Zwischenrufe:
12
Beifall:
4
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf den Tribünen! Sehr geehrter Herr Minister! Wir kommen in dieser
Debatte nun zum Haushalt des Justizministeriums, oder – wie es auch heißt – des Gesetzgebungsministeriums. Fast alle Redner zum Einzelplan Justiz betonen immer
wieder, dass er mit zuvor knapp unter 1 Milliarde Euro und nun knapp über 1 Milliarde Euro der kleinste Einzelplan ist. Es wird aber auch immer wieder betont,
dass er wegen seiner Aufgaben und der Verantwortung für die Judikative, die dritte Gewalt im Staat, eine besondere Bedeutung hat.
Diese Verantwortung für den Rechtsstaat und seine Kernaufgaben und für die Justiz kann man allerdings nach einem Jahr Ihrer Regierung nicht wirklich
erkennen, Herr Minister. Warum, das führe ich sehr gerne aus. Sie haben nun endlich an der für Sie ersten Justizministerkonferenz teilgenommen, und das fast ein
Jahr nach Amtsantritt. Das macht auch das Verhältnis deutlich, das zwischen Ihnen und den Ländern besteht.
Es ist schon sehr bezeichnend, dass alle 16 Landesministerinnen und Landesminister beklagen, dass sie und die Justiz sich von Ihnen weder gehört,
eingebunden, ernst genommen noch vertreten fühlen.
Zuruf des Abg. Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU])
Sie alle finden, dass Sie nicht die Dinge umsetzen, die Sie versprochen haben und die vereinbart sind. Dabei gibt es für den Rechtsstaat wirklich viel
zu tun.
Beifall bei der CDU/CSU
Wir machen ja auch viel!)
Der erste Satz des Koalitionsvertrags zum Bereich Justiz lautet – ich zitiere –:
Wir verstetigen … den Pakt für den Rechtsstaat und erweitern ihn um einen Digitalpakt für die Justiz.
Hiervon haben Sie sich in den Haushaltsberatungen nun explizit verabschiedet. Sie werden wortbrüchig, Herr Minister.
Aber es steht doch im Koalitionsvertrag!)
Auf Nachfrage haben Sie bestätigt, dass diese Vereinbarung für Sie obsolet ist. Stattdessen ist Ihre Idee ein Pakt für den digitalen Rechtsstaat. Es
liegt nun eine gemeinsame Erklärung aller 16 Landesminister, des Deutschen Richterbundes und der Neuen Richtervereinigung vor, die sehr deutlich macht, was die
Bundesländer und die Justizvertreter von der Bundesregierung erwarten und was ihre Forderungen sind. Und das geht mit Ihren Vorstellungen nun so gar nicht
zusammen. Neben der Fortführung des Pakts für den Rechtsstaat, der 2 000 zusätzliche Stellen für Richter und Staatsanwältinnen umfasste, beziffern die Länder
alleine den Mittelbedarf im Digitalbereich mit 350 Millionen Euro im Jahr.
An deren Zählung bestehen erhebliche Zweifel!)
Sie dagegen legen in der Bereinigungsvorlage für den Pakt für den digitalen Rechtsstaat eine neue Veranschlagung von 50 Millionen Euro im Jahr vor und
werden das sicherlich gleich als große Errungenschaft im Haushalt darstellen.
Ein Pakt bzw. Vertrag setzt allerdings das Einverständnis von mindestens zwei Parteien voraus. Das genau gibt es aber hier ausdrücklich nicht. Unter
anderem deshalb hatten wir in der Bereinigungssitzung auch nachts um drei Uhr noch Besuch der Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Bundesrates, die zugleich
Sprecherin der A-Länder ist.
Ich sage nicht, dass die Forderungen der Bundesländer eins zu eins umzusetzen sind, aber Ihre Gesprächskultur und Ihre Haltung führen dazu, dass es
hier absehbar zu keiner Kooperation und Zusammenarbeit kommen wird. Herr Minister, Sie rühmen sich für Ihr Engagement für die Planungsbeschleunigung, aber
vielleicht sollten Sie lieber auch die Unterstützung des Rechtsstaates durch das Bundesjustizministerium beschleunigen. Als Gesetzgebungsministerium haben Sie
viele Möglichkeiten, etwas für Digitalisierung zu tun. Hierfür müssen Sie noch nicht mal viel Geld ausgeben, und es wäre viel für Effizienz und Effektivität
getan, ganz im Sinne von uns Haushältern und § 7 der Bundeshaushaltsordnung.
„Ich warte auf Vorschläge aus den Ländern“, sagen und schreiben Sie. Dabei liegen unzählige Vorschläge vor. Ich nenne mal ein paar Beispiele aus der
Liste des E‑Justice-Rats: Modernisierung des GeFa, des Gemeinsamen Fachverfahrens, und des Grundbuchs, von AuRegis, des Registerfachverfahrens, die
Beweismittel-Cloud zur besseren Zusammenarbeit mit der Polizei und Justiz. Ich kann Ihnen die Liste auch gerne geben, wenn sie bei Ihnen im Haus nicht vorrätig
ist. Aber wenn die Idee ist, dass der Pakt für den digitalen Rechtsstaat ein Show Act nur für Sie persönlich und Ihre neuen Bundesprojekte ist, dann wird das
die Justiz im Land nicht voranbringen.
Beifall bei der CDU/CSU
Das ist nicht die Zielrichtung, und das wissen Sie auch!)
Ein Digitalisierungsgipfel fast anderthalb Jahre nach Start der Bundesregierung ist eindeutig zu spät.
Das ist das Tempo von Herrn Wissing!)
Auf Ihrer Homepage sprechen Sie von der Chance, die Erfolgsgeschichte des Pakts für den Rechtsstaat damit fortzuschreiben, aber diese Chance haben Sie
leider bisher verspielt. Dafür muss man nämlich mit den Ländern und Akteuren reden und arbeiten, und nicht gegen sie.
Erlauben Sie mir noch eine Aussage als Digitalpolitikerin: Sie wollen den Status eines Landes der digitalen Defizite endlich überwinden. Das ist,
ehrlich gesagt, schon ein Treppenwitz angesichts der Digitalpolitik der Bundesregierung. Sie haben völlig atomisierte Zuständigkeiten geschaffen, eine blutleere
Digitalstrategie aufgestellt, und das Ganze auch noch ohne Budget. Es gibt auch 2023 kein Digitalbudget, kein Controlling und keine Standards.
Wir haben als Union einige Vorschläge für den Justizetat gemacht, die leider allesamt abgelehnt wurden,
unter anderem ein klares Bekenntnis zur Stiftung Forum Recht, die Sie als Koalition nicht nur nicht unterstützen, sondern der Sie im Gegenteil sogar
eine Mittelsperre verpasst haben, ihr also misstrauen, statt sie inhaltlich und finanziell gut aufzustellen. Wir wollten das Schöffenwesen, das eine wichtige
Säule des Rechtsstaates ist, unterstützen. Gerade aus der Kollision von Ehrenamt und Berufsleben resultieren Herausforderungen. Sie haben aber unseren
Maßgabebeschluss nicht mitgetragen und sich damit gegen einen weiteren wichtigen Justizzweig positioniert.
Was tatsächlich erfreulich ist, ist, dass Sie unseren Vorschlag zumindest teilweise übernommen haben, die besonderen Verfahren im Staatsschutz, für
die die Zuständigkeit auf der Bundesebene liegt, zu unterstützen. Aber warum eigentlich nur in Celle und nicht in München, wo das große NSU-Verfahren
stattgefunden hat? München als Verhandlungsort wurde ausgewählt, das war nicht zwingend. Das Verfahren hätte auch in einer anderen Stadt stattfinden können.
Alleine die Verfahrungskosten, knapp 27 Millionen Euro, hätten da schon übernommen werden müssen.
So bringen Sie die Länder nicht dazu, mit dem Bund untergehakt für gute Bedingungen im Staatsschutz zu sorgen.
Leider bleibt mir am Schluss nur, festzustellen, dass Sie sich lieber auf gesellschaftspolitische Themen konzentrieren wie die Legalisierung von
Cannabis, als sich um eine gut aufgestellte Justiz zu kümmern.
Beifall bei der CDU/CSU)
Aber genau diese braucht unser Land wirklich dringend, in einem guten Miteinander aller Akteure und Ebenen. Hieran müssen Sie im nächsten Jahr
wirklich ganz hart arbeiten.
Beifall bei der CDU/CSU)
Und für die FDP-Fraktion hat das Wort Dr. Thorsten Lieb.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)