Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Demokratinnen und Demokraten auf den Rängen und in den Reihen! Das, was Sie eben dargestellt haben, ist ein schöner Beleg dafür, dass es im Hinblick auf Landtagswahlen noch mal zuspitzend zugehen muss, mit markigen Schlagzeilen. Das hilft uns aber in der Sache nicht weiter. Und wenn Sie über Stillstand sprechen oder fehlende Handlungsfähigkeit: Die Bertelsmann-Stiftung hat unabhängig eruiert, dass diese Regierung trotz der Krisenkumulation mehr auf die Reihe bekommen hat
Lachen bei der CDU/CSU)
als jede vorherige Regierung seit der ersten Adenauer-Regierung.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP
Zuruf von der CDU/CSU: Ist ja lächerlich!)
Aber zum Thema. Gewalt an vulnerablen Personen und Frauen verhält sich reziprok proportional zur tatsächlichen Männlichkeit der Täter, oder frei übersetzt: Schläger sind Schwächlinge. Ein Mord durch die Hand eines Partners oder Ex-Partners, das ist keine Beziehungstat, das ist Femizid, das ist ein gezielter Mord, weil eine Frau eine Frau ist und weil sich diese Frau dem Macht- und Besitzanspruch eines Mannes nicht untergeordnet hat, sondern selbstbestimmte Lebensentscheidungen getroffen hat.
Ihre Folgerung führt Sie zu der Annahme des Merkmals der Ausnutzung körperlicher Überlegenheit. Das vermittelt aber meines Erachtens – das haben wir auch schon gehört – ein schwieriges und überkommenes Menschen- und Frauenbild als ausgelieferte Personen und untermauert mithin eine vermeintliche natürliche Überlegenheit von Männern. Das halte ich für kontraproduktiv.
Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich hätte mir hier jedoch vielmehr gewünscht, dass genau dieses Merkmal der geplanten geschlechterfokussierten Machtausübung adressiert würde – auch dann, wenn der Täter ein Hänfling ist.
Was adressieren Sie denn?)
Psychologen und Sozialpädagogen sind in der Täterarbeit mit erschreckenden Menschen- und Rollenbildern konfrontiert. Häufig sind Täter empört, wie es jemand wagen kann, sich im Wortsinne in ihre Privatsache einzumischen. Die Frau ist Besitz, die ihm vollständig zu Willen zu sein hat.
Drei Viertel der Straftaten gegen Frauen geschehen im häuslichen Umfeld. Der gefährlichste Ort für eine Frau in Deutschland ist somit nach wie vor ihr Zuhause.
In der Regel ist Gewalt gegen Frauen ein sich steigernder Prozess. Lange vor den Schlägen sind da gesellschaftliche Isolation, psychische Gewalt, Demütigung, Zerstörung des Selbstwertes im analogen und zunehmend auch im digitalen Raum. Dazu kommt ökonomische Abhängigkeit.
Ich bin sehr froh, dass wir im Sommer den Referentenentwurf des Gewalthilfegesetzes erwarten können, mit dem wir die vollständige Umsetzung der Istanbul-Konvention endlich konsequent angehen.
Endlich!
Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
In Eckdaten sieht er einen Rechtsanspruch auf Schutz für alle von Gewalt betroffenen Personen und ihre Kinder vor. Zum ersten Mal sind nicht nur ausreichende Schutzpläne sowie Hilfs- und Beratungsstellen apostrophiert, sondern Prävention erhält einen besonderen Stellenwert. Das, liebe Union, wäre ein großer und wirksamer Schritt Richtung Frauenschutz, wenn es uns gemeinsam gelingen würde, die Zustimmung der Länder zu diesem Ansatz einzuwerben.
Gewalt gegen Frauen kostet volkswirtschaftlich jedes Jahr 54 Milliarden Euro – nach der Tat, im gesellschaftlichen Reparaturbetrieb. Dieses Geld würde ich lieber in Prävention, in vorbeugende Täterarbeit, stadträumliche Konzepte, die Nachbarschaften sensibilisieren, oder in Arbeit mit Kindern investieren, damit diese lernen, dass Mädchen und Jungen gleich viel wert sind und man als Team weiterkommt, anstatt sich unterzubuttern.
Beifall bei Abgeordneten der SPD)
In unsicheren Zeiten klammern sich Menschen an tradierte Gesellschaftsmodelle, nicht, weil die gut waren, sondern weil sie geübt sind. Als Therapeutin habe ich oft erlebt: Je dominanter jemand auftritt, desto minderwertiger fühlt er sich inwendig und muss seine Schwäche durch äußere Stärke und Machtausübung kompensieren. Ich habe junge Glatzen in Springerstiefeln getroffen, die plötzlich weinten, als ich ihnen zuhörte, weil sie sich endlich gesehen fühlten.
In ihrer höchst bemerkenswerten Dissertation wies Julia Habermann nach, dass Richter/-innen bei Femiziden signifikant strafmildernder urteilen, wenn sie eine Beziehungstat einordneten. Sexualstrafrecht und geschlechterspezifische Gewalt sind aber gar nicht Bestandteil des Ausbildungskanons. Es fehlen daher fundamentale Kenntnisse für die sensible Durchsetzung geltenden Rechts.
Vergewaltigungen werden von Frauen häufig nicht angezeigt, weil sie über das erlittene Trauma hinaus im Verfahren unwürdige Befragungen erleben, die nicht selten zur Täter-Opfer-Umkehr führen: der animierte Mann, der quasi unschuldig seinen Trieben erlag … – Von vermuteten 125 000 Vergewaltigungen im Jahr werden deshalb etwa nur 8 Promille bestraft. Damit ist Vergewaltigung in Deutschland praktisch straffrei.
Höhere Strafen entfalten evidenzbasiert zumeist keine höhere Abschreckungswirkung. Da muss der Hebel woanders liegen: in einem anderen Bewusstsein. In einer Welt, jenseits von sozialdarwinistischem Gewinnen oder Verlieren, oben und unten, reicher oder größer als du, gelingt Stärke durch Gemeinsamkeit. Männer gewinnen nur, wenn Frauen nicht verlieren.
Eigene Schwäche kann man eben nur überwinden, nicht erschlagen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Abgeordnete Stephan Brandner für die AfD-Fraktion.
Beifall bei der AfD
Haben Sie keine Frau gefunden, die bei Ihnen spricht, Herr Brandner?)