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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Union möchte rechtzeitig vor Beginn der sitzungsfreien Zeit im Sommer noch einmal versuchen, ihr konservatives Profil zu schärfen. Das kann ich Ihnen, werte Kolleginnen und Kollegen von der Union, natürlich nicht verdenken.
Denken Sie doch mal an die Menschen!)
Es stimmt ja auch: Das Bundeslagebild Häusliche Gewalt 2023 gibt Anlass zu großer Sorge.
Sie müssen regieren! Das ist es!)
Und im Dunkelfeld dürften es leider noch viel mehr Fälle sein. Zu oft dringt von der Not in den eigenen vier Wänden nichts nach außen. Deshalb ist es richtig, dass die Bundesregierung eine Studie mit einer umfassenden Opferbefragung für die Bereiche Partnerschaftsgewalt, sexualisierte Gewalt, Stalking und digitale Gewalt gestartet hat, um das Gesamtbild und die Hintergründe besser zu erfassen.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Gut also, dass wir uns heute hier dem Thema „häusliche Gewalt“ widmen. Was ich Ihnen aber schon ankreide, werte Kolleginnen und Kollegen von der Union, ist, dass Sie sich mit den Grundzügen der Kriminologie offenbar zuletzt in Ihrer eigenen Studienzeit befasst haben.
Immerhin haben wir ein abgeschlossenes Studium!)
Oder aber es genügt Ihnen, Politik nach Gefühl und Schlagzeilenpotenzial statt nach wissenschaftlicher Evidenz auszurichten. Taten im Beziehungs- und Näheverhältnis lassen sich so gut wie nicht durch Strafandrohung verhindern. Repression ist wichtig, ja. Sie verhindert in diesem Kontext aber leider kaum Taten, egal wie hoch das Strafmaß ist. Ich lehne mich aus dem Fenster: Kein Täter häuslicher Gewalt schaut vorher im Strafgesetzbuch nach dem Strafrahmen und ließe sich von einer kleinen Verschiebung eines Strafrahmens oder Umgestaltung eines Straftatbestandes abhalten.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Allein die Vorstellung ist doch absurd.
Die Rechtspolitik ist – und das sage ich als Rechtspolitikerin eigentlich gar nicht so gerne – nicht die Lösung aller Probleme. Mit den Basteleien,
Wir nennen das „Gesetzgebung“!)
die Sie an diversen Straftatbeständen vornehmen wollen, helfen Sie keinem Opfer. Was Sie hier vorlegen, ist wieder einmal reine Augenwischerei, reine Symbolpolitik.
Wirksam gegen häusliche Gewalt ist vor allem Prävention, damit Opfer gar nicht erst zu Opfern werden
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
oder damit Gewaltspiralen zumindest so früh wie möglich durchbrochen werden. Deshalb ist es richtig, wenn an Standorten der Bundespolizei 24/7-Schalter für von Gewalt betroffene Frauen eingerichtet werden und speziell geschulte Beamtinnen dort Anzeigen aufnehmen und helfen können. Antigewalttrainings für die Täter sind sinnvolle Mittel, und auch Kontaktverbote nach dem Gewaltschutzgesetz ein wirksames Instrument.
Was ist denn mit der Fußfessel?)
Wir brauchen ein flächendeckendes, niedrigschwelliges Unterstützungsangebot, ein passgenaues Hilfesystem, sichere Zufluchtsorte.
– Kommt jetzt, Herr Krings. – Und auch die Überwachung von Tätern mit elektronischen Fußfesseln kann, so weit stimme ich Ihnen zu, ein sinnvoller Baustein sein.
Aber der präventive Schutz der Bürger vor Gewalt zählt zu den Kernaufgaben des Staates. Die Erfüllung dieser wichtigen Aufgabe sollte nicht weiter in den Bereich des Zivilrechts gerückt werden. Selbst im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes kann die Entscheidung eines Gerichts nicht ohne Zeitverzug getroffen werden. Es braucht aber dann doch Sofortschutz; das kann die Polizei am besten leisten. Deshalb sind richtiger Regelungsort auch die Polizeigesetze der Länder. In meinem Heimatbundesland NRW haben wir, werte Kolleginnen und Kollegen von der Union, in der letzten Wahlperiode ja das Polizeigesetz gemeinsam entsprechend so novelliert, dass die Nutzung von Fußfesseln auch bei Stalking möglich ist. Sie regieren doch in der Mehrzahl der Bundesländer.
Also: Nicht immer auf den Bund zeigen, sondern selbst tätig werden.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Warum macht der Bund denn nichts? Das eine schließt das andere ja nicht aus!)
Aber nicht nur kriminologisch, auch genuin gesetzgebungstechnisch ist Ihr Vorschlag nicht zu Ende gedacht. Sie wollen das Mordmerkmal „unter Ausnutzung der körperlichen Überlegenheit“ schaffen.
War bisher also unter anderem bereits die heimtückische Tötung etwa mittels Gift als Mord zu qualifizieren, soll es jetzt auch die Tötung durch Gewalt bei körperlicher Überlegenheit sein. Provokant gefragt: Welcher Raum bleibt dann denn noch für den Tatbestand Totschlag?
Das ist Ihre Sorge? Darum sorgen Sie sich, dass es zu wenige Totschläger gibt und zu viele Mörder?)
Und wann ist denn ein Täter dem Opfer körperlich überlegen? Jeder Mann stets jeder Frau? Wenn Sie das meinen, dann schreiben Sie das ins Gesetz, dann sind Sie aber nicht mehr so weit von dem entfernt, was manche auf der ganz linken Seite des politischen Spektrums fordern.
Kurzum: Opferschutz und Schutz vor häuslicher Gewalt: unbedingt, aber bitte wirksam und durchdacht.
Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Wort hat die Kollegin Andrea Lindholz für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)