Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die AfD ist eine Meisterin der unterkomplexen Antworten auf komplexe Fragen. Sie hat im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP gelesen, dass wir für mehr reguläre Einwanderung sind und mehr reguläre Einwanderung in unseren Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ermöglichen wollen. Wir wollen aber auch weniger irreguläre Einwanderung in unsere Asylsysteme durch Menschen, die oft gar nicht vor einem Bürgerkrieg, Krieg oder Terror und Gewalt fliehen, sondern einfach ein besseres Leben suchen, was zunächst ja etwas völlig Legitimes und Normales ist. Der eigentliche Fehlanreiz und die eigentliche Dysfunktionalität des europäischen Asylsystems besteht nämlich darin, dass Menschen, die eigentlich in der Lage und auch bereit wären, es bei uns durch eigene Hände Arbeit zu etwas zu bringen, in der Wüste und auf dem Meer ihr Leben aufs Spiel setzen müssen, weil bei uns die Hürden für den Zugang zum Arbeitsmarkt höher sind als die Hürden für den Zugang in unser Asylsystem. Das ist eigentlich verkehrt. Deswegen müssen wir etwas ändern, wollen wir etwas ändern und werden wir etwas ändern, um den Zugang zu unserem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unkomplizierter zu machen, meine Damen und Herren. Der Zugang nach Deutschland wird zurzeit von Schleppern und Schleusern beherrscht. Wer nach Deutschland, wer nach Europa kommt, bestimmen derzeit international vernetzte Schlepper- und Schleuserbanden. Kollegial wollte ich darauf hinweisen, dass sich der Kollege Hoffmann zu Wort gemeldet hat. – Ich lasse die Frage zu. Ja, Herr Kollege Hoffmann, erst mal vielen Dank für Ihre Frage. – Dass sich das, was ich an diesem Pult sage, nicht ständig ändert, sondern dass ich bei dem, was ich sage, bleibe, das hängt damit zusammen, dass ich davon überzeugt bin, dass es das Richtige ist. Ich wäre erstaunt, wenn Sie immer etwas anderes sagen würden. Das würde darauf hindeuten, dass Sie jedes Mal zur Einsicht gekommen sind, dass das, was Sie beim letzten Mal gesagt haben, falsch war, darum müssen Sie es ändern. Der Auffassung bin ich aber nicht. Aber ich bin weiterhin der Auffassung: Wenn wir als politisch gestaltende Kraft lenken und steuern wollen, nach welchen Kriterien Menschen zu uns ins Land kommen dürfen – selbst die Wirtschaftsverbände sagen: „Zum Ausgleich des demografischen Faktors benötigen wir einen Arbeitskräftezuzug aus dem Ausland, auch aus Drittstaaten der Europäischen Union in der Größenordnung von 400 000 pro Jahr“; das ist eine wuchtige Zahl –, dann müssen wir das schon organisieren, dann müssen wir ein Konzept entwickeln, das auch alle einbindet, in dem künftig auch deutsche Auslandsvertretungen, Botschaften, Konsulate und Auslandshandelskammern eine Rolle spielen müssen. Das Konzept müssen wir entwickeln, weil es in den letzten Jahren, Jahrzehnten nicht geschehen ist, weil wir mit der Lebenslüge gelebt haben, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei. Wir stellen jetzt aber fest: Wir brauchen dieses Kontingent an Arbeitskräften. Das halte ich für richtig, und deswegen sage ich das Mal für Mal an diesem Pult. Das ist, glaube ich, die Antwort auf Ihre Frage. Denn wir brauchen in der Tat den Zuzug von Arbeitskräften. Zumeist sind es Menschen, die ganz gerne bei uns arbeiten würden. Es sind in der Regel nicht die Ärmsten der Armen, die zu uns kommen, sondern es sind oft Menschen, die schon in ihren Ländern einen gewissen Bildungsstand erworben haben, die über Sprachkenntnisse verfügen, die mit Internet und Smartphones umgehen können, die Kontakt zu Menschen haben, die schon hier in Europa sind, deren Familien über Geld verfügen, um Schlepper und Schleuser zu bezahlen, und die widerstandsfähig genug sind, um die Strapazen durch Wüste und übers Meer zu überstehen. Es handelt sich also um Menschen, die eigentlich für Botschaften wie die, dass man als Arbeitsuchender schneller, billiger und sicherer nach Deutschland kommen kann, erreichbar sind. Weil wir momentan gar nicht wissen, wo wir Flüchtlinge in Deutschland unterbringen, wie wir sie versorgen und betreuen sollen, sind unsere Probleme eigentlich an ganz anderer Stelle zu suchen. Unser Problem besteht eigentlich nicht in Fehlanreizen, sondern darin, dass die europäische Asyl- und Migrationspolitik dysfunktional ist. Nicht die Politik lenkt und steuert Migration, sondern das tun Schlepper und Schleuser. Also müssen wir das Heft des Handelns zurückgewinnen. Das ist keine leichte Aufgabe; die werden wir auch nicht über Nacht auf die Schnelle lösen können. Deshalb setzen wir auf neue Migrationsabkommen. Es gibt schon Rücknahmeabkommen, die aber bisher nicht wirklich funktionieren, weil sie immer an einem Fehler kranken: Sie basieren nicht auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Migrationsabkommen müssen für beide Seiten interessant und attraktiv sein. Es müssen Anreize im Wege des Gebens und Nehmens darin enthalten sein. Wenn Rücknahmeabkommen funktionieren sollen, dann müssen sie auch den Herkunftsländern Vorteile bieten. Diese können in engerer wirtschaftlicher Zusammenarbeit bestehen. Sie können auch in Visaerleichterungen für Menschen, die gerne bei uns arbeiten würden, bestehen. Dann haben beide Seiten etwas davon, Herr Kollege Hoffmann. Für ausländischen Regierungen sind Visaerleichterungen immer ein großer innenpolitischer Erfolg. Für viele unter Bevölkerungswachstum leidende afrikanische Staaten schafft Auswanderung auch eine Erleichterung, eine Entlastung in der Bevölkerungspolitik, und Auswanderer ermöglichen diesen Ländern Wirtschaftsbeziehungen. Sie sorgen für Deviseneinnahmen und sind deswegen für solche Länder attraktiv. Auch für uns sind sie attraktiv; denn wir können, wenn wir Zuwanderung richtig steuern, genau die Menschen bekommen, die bei uns eine echte Chance, eine Perspektive haben, in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt anzukommen. Da darf man nun auch keine Unklarheiten entstehen lassen: Arbeitsmigrationsangebote sind Angebote, aber wir haben auch Erwartungen. Das ist Ausdruck gegenseitiger Fairness; denn Arbeitseinwanderung hat etwas mit Geben und Nehmen zu tun. Dieses Verständnis von Geben und Nehmen, von Fairness zu beiderseitigem Vorteil, geht der AfD völlig ab. Am besten funktionieren nämlich immer Systeme, die für beide Seiten vorteilhaft und fair sind. Von Gegenseitigkeit und Fairness versteht die AfD wenig, wir hingegen viel, weshalb man den Gesetzentwurf der AfD ablehnen und den Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik uns überlassen sollte. Vielen Dank.