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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Zukunftsgerichtet“ lautet das Motto der Justiz in Baden-Württemberg. Man mag darüber streiten, ob nun Bundesrat, Opposition oder Bundesregierung beim Thema Commercial Courts besser, weiter oder schneller waren. Bei aller schwäbischen Bescheidenheit sage ich hier nicht ohne Stolz, dass in Baden-Württemberg nicht nur das Automobil erfunden wurde; nein, auch Commercial Courts gibt es dort bereits seit 2020 –
die Vorrednerin hat darauf hingewiesen – an den Landgerichten Stuttgart und Mannheim. Diese kommen dem im heute zu beratenden Gesetzentwurf in ihrer Praxis sehr nahe. Neben Verhandlungen in englischer Sprache sind die Verfahren von einem umfangreichen und erfolgreichen Prozessmanagement gekennzeichnet. In Stuttgart wurde sogar ein Verhandlungsraum extra in die Nähe des Flughafens verlegt, damit die internationalen Prozessbeteiligten kurzfristig an den Verfahren teilnehmen können. Der heute zu beratende Gesetzentwurf ist also gewissermaßen eine vertiefte Weiterentwicklung dessen, was es in der Praxis schon gibt, und er schafft eine weiter gehende und verbesserte gesetzliche Grundlage dafür.
Warum brauchen wir diese Commercial Courts? Es ist kein Geheimnis, dass die Zahl der Zivilverfahren, insbesondere wenn es um große Wirtschaftsstreitigkeiten geht, an vielen deutschen Gerichten rückläufig ist. Ein mehrfacher Instanzenzug, ausschließlich in deutscher Sprache geführte Prozesse, häufige Richterwechsel: All das führt dazu, dass es zu einer Verlagerung der Streitigkeiten auf die Schiedsgerichtsbarkeit gekommen ist. Durch den Austritt Großbritanniens aus der EU, eines Schwerpunktlandes für Commercial-Court-Verfahren, bietet sich somit eine neue Chance für die notwendige Stärkung des Justizstandorts Deutschland.
Und was folgt aus dieser Erkenntnis? Zunächst hat der Bundesrat im April 2022 eine Initiative gestartet, um das Gerichtsverfassungsgesetz entsprechend anzupassen und Commercial Courts einzurichten. Danach sollte auch den Bundesländern die Möglichkeit eingeräumt werden, an jedem Oberlandesgericht einen entsprechend spezialisierten Senat als einzige Instanz einzurichten. Durch die Beschränkung auf eine Instanz würde Geld und Zeit eingespart.
Wann zog der Bundestag nach? Im November 2022 brachte die Unionsfraktion – der Kollege Plum hat es schon gesagt – einen Antrag ein, der einerseits die Vorschläge des Bundesrats aufgriff, sie aber andererseits dahin gehend erweiterte, dass es auch für die Landgerichte die Möglichkeit geben müsse, neben den Commercial Courts spezielle Kammern für internationale Handelssachen einzurichten, wenn der Streitwert unter 2 Millionen Euro liegt; der Vorschlag des Bundesrats lag bei einem Mindeststreitwert von 2 Millionen Euro.
Zudem forderten wir einen Verfahrenskalender mit strukturiertem Ablauf, und wir mahnten eine Anpassung für die international nicht passenden AGB-Vorschriften an. Beide Anträge hat die Ampelkoalition mit ihrer Mehrheit abgelehnt. Warum? Die maßgebliche Begründung lautet, dass man zwischenzeitlich einen eigenen Gesetzentwurf auf Arbeitsebene habe und dabei ein wichtiger Baustein die vorzunehmenden Änderungen im AGB-Recht seien. Dazu benötige man noch Zeit, ganz nach dem Motto „Gut Ding will Weile haben“.
Im Oktober 2023, also ein Jahr nach den Initiativen von Unionsfraktion und Bundesrat, kam dieser Gesetzentwurf. Ist das nun der versprochene große Wurf? Lassen Sie es mich mit den leicht abgewandelten Worten des römischen Dichters Horaz sagen: „Der Berg kreißte und gebar eine Maus.“
Der Gesetzentwurf bringt gegenüber den Vorschlägen von Bundesrat und Unionsfraktion keine grundlegenden, wesentlichen Neuerungen. Er konkretisiert den Anwendungsbereich für Commercial Courts und reduziert den Eingangsstreitwert auf mindestens 500 000 Euro. Die Praxisrelevanz wird gesteigert. Instanzen werden, wie gesagt, vermieden; das beschleunigt die Verfahren. Aber Fehlanzeige in Sachen AGB-Reform! Bei der Sachverständigenanhörung haben vier Sachverständige diese Reform gefordert, drei waren von den Koalitionsfraktionen benannt worden. Da wollten Sie doch ran, meine Damen und Herren von der Ampelkoalition. Dafür brauchten Sie doch angeblich Zeit. Dazu finden wir im Gesetzentwurf leider nichts. So bleibt es am Ende doch nur Stückwerk, obwohl ein Jahr verstrichen ist, und das ist bedauerlich.
Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat Esra Limbacher für die SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)