Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf den Tribünen! Sehr geehrter Herr Minister! Wir kommen in dieser Debatte nun zum Haushalt des Justizministeriums, oder – wie es auch heißt – des Gesetzgebungsministeriums. Fast alle Redner zum Einzelplan Justiz betonen immer wieder, dass er mit zuvor knapp unter 1 Milliarde Euro und nun knapp über 1 Milliarde Euro der kleinste Einzelplan ist. Es wird aber auch immer wieder betont, dass er wegen seiner Aufgaben und der Verantwortung für die Judikative, die dritte Gewalt im Staat, eine besondere Bedeutung hat. Diese Verantwortung für den Rechtsstaat und seine Kernaufgaben und für die Justiz kann man allerdings nach einem Jahr Ihrer Regierung nicht wirklich erkennen, Herr Minister. Warum, das führe ich sehr gerne aus. Sie haben nun endlich an der für Sie ersten Justizministerkonferenz teilgenommen, und das fast ein Jahr nach Amtsantritt. Das macht auch das Verhältnis deutlich, das zwischen Ihnen und den Ländern besteht. Es ist schon sehr bezeichnend, dass alle 16 Landesministerinnen und Landesminister beklagen, dass sie und die Justiz sich von Ihnen weder gehört, eingebunden, ernst genommen noch vertreten fühlen. Sie alle finden, dass Sie nicht die Dinge umsetzen, die Sie versprochen haben und die vereinbart sind. Dabei gibt es für den Rechtsstaat wirklich viel zu tun. Der erste Satz des Koalitionsvertrags zum Bereich Justiz lautet – ich zitiere –: Hiervon haben Sie sich in den Haushaltsberatungen nun explizit verabschiedet. Sie werden wortbrüchig, Herr Minister. Auf Nachfrage haben Sie bestätigt, dass diese Vereinbarung für Sie obsolet ist. Stattdessen ist Ihre Idee ein Pakt für den digitalen Rechtsstaat. Es liegt nun eine gemeinsame Erklärung aller 16 Landesminister, des Deutschen Richterbundes und der Neuen Richtervereinigung vor, die sehr deutlich macht, was die Bundesländer und die Justizvertreter von der Bundesregierung erwarten und was ihre Forderungen sind. Und das geht mit Ihren Vorstellungen nun so gar nicht zusammen. Neben der Fortführung des Pakts für den Rechtsstaat, der 2 000 zusätzliche Stellen für Richter und Staatsanwältinnen umfasste, beziffern die Länder alleine den Mittelbedarf im Digitalbereich mit 350 Millionen Euro im Jahr. Sie dagegen legen in der Bereinigungsvorlage für den Pakt für den digitalen Rechtsstaat eine neue Veranschlagung von 50 Millionen Euro im Jahr vor und werden das sicherlich gleich als große Errungenschaft im Haushalt darstellen. Ein Pakt bzw. Vertrag setzt allerdings das Einverständnis von mindestens zwei Parteien voraus. Das genau gibt es aber hier ausdrücklich nicht. Unter anderem deshalb hatten wir in der Bereinigungssitzung auch nachts um drei Uhr noch Besuch der Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Bundesrates, die zugleich Sprecherin der A-Länder ist. Ich sage nicht, dass die Forderungen der Bundesländer eins zu eins umzusetzen sind, aber Ihre Gesprächskultur und Ihre Haltung führen dazu, dass es hier absehbar zu keiner Kooperation und Zusammenarbeit kommen wird. Herr Minister, Sie rühmen sich für Ihr Engagement für die Planungsbeschleunigung, aber vielleicht sollten Sie lieber auch die Unterstützung des Rechtsstaates durch das Bundesjustizministerium beschleunigen. Als Gesetzgebungsministerium haben Sie viele Möglichkeiten, etwas für Digitalisierung zu tun. Hierfür müssen Sie noch nicht mal viel Geld ausgeben, und es wäre viel für Effizienz und Effektivität getan, ganz im Sinne von uns Haushältern und § 7 der Bundeshaushaltsordnung. „Ich warte auf Vorschläge aus den Ländern“, sagen und schreiben Sie. Dabei liegen unzählige Vorschläge vor. Ich nenne mal ein paar Beispiele aus der Liste des E‑Justice-Rats: Modernisierung des GeFa, des Gemeinsamen Fachverfahrens, und des Grundbuchs, von AuRegis, des Registerfachverfahrens, die Beweismittel-Cloud zur besseren Zusammenarbeit mit der Polizei und Justiz. Ich kann Ihnen die Liste auch gerne geben, wenn sie bei Ihnen im Haus nicht vorrätig ist. Aber wenn die Idee ist, dass der Pakt für den digitalen Rechtsstaat ein Show Act nur für Sie persönlich und Ihre neuen Bundesprojekte ist, dann wird das die Justiz im Land nicht voranbringen. Ein Digitalisierungsgipfel fast anderthalb Jahre nach Start der Bundesregierung ist eindeutig zu spät. Auf Ihrer Homepage sprechen Sie von der Chance, die Erfolgsgeschichte des Pakts für den Rechtsstaat damit fortzuschreiben, aber diese Chance haben Sie leider bisher verspielt. Dafür muss man nämlich mit den Ländern und Akteuren reden und arbeiten, und nicht gegen sie. Erlauben Sie mir noch eine Aussage als Digitalpolitikerin: Sie wollen den Status eines Landes der digitalen Defizite endlich überwinden. Das ist, ehrlich gesagt, schon ein Treppenwitz angesichts der Digitalpolitik der Bundesregierung. Sie haben völlig atomisierte Zuständigkeiten geschaffen, eine blutleere Digitalstrategie aufgestellt, und das Ganze auch noch ohne Budget. Es gibt auch 2023 kein Digitalbudget, kein Controlling und keine Standards. Wir haben als Union einige Vorschläge für den Justizetat gemacht, die leider allesamt abgelehnt wurden, unter anderem ein klares Bekenntnis zur Stiftung Forum Recht, die Sie als Koalition nicht nur nicht unterstützen, sondern der Sie im Gegenteil sogar eine Mittelsperre verpasst haben, ihr also misstrauen, statt sie inhaltlich und finanziell gut aufzustellen. Wir wollten das Schöffenwesen, das eine wichtige Säule des Rechtsstaates ist, unterstützen. Gerade aus der Kollision von Ehrenamt und Berufsleben resultieren Herausforderungen. Sie haben aber unseren Maßgabebeschluss nicht mitgetragen und sich damit gegen einen weiteren wichtigen Justizzweig positioniert. Was tatsächlich erfreulich ist, ist, dass Sie unseren Vorschlag zumindest teilweise übernommen haben, die besonderen Verfahren im Staatsschutz, für die die Zuständigkeit auf der Bundesebene liegt, zu unterstützen. Aber warum eigentlich nur in Celle und nicht in München, wo das große NSU-Verfahren stattgefunden hat? München als Verhandlungsort wurde ausgewählt, das war nicht zwingend. Das Verfahren hätte auch in einer anderen Stadt stattfinden können. Alleine die Verfahrungskosten, knapp 27 Millionen Euro, hätten da schon übernommen werden müssen. So bringen Sie die Länder nicht dazu, mit dem Bund untergehakt für gute Bedingungen im Staatsschutz zu sorgen. Leider bleibt mir am Schluss nur, festzustellen, dass Sie sich lieber auf gesellschaftspolitische Themen konzentrieren wie die Legalisierung von Cannabis, als sich um eine gut aufgestellte Justiz zu kümmern. Aber genau diese braucht unser Land wirklich dringend, in einem guten Miteinander aller Akteure und Ebenen. Hieran müssen Sie im nächsten Jahr wirklich ganz hart arbeiten. Vielen Dank.