- Bundestagsanalysen
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! IMEC, der India-Middle East-Europe Economic Corridor, was ist das überhaupt? Das kann man für alle, die uns zuschauen, in drei Sätzen erklären. Das ist ein Korridor, vereinbart auf dem G-20-Gipfel in Indien im September 2023, mit dem man zum einen die Verkehrsverbindung stärkt, als Alternative zur Route durch den Suezkanal, nämlich per Schiff vom indischen Subkontinent auf die Arabische Halbinsel, dann mit dem Zug durch Israel ans Mittelmeer, dann wieder mit dem Schiff nach Südeuropa und dort weiter mit dem Zug nach Mitteleuropa. Das klingt fürchterlich kompliziert, man muss mehrfach umladen. Trotzdem hat man unterm Strich eine Zeitersparnis und vor allen Dingen eine Alternativroute. Wir standen schon einmal vor der Situation, dass beispielsweise der Suezkanal aufgrund eines Unfalls wochenlang nicht befahrbar war. Es geht aber nicht nur um den Verkehr, sondern auch darum, im Energiebereich zusammenzuarbeiten, Wasserstoffpipelines zu verlegen, und vor allen Dingen darum, mit Breitbanddatenverbindungen die Kontinente zusammenzuführen. Durch die Nutzung dieser Alternativroute wird der Handel in den beteiligten Regionen gestärkt. Das fördert die Resilienz von Lieferketten, von Handelsrouten und ist – das wurde schon gesagt – eine Alternative zum chinesischen Vorgehen.
Hierzu möchte ich noch ein bisschen ausführen. Es wurde teilweise schon gesagt: China betreibt seit Jahrzehnten eine weltweite Strategie, und das betrifft nicht nur den Handel. Das umfasst Entwicklungspolitik, das umfasst Investitionen, das umfasst die Schaffung von Abhängigkeiten, den Export von Werten und Normen, kurz: eine integrierte Strategie, um Weltmachtstreben weiter zu verfolgen. IMEC ist ein Beitrag, dem etwas entgegenzusetzen.
Kollege Cronenberg, es ist richtig: Die EU braucht eine Außenhandelsstrategie. Aber nicht nur das. Sie braucht auch eine geopolitische Strategie, und Handel ist ein Teil davon. IMEC kann einen guten Beitrag dazu leisten.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die Sache hat aber einen Haken – das wurde schon angesprochen –: Piräus ist inzwischen mehrheitlich in chinesischer Hand. Wie kommt das? Vor zehn Jahren war das nämlich noch nicht so. Das hat auch mit der Politik der Union zu tun, die oftmals nicht vom Ende her denkt, sondern isoliert und kurzsichtig ist. Wir erinnern uns: Es gab die große europäische Finanz- und Bankenkrise, die Schuldenkrise. Griechenland war hochverschuldet. Und es waren die Politikerinnen und Politiker aus der CDU-geführten Regierung, die dafür gesorgt haben, dass es harte Privatisierungsauflagen für Griechenland gegeben hat. In der Folge wurde eben auch der Hafen privatisiert, und jetzt gehört er China. Das ist auch Ihr Verdienst. Darauf sollten Sie nicht stolz sein.
Beifall bei Abgeordneten der Linken)
Ich hatte es schon angesprochen: IMEC ist auch ein Beitrag für mehr nachhaltige Entwicklungen. Wir stärken grüne Technologien, die Zusammenarbeit bei der Dekarbonisierung der Wirtschaft. Auch der Export von sauberem Wasserstoff ist eine Chance für Indien. IMEC ist aber auch ein, wenn auch ferner, Hoffnungsschimmer für die Arabische Halbinsel. Denn machen wir uns nichts vor: Dieser Korridor kann nur realisiert werden, nachdem dort Frieden geschaffen wurde. Das ist ein Hoffnungsschimmer. Oft sind solche Infrastrukturprojekte eine Initialzündung für mehr. Aber es ist klar: Aus der jetzigen Warte heraus ist das erst mal eine Vision. Aber nichtsdestotrotz: Das zeigt das Interesse der Welt an dieser Region, und vielleicht ist man, wenn wir in einigen Jahren darüber reden, in der Umsetzung schon weitergekommen.
Worum geht es der Union in diesem Antrag? Sie fordern mehr Engagement der Regierung. Ich glaube aber, das hat diese Regierung nicht nötig; im Gegenteil. Ich möchte das einmal ausführen: Im Juli haben wir hier im Bundestag einen Antrag verabschiedet, bei dem es um die Zusammenarbeit mit vielen Ländern ging, nicht nur mit Indien, sondern insgesamt im indopazifischen Raum. Es geht um den Ausbau von Handel, aber auch um die Stärkung von Demokratie, von Entwicklungspolitik, von Klimaschutz. Da sind wir schon gut unterwegs.
Stichwort „unterwegs“. Ich glaube, kein Land der Welt wurde in den letzten Jahren von mehr deutschen Kabinettsmitgliedern besucht als Indien. Robert Habeck ist nächste Woche wieder dort, der Kanzler war letztes Jahr dort, die meisten Ministerinnen und Minister waren dort, auch mit Parlamentsbeteiligung. Da ist also wirklich sehr viel im Gang auf diplomatischer Ebene.
Wenn wir auf das Auswärtige Amt gucken: 2021, als Annalena Baerbock das Auswärtige Amt übernommen hat, hat man in den Konsulaten in Indien eine desolate Situation vorgefunden. Visaanträge von Menschen aus Indien, die hier arbeiten wollten, wurden in Wäschekörben in irgendwelchen dunklen Kammern verwaltet. Sie sollten bloß dort liegengelassen werden. Und was ist seitdem passiert? Das Auswärtige Amt, vor allen Dingen Annalena Baerbock, hat es geschafft, dass die Visaverfahren jetzt digitalisiert werden. Das heißt, hier haben wir bald eine enorme Beschleunigung, die wiederum der wirtschaftlichen Zusammenarbeit hilft.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich komme zum Schluss. Den IMEC-Ansatz werden wir im Sinne einer nachhaltigen Verbesserung von Handelsbeziehungen, von regionaler Entwicklung, aber auch von Wirtschaftssicherheit hier bei uns und in Europa weiter stärken; denn wir brauchen das für einen guten Wirtschaftsstandort Europa.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Für die AfD-Fraktion hat das Wort Stefan Keuter.
Beifall bei der AfD)