Zwischenrufe:
11
Beifall:
11
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von einem deutschen Philosophen stammt das Diktum:
Die Geschichte wiederholt sich immer zweimal – das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce.
In gewisser Weise trifft das auf den Gegenstand zu, mit dem wir uns heute befassen, nämlich die Durchführung der Bundestagswahl 2021 in Berlin. In der Tat, es ist eine Tragödie, was sich in Berlin – übrigens unter einem rot-rot-grünen Senat
Zuruf des Abg. Dr. Johannes Fechner [SPD])
und in Verantwortung und unter Rechtsaufsicht eines sozialdemokratischen Innensenators – an Wahlchaos ereignet hat. Das hätten wir in Ländern erwartet, in die wir Wahlbeobachter schicken, aber nicht in Deutschland, nicht einmal in unserer Hauptstadt.
Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen, meine Herren, das hat zu einem massiven Vertrauensverlust in Sachen Rechtmäßigkeit und Korrektheit der Berlin-Ergebnisse der Bundestagswahl und damit eines Kernbestandteils unserer Demokratie geführt.
Das hätte eigentlich schon ausgereicht. Aber was wir bei der Aufarbeitung dieses Wahlchaos im Wahlprüfungsausschuss – heute in eine Entscheidung des Plenums des Deutschen Bundestages mündend – erlebt haben, das ist in der Tat eine Farce. Da bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Wir haben eine Politisierung dieses Verfahren erlebt,
einen rein politischen Basar bei der Ampel, die das Vertrauen in die Integrität des Wahlprüfungsverfahrens arg in Mitleidenschaft gezogen, vielleicht sogar zerstört hat. Das geht allein auf das Konto der Parteien der Ampel, auf das Konto dieser Ampelkoalition.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das, was Sie von der Ampel vorschlagen, nämlich in Berlin in 431 von 2 256 Wahlbezirken neu zu wählen, reicht absolut nicht aus; das ist nicht einmal ein Fünftel, sind nicht einmal 20 Prozent
der Wahlbezirke in Berlin.
Zuruf des Abg. Johannes Vogel [FDP])
Wie man dazu kommen kann, zu sagen: „Das geht über den Vorschlag des Bundeswahlleiters hinaus“,
erschließt sich uns nun wirklich nicht.
Der Bundeswahlleiter möchte in sechs Wahlkreisen komplett neu wählen lassen; das sind über 1 100 Wahlbezirke. Da bleibt immer noch ein Faktor drei zwischen Ihrem Vorschlag und dem, was der Bundeswahlleiter vorschlägt.
Beifall bei der CDU/CSU)
Wir jedenfalls sagen: Es hat in Berlin ein systemisches Versagen bei der Organisation, bei der Vorbereitung und bei der Durchführung der Bundestagswahl gegeben, und dem kann man nicht mit kosmetischen Korrekturen beikommen;
damit kann man den Vertrauensverlust, der entstanden ist, nicht beheben.
Wir haben allerdings den Eindruck, dass genau das mit Ihrem Vorschlag bezweckt ist. Sie wollen hier minimalinvasiv eingreifen, weil mindestens Teile der Ampel Angst haben, dass sie bei einer Korrektur des Wahlergebnisses Mandate verlieren. Das ist auch das, was wir während des Wahlprüfungsverfahrens im Wahlprüfungsausschuss erleben mussten. Dieses Verfahren ist von Ihnen in einer Art und Weise politisiert worden, wie wir uns das nicht haben vorstellen können. Man kam sich teilweise vor wie auf einem politischen Basar.
Ich will Ihnen noch einmal darlegen, was Aufgabe, Wesen und Funktion des Wahlprüfungsausschusses ist – ein Blick in das Wahlprüfungsgesetz würde sofort dazu führen, dass man das erkennt –: Der Wahlprüfungsausschuss ist kein normaler Ausschuss des Deutschen Bundestages,
der Wahlprüfungsausschuss hat gerichtsähnliche Funktion, er hat allein nach Recht und Gesetz zu entscheiden.
Schon das Hin und Her Ihrer Entscheidungsvorschläge belegt, dass es Ihnen nicht um Recht und Gesetz geht. Das haben Sie als Instrument benutzt, um an den Schräubchen zu drehen, um das Ergebnis so passend zu machen, dass es nur zu einer kosmetischen Korrektur kommen kann. Sie sind gestartet bei 429 Wahlbezirken.
Dann kam die mündliche Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, der Ihnen das alles um die Ohren gehauen hat, auch bei den Argumenten. Er hat, mit Verlaub, Herr Dr. Fechner, gesagt: In jedem Wahllokal hat es schon bei der Vorbereitung der Wahl Fehler gegeben, als der Senat geprüft und ermittelt hat, wie viel Wahlkabinen erforderlich sind, und in jedem Wahllokal viel zu wenige Wahlkabinen aufgestellt hat. Allein damit ist schon ein Fehler gegeben.
Jeder hätte erwartet, dass Sie nach dieser mündlichen Verhandlung von den 429 Wahlbezirken mit der Zahl nach oben gehen. Doch dann kam Ihr Vorschlag: 300 Wahlbezirke, und keiner weiß, welche das hätten sein sollen, geschweige denn, warum.
Sechs Minuten können sehr lang sein!)
Dann hört man, dass in der Ampel gesagt worden sei: Die Entscheidung wird ja gar nicht im Wahlprüfungsausschuss getroffen, sondern auf anderer, politischer Ebene.
Zuruf von der CDU/CSU: Aha!
Da muss ich sagen: Wenn das stimmt, dann ist das ein massiver Verfahrensfehler,
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
weil es an der Funktion, an der Aufgabe des Wahlprüfungsausschusses vollkommen vorbeigeht. Allein deswegen, aber auch wegen der materiellrechtlichen Fehler, wird das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung, die heute hier getroffen wird, mit Sicherheit aufheben.
Ich muss schon sagen: Es hat fast Chuzpe, hier so zu tun, als ob das Verfahren reformbedürftig sei und man selbst auf diese Idee gekommen sei. 72 Jahre hat das Wahlprüfungsverfahren in dieser Form funktioniert.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Es hat die Ampel gebraucht, um es zu diskreditieren. Sie sind Brandstifter und Feuerwehrmann in einem, wenn Sie sagen: Wir müssen dieses Verfahren korrigieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie erkennen die Fehler, die hier passiert sind – das will ich gar nicht in Abrede stellen –; aber Sie rechnen das Fiasko klein. Wer einen Fehler erkennt, ihn aber nicht korrigiert, begeht einen zweiten Fehler, und der ist viel gewichtiger als der Ursprungsfehler.
Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Gottfried Curio [AfD])
Deshalb sage ich: Die Bundestagswahl 2021 in Berlin war kein guter Tag für die Demokratie in Deutschland; aber das, was Sie im Wahlprüfungsverfahren gemacht haben und was Sie heute hier beschließen werden, ist auch kein guter Tag für die Demokratie in Deutschland.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort die Kollegin Tesfaiesus.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)