der Lage und auch bereit wären, es bei uns durch eigene Hände Arbeit zu etwas zu bringen, in der Wüste und auf dem Meer ihr Leben aufs Spiel setzen müssen, weil bei uns die Hürden für den Zugang zum Arbeitsmarkt höher sind als die Hürden für den Zugang in unser Asylsystem.
Was hat das mit der Wüste zu tun]?
Das ist eigentlich verkehrt. Deswegen müssen wir etwas ändern, wollen wir etwas ändern und werden wir etwas ändern, um den Zugang zu unserem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unkomplizierter zu machen, meine Damen und Herren.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Abg. Alexander Hoffmann [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Der Zugang nach Deutschland wird zurzeit von Schleppern und Schleusern beherrscht.
Zurufe von der CDU/CSU: Frau Präsidentin!)
Wer nach Deutschland, wer nach Europa kommt, bestimmen derzeit international vernetzte Schlepper- und Schleuserbanden.
Abg. Stephan Thomae [FDP] wendet sich an die Präsidentin)
Sie möchten anscheinend die Zwischenfrage des Kollegen zulassen. Das entnehme ich der nonverbalen Kommunikation. Bitte schön.
Kollegial wollte ich darauf hinweisen, dass sich der Kollege Hoffmann zu Wort gemeldet hat. – Ich lasse die Frage zu.
Vielen Dank, Herr Kollege Thomae, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich habe Ihrer Rede sehr aufmerksam gelauscht und bin ein bisschen erstaunt. Ich habe Reden von Ihnen jetzt schon zum vierten, fünften Mal in Sachen Migration gehört. Das lässt sich nicht vermeiden; wir sind im selben Ausschuss. Ich habe aber immer das Gefühl, dass Sie im Grunde immer dasselbe sagen. Das war auch jetzt wieder so.
Zurufe der Abg. Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
– Lassen Sie mich doch mal, Sie müssen ihn doch noch gar nicht in Schutz nehmen, ich bin doch noch gar nicht so weit.
Die Argumentation ist immer wie folgt: Wir haben viel zu wenig Möglichkeiten, dass Menschen legal ins Land kommen können,
Welche haben wir denn noch? Sagen Sie doch mal: Welche kennen Sie?)
und wenn wir das dann machen, dann haben wir weniger illegale Migration,
„Illegale“ hat er gar nicht gesagt! „Irreguläre“!)
dann wird alles besser, und dann sterben weniger Menschen im Mittelmeer. – Ich finde, die Banalität der Betrachtung ist eigentlich kaum mehr zu überbieten.
Ich will Ihnen eine Gegenthese bringen. Stellen Sie sich mal vor, ich sage jetzt: Wir haben zu viel Kriminalität im Land, und deswegen streiche ich die Hälfte aller Straftatbestände im StGB. – Dann wird es am Ende des Tages so sein, dass ich tatsächlich weniger Straftaten habe, aber das Land wird nicht sicherer. Deswegen möchte ich vor dem Hintergrund von Ihnen noch einmal diesen Ursache-Wirkung-Zusammenhang erläutert bekommen, bitte an meinem Beispiel.
Erklären Sie erst einmal, was bei Ihnen „illegal“ heißt!)
Ja, Herr Kollege Hoffmann, erst mal vielen Dank für Ihre Frage. – Dass sich das, was ich an diesem Pult sage, nicht ständig ändert, sondern
Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
dass ich bei dem, was ich sage, bleibe, das hängt damit zusammen, dass ich davon überzeugt bin, dass es das Richtige ist.
Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Eine ganz neue Erkenntnis für die Union!)
Ich wäre erstaunt, wenn Sie immer etwas anderes sagen würden. Das würde darauf hindeuten, dass Sie jedes Mal zur Einsicht gekommen sind, dass das, was Sie beim letzten Mal gesagt haben, falsch war, darum müssen Sie es ändern. Der Auffassung bin ich aber nicht.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber ich bin weiterhin der Auffassung: Wenn wir als politisch gestaltende Kraft lenken und steuern wollen,
Sie müssen begrenzen!)
nach welchen Kriterien Menschen zu uns ins Land kommen dürfen – selbst die Wirtschaftsverbände sagen: „Zum Ausgleich des demografischen Faktors benötigen wir einen Arbeitskräftezuzug aus dem Ausland, auch aus Drittstaaten der Europäischen Union in der Größenordnung von 400 000 pro Jahr“; das ist eine wuchtige Zahl –, dann müssen wir das schon organisieren, dann müssen wir ein Konzept entwickeln, das auch alle einbindet, in dem künftig auch deutsche Auslandsvertretungen, Botschaften, Konsulate und Auslandshandelskammern eine Rolle spielen müssen. Das Konzept müssen wir entwickeln, weil es in den letzten Jahren, Jahrzehnten nicht geschehen ist,
Sehr richtig!)
weil wir mit der Lebenslüge gelebt haben, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei.
Das steht wahrscheinlich immer noch in Ihrem Papier drin, oder Herr Amthor?
Nein!)
Wir stellen jetzt aber fest: Wir brauchen dieses Kontingent an Arbeitskräften. Das halte ich für richtig, und deswegen sage ich das Mal für Mal an diesem Pult. Das ist, glaube ich, die Antwort auf Ihre Frage.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn wir brauchen in der Tat den Zuzug von Arbeitskräften. Zumeist sind es Menschen, die ganz gerne bei uns arbeiten würden. Es sind in der Regel nicht die Ärmsten der Armen, die zu uns kommen, sondern es sind oft Menschen, die schon in ihren Ländern einen gewissen Bildungsstand erworben haben, die über Sprachkenntnisse verfügen, die mit Internet und Smartphones umgehen können, die Kontakt zu Menschen haben, die schon hier in Europa sind, deren Familien über Geld verfügen, um Schlepper und Schleuser zu bezahlen, und die widerstandsfähig genug sind, um die Strapazen durch Wüste und übers Meer zu überstehen. Es handelt sich also um Menschen, die eigentlich für Botschaften wie die, dass man als Arbeitsuchender schneller, billiger und sicherer nach Deutschland kommen kann, erreichbar sind.
Weil wir momentan gar nicht wissen, wo wir Flüchtlinge in Deutschland unterbringen, wie wir sie versorgen und betreuen sollen, sind unsere Probleme eigentlich an ganz anderer Stelle zu suchen. Unser Problem besteht eigentlich nicht in Fehlanreizen, sondern darin, dass die europäische Asyl- und Migrationspolitik dysfunktional ist. Nicht die Politik lenkt und steuert Migration, sondern das tun Schlepper und Schleuser. Also müssen wir das Heft des Handelns zurückgewinnen.
Das ist keine leichte Aufgabe; die werden wir auch nicht über Nacht auf die Schnelle lösen können. Deshalb setzen wir auf neue Migrationsabkommen. Es gibt schon Rücknahmeabkommen, die aber bisher nicht wirklich funktionieren, weil sie immer an einem Fehler kranken: Sie basieren nicht auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Migrationsabkommen müssen für beide Seiten interessant und attraktiv sein. Es müssen Anreize im Wege des Gebens und Nehmens darin enthalten sein. Wenn Rücknahmeabkommen funktionieren sollen, dann müssen sie auch den Herkunftsländern Vorteile bieten. Diese können in engerer wirtschaftlicher Zusammenarbeit bestehen. Sie können auch in Visaerleichterungen für Menschen, die gerne bei uns arbeiten würden, bestehen. Dann haben beide Seiten etwas davon, Herr Kollege Hoffmann.
Für ausländischen Regierungen sind Visaerleichterungen immer ein großer innenpolitischer Erfolg. Für viele unter Bevölkerungswachstum leidende afrikanische Staaten schafft Auswanderung auch eine Erleichterung, eine Entlastung in der Bevölkerungspolitik,
Das ist ja der totale Wahnsinn, was Sie hier gerade sagen! Afrikanisches Bevölkerungswachstum in Europa, oder was? 100 Millionen im Jahr!)
und Auswanderer ermöglichen diesen Ländern Wirtschaftsbeziehungen. Sie sorgen für Deviseneinnahmen und sind deswegen für solche Länder attraktiv. Auch für uns sind sie attraktiv; denn wir können, wenn wir Zuwanderung richtig steuern, genau die Menschen bekommen, die bei uns eine echte Chance, eine Perspektive haben, in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt anzukommen.
FDP bald unter 5 Prozent bundesweit!)
Da darf man nun auch keine Unklarheiten entstehen lassen: Arbeitsmigrationsangebote sind Angebote, aber wir haben auch Erwartungen. Das ist Ausdruck gegenseitiger Fairness; denn Arbeitseinwanderung hat etwas mit Geben und Nehmen zu tun. Dieses Verständnis von Geben und Nehmen, von Fairness zu beiderseitigem Vorteil, geht der AfD völlig ab. Am besten funktionieren nämlich immer Systeme, die für beide Seiten vorteilhaft und fair sind. Von Gegenseitigkeit und Fairness versteht die AfD wenig, wir hingegen viel, weshalb man den Gesetzentwurf der AfD ablehnen und den Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik uns überlassen sollte.
Vielen Dank.
Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich gebe das Wort für die SPD-Fraktion der Kollegin Gülistan Yüksel.
Beifall bei der SPD sowie des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])