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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Bei der Bundestagswahl im September 2021 kam es in Berlin zu massiven Wahlfehlern und Wahlpannen. Es fehlten Stimmzettel, es wurden falsche Stimmzettel ausgeteilt, und es gab zu wenige Wahlkabinen. In der Folge gab es erhebliche Warteschlangen. Viele Bürgerinnen und Bürger konnten deshalb ihre Stimme bei der Bundestagswahl nicht oder nur nach deutlicher Wartezeit abgeben. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir die Bundestagswahl in Berlin wiederholen.
In unserer Demokratie ist die Stimmabgabe die wichtigste Beteiligungsmöglichkeit der Bürgerinnen und Bürger. Deshalb müssen wir alles tun, damit die Wählerinnen und Wähler ihre Stimme rechtssicher abgeben können. Deswegen wollen wir die Bundestagswahl in Berlin wiederholen. Wir müssen das Vertrauen in unser Wahlsystem sichern.
Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir geben das klare Zeichen, dass wir die Pannen in Berlin eben nicht unter den Teppich kehren, sondern dass wir Konsequenzen daraus ziehen. Mit diesem Beschluss heute sorgen wir dafür, dass die Bundestagswahl in Berlin wiederholt werden kann.
Das wollen Sie doch gar nicht! Sie wollen doch nur in ein paar Wahllokalen noch mal wählen lassen! Oder haben Sie Ihre Meinung geändert?)
Es ist ein ganz wichtiges Zeichen an die Berliner Wählerinnen und Wähler, dass sie ihre Stimme abgeben können, wenn sie sie bei der Bundestagswahl nicht abgeben konnten.
Klar ist für uns aber auch: Wir wollen die Bundestagswahl nur dort wiederholen, wo es tatsächlich zu Wahlfehlern gekommen ist,
nur dort, wo wir Wahlfehler belegen können oder Indizien dafür haben; dort wollen wir die Wahl wiederholen.
Das ist in 431 Wahlbezirken der Fall. Dort wollen wir deshalb die Wahl mit der Erst- und mit der Zweitstimme wiederholen.
Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Damit – das will ich ausdrücklich anmerken – gehen wir übrigens über das hinaus, was der Bundeswahlleiter beantragt hat; der hat sich nämlich auf sechs Wahlkreise fokussiert. Wir gehen darüber hinaus und wollen in Wahlbezirken in allen zwölf Wahlkreisen wählen lassen; diese 431 Wahlbezirke verteilen sich nämlich auf alle Berliner Wahlkreise.
Sie können auch alles schönreden, Herr Fechner! Ganz schön schräge Darstellung der Realität!)
Wir gehen also über das hinaus, was der Bundeswahlleiter beantragt hat.
Wer hat denn das entschieden?)
Um es ganz deutlich zu sagen – ich kann es für uns sagen, und die Kollegen aus der Ampel werden das sicher auch noch für ihre Fraktionen sagen –: Wir haben hier nicht auf Umfragen geschielt. Wie auch? Die Wahl wird ja leider erst 2024 wiederholt werden; wir können die Umfragen also gar nicht kennen.
Wir haben hier nach Recht und Gesetz entschieden. Wir haben nicht auf die Umfragen oder darauf geschaut, was eine bestimmte Lösung welcher Partei an Vorteilen bringen könnte; das will ich hier ausdrücklich festhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist falsch, zu behaupten, dass die Ampel sich hier einen Beschluss zurechtgeschustert hätte.
Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP
Woher wissen Sie das von 2024? Haben Sie Kontakte zum Bundesverfassungsgericht?)
Warum entscheiden wir so und nicht so, wie am Montag vermutlich der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin entscheiden wird? Warum lassen wir nicht überall, in allen zwölf Wahlkreisen, alle Wahlbezirke nachwählen?
Zuruf von der CDU/CSU: Das ist eine sehr gute Frage!
Sie wollen Ihre Kommunistenfreunde beschützen!)
Das hat einen ganz einfachen Grund: Wir meinen, dass die vorläufige Einschätzung des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin zu pauschal ist. Wir sollten die Bundestagswahl nur dort wiederholen, wo wir tatsächlich Feststellungen oder Indizien dafür haben, dass dort Wahlfehler stattgefunden haben.
Indizien? Es gibt überall knallharte Beweise!)
Es ist nach unserer Auffassung einfach zu pauschal, wie der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin zu sagen, dass die Niederschriften und die Protokolle zwar nicht umfassend Auskunft geben, wo Fehler stattgefunden haben, man aber davon ausgehen könne, es sei die Spitze des Eisberges. Das haben wir uns angehört – ich war in der Verhandlung dabei –, aber wir meinen, eine Bundestagswahl können wir nicht einfach so vom Tisch wischen, sondern wir müssen auch das Vertrauen derjenigen Wählerinnen und Wähler, die ihre Stimme ja abgegeben haben – und das sind rund 70 Prozent –, in die Wahl, in ihre Stimmabgabe, berücksichtigen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Deswegen wollen wir, wie gesagt, die Wahl nur dort wiederholen, wo es tatsächlich Wahlfehler gab.
Es wurde kritisiert, wir hätten, bis dieser Beschluss heute vorliegt, zu lange gebraucht. Dazu will ich ganz klar sagen: Zunächst einmal ein großes Dankeschön an das Ausschusssekretariat, das wirklich Großartiges geleistet hat! Herzlichen Dank!
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)
Ich darf daran erinnern: Der Ausschuss hat sich erst im Dezember konstituiert und im Januar seine Arbeit aufgenommen. Und ich darf daran erinnern, dass wir rund 1 700 Einsprüche gegen die Bundestagswahl in Berlin hatten. Das musste aufgearbeitet werden; das alles musste gesichtet und eingeschätzt werden. Deswegen konnte auch erst im Mai dieses Jahres die Verhandlung des Wahlprüfungsausschusses mit dem Bundeswahlleiter und der Landeswahlleitung stattfinden, und wir haben dann schon im Juli den Grundsatzbeschluss gefasst, dass wir dort, wo wir Wahlfehler erkennen können, die Wahl wiederholen lassen wollen.
Im Juli gab es also den Grundsatzbeschluss. Dann hat sich das superfleißige Ausschusssekretariat drangesetzt und eine Beschlussempfehlung erarbeitet, die rund 200 Seiten dick ist. Ich habe wirklich größten Respekt vor deren Arbeit.
Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dann – das gebe ich zu – vergingen ein paar Wochen, in denen wir durchaus abwechslungsreiche Gespräche, auch innerhalb der Ampel, hatten. Aber letztendlich haben wir Mitglieder des Wahlprüfungsausschusses – ich sagte es: wir Mitglieder des Wahlprüfungsausschusses – die Entscheidung getroffen, in diesen 431 Wahlbezirken Berlins die Bundestagswahl zu wiederholen. Ich finde, das ist ein ganz wichtiges Zeichen an die Berlinerinnen und Berliner, dass sie ihre Stimme sicher abgeben können.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Philipp Hartewig [FDP])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will auch darauf verweisen, dass uns die Vorkommnisse in Berlin und dieses Verfahren durchaus Anlass sein sollten, kritisch zu prüfen, ob wir die Wahlgesetzgebung in Bezug auf die Durchführung der Wahlen verbessern müssen – der Bundeswahlleiter hat hier wichtige Hinweise gegeben –, zum Beispiel, ob es bei den Regelungen, wie Niederschriften zu erstellen sind, der Präzisierung bedarf und ob es Informationsrechte der Wahlleitungen gegenüber den Wahlbehörden darüber geben sollte, wie die Wahlen vor Ort abgelaufen sind.
Heute vor wenigen Stunden haben wir in der Kommission zur Reform des Wahlrechts mit Experten darüber debattiert, ob wir das geltende Wahlprüfungssystem, in dem der Bundestag diese wichtige Rolle hat, nicht ersetzen sollten durch ein anderes System, in dem Gerichte entscheiden.
Back to the Rechtsstaat!)
Ich finde, diese Frage sollten wir uns vornehmen. Es darf nicht der Hauch eines Anscheins entstehen, dass wir Abgeordnete, wenn wir bestimmte Entscheidungen treffen, befangen sein könnten, weil es um die politische Zukunft von Kollegen geht.
Beifall bei der SPD sowie der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Philipp Hartewig [FDP])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns mit dieser Entscheidung streng an Recht und Gesetz und auch an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts orientiert. Wir haben uns entschlossen, die Wahl dort, wo Wahlfehler vorliegen, zu wiederholen. Wir haben die Mandatsrelevanz geprüft; insbesondere in Berlin-Reinickendorf und in Berlin-Pankow sind durchaus andere Erststimmenergebnisse möglich. Auch bei den Zweitstimmenergebnissen können Parteien hier mehr Sitze bekommen; die Mandatsrelevanz ist also absolut gegeben.
Der entscheidende Punkt aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, warum wir uns entschlossen haben, die Bundestagswahl in Berlin zu wiederholen, ist, dass in unserer Demokratie alle Wählerinnen und Wähler die Sicherheit und das Vertrauen haben müssen, dass ihre Stimme zählt. Deswegen werden wir die Berlin-Wahl wiederholen – dort, wo Wahlfehler passiert sind.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Für die CDU/CSU-Fraktion erteile ich das Wort dem Kollegen Patrick Schnieder.
Beifall bei der CDU/CSU)