- Bundestagsanalysen
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer/-innen! Der Gesetzentwurf der Linken, das Containern straffrei zu stellen und dafür das Strafgesetzbuch zu ändern, ist aus meiner Sicht weder zielführend noch geeignet, um dieses Problem effizient zu lösen.
Zur Erklärung: Containern bedeutet ja, dass Menschen Lebensmittel, die noch essbar sind, aus wirtschaftlicher Not aus Containern oder Mülltonnen herausnehmen, die dort zumeist vom Lebensmitteleinzelhandel entsorgt wurden, weil sie eben nicht mehr verkäuflich sind. Juristisch betrachtet, stellt das Containern oftmals einen Diebstahl dar, nämlich die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache, unter Umständen auch einen schweren Diebstahl, einen Hausfriedensbruch oder eine Sachbeschädigung.
Die Motivation für diesen Gesetzentwurf ist für mich durchaus nachvollziehbar. Grundsätzlich wollen wir nämlich auch nicht, dass Menschen, die in Not sind und ihre Lebensmittel aus Mülleimern heraussuchen müssen, dafür bestraft werden, weil sie eben keine andere Wahl haben. Anstatt aber dieses sozialpolitische Problem im Strafgesetzbuch noch zu zementieren, ist es doch unsere Pflicht als Politiker/-innen, für diese Menschen eine Lösung zu finden, anstatt durch die Zeilen zu sagen: Macht weiter so; aber am Ende werden wir euch nicht bestrafen.
Beifall bei der SPD sowie des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Man muss hier auch wissen, dass die Lebensmittelverschwendung eben nicht in der Art durch den Einzelhandel produziert wird, wie man annehmen könnte. Derzeit liegt der Anteil an Lebensmitteln, die der Einzelhandel – ich sage jetzt mal – in die Container wirft, bei 7 Prozent. Das war vor einigen Jahren noch eine ganz andere Dimension, als das Problem damals in der öffentlichen Debatte aufkam. Die Lebensmittelverschwendung findet aber – das wurde schon gesagt – zu 60 Prozent in Privathaushalten statt. Der Lebensmitteleinzelhandel gibt heute schon einen großen Teil der Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden, an Tafeln oder andere gemeinnützige Organisationen ab. Das heißt, gerade in den letzten Jahren hat es im Hinblick auf den Lebensmitteleinzelhandel schon eine große Verbesserung gegeben, was die Lebensmittelverschwendung angeht.
Vor diesem Hintergrund ist es aus meiner Sicht nicht zielführend, das Containern zu entkriminalisieren und dafür das Strafgesetzbuch zu ändern. Richtig wäre doch, dass wir das Containern entbehrlich machen, indem wir Menschen dazu befähigen, dass sie sich Lebensmittel leisten können.
Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD])
In diesem Zusammenhang werbe ich, Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen im Kabinett, heute noch einmal dafür, die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse auf 0 Prozent herunterzusetzen, damit sich Mitbürger/-innen gerade auch in Zeiten steigender Lebensmittelpreise Lebensmittel wieder leisten können.
Beifall bei Abgeordneten der SPD
Fleisch nur für die Reichen!)
Mit diesem Gesetzentwurf packen wir das Problem meines Erachtens nicht an der Wurzel. Wir sollten uns an Frankreich ein Beispiel nehmen; die haben ein Antiwegwerfgesetz, damit Lebensmittel nicht in Containern landen, sondern an soziale Einrichtungen abgegeben werden.
Ich kann daneben auch der Begründung zu diesem Gesetzentwurf keine Datenlage entnehmen, aus der sich begründet die Notwendigkeit dafür ergibt, dass wir eine Spezialregelung im Strafgesetzbuch treffen. Wenn der Gesetzgeber gesetzliche Spezialregelungen formuliert, dann macht er das doch üblicherweise, wenn es sich um schwere Straftaten handelt. Das ist beim Containern, welches gesellschaftlich als Bagatelle betrachtet wird, gerade nicht der Fall.
Auch dass Gerichte entlastet werden, kann ich nicht feststellen, da statistisch gar keine Zahlen vorliegen. Das kann aber auch dahinstehen, da die Staatsanwaltschaften bereits jetzt genügend Möglichkeiten haben, das Containern nicht zu verfolgen, sondern das Verfahren einzustellen, das Containern als minderschweren Fall zu behandeln, je nachdem, welcher Sachverhalt vorliegt.
Der Vorschlag unserer Bundesminister Buschmann und Özdemir, wie Hamburg das jetzt auch vorgeschlagen hat, die Richtlinien für das Strafverfahren entsprechend anzupassen, halte ich für zielführend und für einen guten Weg, um in diesen Fällen, die wir zahlenmäßig gar nicht beziffern können, das Verfahren schon im Vorfeld zu erledigen.
Es versteht sich von selbst, dass in allen anderen Fällen, wo Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung oder schwerer Diebstahl vorliegt, der Rechtsstaat handlungsfähig bleiben und das Unrecht auch abbilden können muss. Ansonsten hätte das rechtspolitisch auch für andere Bereiche Folgen.
Deshalb, liebe Linke: Eine Entkriminalisierung des Containerns ist juristisch komplex ist. Sie wurde bereits 2020 im Parlament erörtert. Die Fragen der Haftung für Gesundheitsschäden sind völlig ungeklärt. Dieser Gesetzentwurf löst das Problem für mich nicht, sondern setzt rechtspolitisch das falsche Signal, und sozialpolitisch wäre er eine Kapitulation vor dem Problem. Das ist nicht das, was ich unter Respekt und darunter verstehe, wie wir mit Menschen, die in Not sind in diesem Land, umgehen sollten.
Vielen Dank.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Frau Kollegin Licina-Bode. – Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Der freundliche Hinweis darauf, dass die Redezeit drei Minuten beträgt, Frau Kollegin Künast.