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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben es gerade erlebt. Wenn es um das deutsch-französische Verhältnis geht, dann schlagen einfach die Herzen höher – nicht ganz zu Unrecht. Mit Stolz können wir auf den Elysée-Vertrag von 1963 zurückblicken, den die überzeugten Katholiken Konrad Adenauer und Charles de Gaulle geschlossen hatten. Zentrales Element: Der Jugendaustausch sollte gefördert werden.
Das Niveau von 1963 erreichen die Politiker von heute nicht mehr,
der Vertrag von Elysée auch nicht und die Projekte, die vorgeschlagen werden, auch nicht. Die hören sich grundsätzlich wunderbar an, bringen aber niemandem wirklich etwas.
Genauso ist es mit diesem Abkommen zur grenzüberschreitenden Berufsausbildung. Die Idee klingt erst mal toll. Die Ausführung hat Mängel, und der Nutzen ist eigentlich gleich null.
Worum geht es in dem Abkommen? Es geht darum, dass Azubis in dem einen Land die Berufsschule machen können und im anderen Land die Berufspraxis. Also, man kann in Offenburg in der Firma arbeiten und in Straßburg im Centre de Formation quasi die Berufsschule machen. Die Frage ist nur: Warum sollte man? Wer nutzt das eigentlich? Ich weiß nicht, ob es Ihnen entgangen ist, aber die Zahl der Schüler, die in Deutschland Französisch lernen, ist drastisch nach unten gegangen,
Das sind meistens Schülerinnen!)
die Zahl der Schüler, die in Frankreich Deutsch lernen, noch mehr. Am Jugendaustausch des Deutsch-Französischen Jugendwerks nehmen heute ein Drittel der Teilnehmer teil, die wir vor zehn Jahren hatten. Auch im Erasmus-Programm sehen wir: Na ja, so richtig Massen sind es nicht, die das nutzen. Ungefähr 6 000 Studenten kommen nach Frankreich, 3 000 nach Deutschland. Da stelle ich Ihnen schon die Frage: Wen wollen Sie damit eigentlich erreichen?
Beifall bei der AfD)
Sie müssen ja schon froh sein im internationalen Geist, wenn Azubis im Ausland ihre Ausbildung machen. Aber warum sollte man das aufteilen? Warum sollte man in Offenburg in die Firma gehen und in Straßburg ins Centre de Formation professionnelle und dann mit der Deutschen Bahn jeden Tag hin- und herfahren, oder mit dem Auto, was Sie verbieten wollen? Dirk Spaniel wird beim nächsten Tagesordnungspunkt was dazu sagen. Sie verhindern doch durch Ihre Politik Mobilität, und hier im Abkommen wollen Sie sie fördern. Das macht überhaupt keinen Sinn,
Beifall bei der AfD)
zumal durch das Abkommen wieder Bürokratie ohne Ende entsteht. Das sind wirklich naive Vorstellungen.
Zuruf der Abg. Dr. Anja Reinalter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Also, die Ausbildungsschule und der Ausbildungsbetrieb sollen sich miteinander absprechen. Aber ich stelle mir die Frage, wie, wenn der eine die Sprache des anderen nicht spricht und auch die Verwaltungs- und Kommunikationsstrukturen anders sind. Die Ausbildungsbetriebe sollen die Ausbildungsinhalte des Ausbildungssystems des anderen Landes umsetzen. Das heißt, der deutsche Ausbildungsbetrieb soll dann vom französischen Centre de Formation professionnelle die Ausbildungsinhalte umsetzen, kriegt aber nur einen Katalog mit einer Hilfsübersetzung, die nicht rechtsverbindlich ist. Tja, und wenn es dann zu Konflikten kommt, steht im Abkommen, sollen sich beide Seiten gütlich einigen. Zur Not steht der Rechtsweg offen. Wo? Das regelt das Abkommen nicht. Einen Schutz gibt es also nicht.
Sie haben bei diesem Abkommen völlig übersehen, dass die Strukturen, die Bildungssysteme – gerade im dualen Ausbildungssystem – zwischen Deutschland und Frankreich grundverschieden sind. In Frankreich werden eher Zertifikate und Diplome verliehen. Teilweise dauert eine Ausbildung nur ein Jahr. Soll dann ein deutscher Ausbildungsbetrieb, der einen deutschen ganz normalen Azubi und einen sozusagen bilateralen Azubi hat, dem deutschen Azubi was anderes beibringen als dem bilateralen Azubi? Das ist doch völlig verrückt und unsinnig.
Beifall bei der AfD)
Dass es Unterschiede im Arbeitsrecht, im Sozialrecht, im Steuerrecht gibt, die natürlich Fragen aufwerfen, haben Sie im Abkommen gar nicht erwähnt.
Meine Damen und Herren, wir werden diesem Abkommen nicht im Weg stehen; wir werden uns enthalten. Wir halten es aber für ein Marginalprojekt, das wirklich mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet. Wissen Sie, die deutsch-französische Freundschaft erhalten Sie am besten dadurch, dass Sie dafür sorgen, dass die Menschen Deutschland lieben, dass die Menschen Frankreich lieben und dass sie die Sprache des jeweils anderen lernen.
Deshalb verstehen Sie sich ja auch so gut mit Frau Le Pen!)
Dann atmen Sie den Geist von 1963, und dann tun Sie wirklich was für die deutsch-französische Freundschaft.
Beifall bei der AfD sowie des Abg. Thomas Seitz [fraktionslos])
Noch einmal der Hinweis: In drei Minuten ist die namentliche Abstimmung über die Geschäftsordnung vorbei. – Jetzt rufe ich auf Chantal Kopf für Bündnis 90/Die Grünen.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)