- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Zusage des Studienplatzes ist die erste Hürde für das Studium geschafft. Aber für viele Studierende geht es direkt weiter mit dem BAföG-Antrag. Das BAföG-Amt will vieles wissen. Nicht umsonst geht unter Studierenden folgender Witz herum: Sie bräuchten also BAföG? Ihre Eltern haben am Montag vor zwei Jahren Extrakäse auf der Pizza gehabt. Scheint, als hätten sie genug Geld. – Das wäre fast witzig, wenn es nicht so traurig wäre.
Hat man sich endlich durch alle Formulare gekämpft, heißt es: Warten! Auch bei einem Onlineantrag geht es im Moment nicht schneller. Viel zu oft sind die verschiedenen IT-Systeme in den Ländern nicht kompatibel. Viel zu oft müssen die digitalen Anträge in das System des BAföG-Amts übertragen werden – händisch. Dazu kommt der Personalmangel in vielen Ämtern. Die Verantwortung dafür liegt bei den Ländern. Die Konsequenz: Es dauert mehrere Monate, bis die Studierenden ihr Geld haben. Die wenigsten können diese Zeit mit Erspartem, einem Nebenjob oder der Unterstützung der Eltern überbrücken. Viele überlegen sich mindestens zweimal, ob sie überhaupt ein Studium anfangen.
Gleich zu Studienbeginn kommt oft die nächste Herausforderung: eine Wohnung oder ein WG-Zimmer am Studienort suchen und vor allem finden. Gar nicht so einfach. Nicht ohne Grund wohnt ein Drittel der Studierenden noch zu Hause. Wenn dann eine bezahlbare Wohnung gefunden ist, müssen der Umzug, neue Möbel und die Kaution bezahlt werden. Obendrauf kommt noch der Semesterbeitrag, der jedes halbe Jahr fällig ist und fast überall bei mehreren Hundert Euro liegt. Puh!
Angenommen, der Einzug war erfolgreich, der Semesterbeitrag ist überwiesen und das BAföG schafft es regelmäßig auf das Konto, reicht das Geld trotzdem oft kaum zum Leben, selbst wenn man den BAföG-Höchstsatz bekommt. Rund 56 Prozent aller BAföG-Empfänger/-innen leben unter der statistischen Armutsgrenze, haben also weniger als 1 251 Euro im Monat.
Dabei erhöht ihr die Bedarfssätze nicht! Das ist spannend!)
Ein WG-Zimmer in Deutschland kostet im Durchschnitt 479 Euro. Die Wohnkostenpauschale beim BAföG liegt bei 360 Euro. Da braucht man keinen Taschenrechner: Nach dem Abzug von Nebenkosten, Versicherungen, Lernmitteln und Kleidung reicht das BAföG am Ende des Monats oft nur noch für Nudeln mit Ketchup. – Und dann muss der BAföG-Antrag jedes Jahr neu gestellt werden. Jedes Mal heißt es: Warten! Auch die Regelstudienzeit hat mit vielem zu tun; aber sie ist nicht die Regel, oder man stellt mitten im Studium fest, dass ein anderes Fach besser passt.
All das ist nicht die Ausnahme, sondern gehört zu den vielen Gründen, warum immer noch viel zu wenig Studierende BAföG beantragen und erhalten, nämlich nur 16 Prozent. Das ist aber eine deutliche Verbesserung gegenüber bisher, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union; das verschweigen Sie in Ihren Reden. Bei Ihnen klingt es so, als seien unsere Reformen schuld an der frustrierenden Lage der Studierenden in unserem Land. Nein, schuld daran ist vielmehr, dass Sie zu lange nicht bereit waren, mit uns die nötigen Reformen zu beschließen.
Beifall bei der SPD
Haben wir die Inflation gemacht, oder was?)
Das tun wir jetzt. Natürlich sind uns 16 Prozent bei dem Instrument zur Studienfinanzierung und Bildungsgerechtigkeit nicht genug. Dabei habe ich noch gar nicht über die Studierenden gesprochen, die ganz knapp unter der BAföG-Grenze liegen, oder über diejenigen, die sich auch ehrenamtlich engagieren, Angehörige pflegen und Kinder erziehen.
Liebe Studierende, all das ist für euch nicht neu. Für viele von euch ist das Alltag. Viele Menschen in Deutschland wissen das aber nicht.
Faktische Vernachlässigung der Studierendenwerke! Faktische Vernachlässigung durch die Ampel!)
Sie glauben immer noch an das Bild der faulen Studis, die gar nicht wissen, wohin mit ihrer Zeit, die nur hier und da ein Seminar oder eine Vorlesung besuchen und sonst in den Tag hineinleben – und das auf Kosten der Steuerzahler/-innen.
Dieses Bild ist nicht nur einfach falsch, es geht nicht nur an den Lebensrealitäten vorbei, dieses Bild ist fast schon frech. Der wöchentliche Zeitaufwand von Studierenden liegt durchschnittlich bei 40 Stunden die Woche: Präsenzveranstaltungen, Fahrzeiten, Vor- und Nachbereitungen, Lernphasen, Recherchen für Hausarbeiten. Für etwa zwei Drittel der Studierenden kommt noch der Nebenjob zur Finanzierung des Studiums obendrauf. Das ist die Lebensrealität vieler Studierender, die Realität von motivierten und klugen Köpfen, die Visionen, Ziele und Träume haben, die studieren möchten, um später etwas zu verändern und einen Unterschied zu machen.
Das ist nicht nur für jeden Einzelnen wichtig, sondern für unsere gesamte Gesellschaft. Deswegen ist für uns als SPD klar: Wenn jemand studieren möchte, dann wollen wir alles dafür tun, dass es nicht am Geld scheitert. Wir wollen ein BAföG, das wirklich elternunabhängig ist. Wir wollen die Rückkehr zum Vollzuschuss statt einer Erhöhung der Schuldenobergrenze. Wir wollen einen ausreichenden Fördersatz, damit sich wirklich alle das Studieren leisten können. Aber es ist kein Geheimnis, dass wir das so, wie wir uns das als SPD vorstellen, mit der bevorstehenden Reform nicht hundertprozentig umsetzen werden, weil wir nicht alleine regieren. Wir – allen voran meine Kollegin Lina Seitzl; wir haben sie eben gehört – werden dafür kämpfen, dass wir unseren Zielen viele Schritte näher kommen und wir damit euer Leben, liebe Studierende, leichter machen.
Vielen Dank.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für die Gruppe Die Linke hat jetzt Nicole Gohlke das Wort.
Beifall bei der Linken)