- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD arbeitet sich heute in ihrer wertvollen Debattenzeit zum einen an Kindern ab, die Kopftücher tragen, und zum anderen gibt es – aus welchen Gründen auch immer – noch einen zweiten Antrag, und zwar zum Thema der statistischen Erfassung und Bekämpfung von Vielehen.
Inhaltlich zeichnet sich der Antrag zum Kopftuch alleine schon durch die von Ihnen gewählte abwertende Formulierung als „Kinderkopftuch“ durch eine unerträglich geheuchelte Fürsorge für muslimische Mädchen aus.
Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Der Vielehen-Antrag beruht auf der Annahme – wir lesen Ihre Anträge ja schon –,
Die AfD nicht!)
dass die Anzahl von religiösen Ehen im Land steigen würde, aber dass man nicht so genau wisse, wie hoch eigentlich diese Anzahl sei, und man diese deshalb auch unbedingt bekämpfen müsse.
Also: Von der Intention und der handwerklichen Mittelmäßigkeit sind das ganz typische AfD-Anträge. Das ist geschenkt. Aber immerhin überraschen Sie wirklich mit einer Sache, nämlich dass es jetzt offensichtlich schon zwei Anträge braucht, um einen Debattenpunkt zu füllen.
Das ist doch billig! Das haben Sie doch gar nicht nötig!)
Das ist ein bisschen so, als wenn Sie in den Supermarkt gehen und zwei Würstchen zum Preis von einem bekommen. Da freut man sich natürlich beim Einkaufen. Aber man hat bei Ihnen das Gefühl: Es ist ein bisschen wie in einer Ramschecke, frei nach dem Motto: Quantität und Stimmungsmache vor Qualität. Und das, Kollegen von der AfD, sind wir hier alle ziemlich leid.
Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das Angebot der AfD ist also, dass wir uns jetzt hier mittags im Kulturkampfjargon des Kinderkopftuches auseinanderdividieren.
Es geht nicht um Kulturkampf, es geht um Kinderschutz!)
Oder man versucht, Frau Harder-Kühnel, sich einmal diesem Thema, das durchaus Emotionen weckt, das natürlich kulturelle, religiöse und politische Prägungen hat, unaufgeregt und mit Sachlichkeit zu widmen.
Wir warten!)
Sachlich gilt es, zu berücksichtigen, dass es in Deutschland die Freiheit der Religionsausübung gibt und auch das elterliche Erziehungsrecht unter besonderem staatlichen Schutz steht. Zum anderen kann ein staatlicher Eingriff natürlich durchaus gerechtfertigt sein, wenn es zu einer systematischen Benachteiligung junger muslimischer Mädchen kommt oder auch der Schulfrieden gefährdet wäre. Das ist ja eine wichtige Güterabwägung, über die wir hier diskutieren können. Das betrifft übrigens ganz konkret auch Grundschullehrerinnen. Auch in den Kitas wird das mit den Eltern diskutiert.
In welcher Sprache?)
Aber diese Güterabwägung nehmen Sie nicht vor.
Noch viel unglaubwürdiger ist, dass Sie plötzlich in Ihrem Antrag auf Institutionen setzen und Lösungen einfordern, die Sie sonst nur mit Spott übergießen. Seit wann nehmen Sie die Deutsche Islam Konferenz, die Bundeszentrale für politische Bildung, den Europarat
Das habe ich mich auch gefragt!)
und dann auch noch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ernst? Den wollen Sie ja eigentlich am liebsten abschaffen; der soll jetzt aber anscheinend Angebote ausstrahlen, um dieses Thema aufzunehmen.
Wir wollen ihn verbessern, nicht abschaffen!)
Das sind wirklich billige Showkämpfe. Sie betreiben Symbolpolitik ausgerechnet auf dem Rücken von Schulkindern und Kitakindern. Das lehnen wir wirklich ab.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Liebe Kollegin Leikert, möchten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Frau von Storch erlauben?
Dann machen wir das ganz kurz.
Die schuldet doch noch 1 000 Euro! Nein, 2 000!)
Ich habe nur eine ganz kurze Frage. – Sie haben uns gerade vorgeworfen, dass wir hier zwei Anträge auf die Tagesordnung setzen, weil wir nichts zu sagen hätten. Ich blättere in der Tagesordnung eine Seite zurück. Wir haben gerade den Tagesordnungspunkt 8 diskutiert. Da haben Sie drei Anträge gestellt:
Zuruf von der SPD: Es geht um die Qualität!)
„Der Ukraine zum Sieg verhelfen“, „Unterstützung für die Ukraine konsequent fortsetzen – Lieferung des Taurus-Marschflugkörpers beschließen“ und „Wiederaufbau der Ukraine fördern“.
Es geht nicht um Quantität, sondern um Qualität!
Die haben auch was miteinander zu tun!)
Das sind drei Anträge, die Sie gestellt haben.
Das ist einfach nur peinlich!)
Finden Sie nicht, dass Sie mit zweierlei Maßstab messen, wenn Sie uns vorwerfen, dass wir zwei Anträge auf die Tagesordnung setzen, aber Sie vor einer Stunde drei Anträge auf die Tagesordnung gesetzt haben?
Beifall bei der AfD
Die hatten wenigstens was miteinander zu tun!
Dafür stellen Sie eine Frage?)
Frau von Storch, dass Sie regelmäßig Äpfel mit Birnen vergleichen, ist klar.
Ah!)
Sie möchten hier ein Thema diskutieren und bringen dazu zwei Anträge ein. Das ist in dieser Form wirklich mehr als unüblich. – So, ich mache es auch kurz.
Beifall bei der CDU/CSU)
Zu dem Antrag zum Thema Vielehe ist eigentlich gar nicht so viel zu sagen. Es ist wirklich komplett einfach; da braucht man sich auch gar nicht so in Rage zu reden, Frau Harder-Kühnel: Natürlich sind Vielehen in Deutschland zu bekämpfen. Jetzt sage ich Ihnen etwas, was Ihnen als Juristin vielleicht geläufig sein könnte: Vielehen sind in Deutschland verboten.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wenn Sie dann sagen, Sie bräuchten dazu große Statistiken, dann schauen Sie sich einmal die Statistik vom Pew-Forschungsinstitut in Washington an. Weltweit wird dieses Problem – wie gesagt, es ist ein Problem; das sieht jeder so – auf insgesamt 2 Prozent geschätzt; in Deutschland, in den westlichen Staaten, Kanada, USA auf unter 0,5 Prozent, übrigens bei Ihren Freunden in Russland auch.
Und den Kindern sollte man auch helfen!)
Wozu dann dieses Panikgeschreibsel, wenn es sich um ein tatsächlich marginales Problem handelt? Atmen Sie an dieser Stelle bitte einfach mal durch. Vielehen will keiner, und sie sind verboten.
Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es lohnt sich nicht, damit die Redezeit von sechs Minuten zu füllen. Selbst bei viel Fantasie kann ich nicht feststellen, dass auch nur eine Person in Ihren Reihen – das hatten wir heute Morgen bei der Debatte zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen gesehen – sich wirklich ernsthaft um Frauenrechte kümmert. Frau von Storch, sich mit Gebrüll auf das sogenannte Kopftuchmädchen zu stürzen, ist wirklich keine gute politische Kultur.
In diesem Sinne: Lassen Sie uns über die Themen wirklich sachlich beraten.
Danke.
Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Für Bündnis 90/Die Grünen hat nun das Wort die Kollegin Lamya Kaddor.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)