Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD arbeitet sich heute in ihrer wertvollen Debattenzeit zum einen an Kindern ab, die Kopftücher tragen, und zum anderen gibt es – aus welchen Gründen auch immer – noch einen zweiten Antrag, und zwar zum Thema der statistischen Erfassung und Bekämpfung von Vielehen. Inhaltlich zeichnet sich der Antrag zum Kopftuch alleine schon durch die von Ihnen gewählte abwertende Formulierung als „Kinderkopftuch“ durch eine unerträglich geheuchelte Fürsorge für muslimische Mädchen aus. Der Vielehen-Antrag beruht auf der Annahme – wir lesen Ihre Anträge ja schon –, dass die Anzahl von religiösen Ehen im Land steigen würde, aber dass man nicht so genau wisse, wie hoch eigentlich diese Anzahl sei, und man diese deshalb auch unbedingt bekämpfen müsse. Also: Von der Intention und der handwerklichen Mittelmäßigkeit sind das ganz typische AfD-Anträge. Das ist geschenkt. Aber immerhin überraschen Sie wirklich mit einer Sache, nämlich dass es jetzt offensichtlich schon zwei Anträge braucht, um einen Debattenpunkt zu füllen. Das ist ein bisschen so, als wenn Sie in den Supermarkt gehen und zwei Würstchen zum Preis von einem bekommen. Da freut man sich natürlich beim Einkaufen. Aber man hat bei Ihnen das Gefühl: Es ist ein bisschen wie in einer Ramschecke, frei nach dem Motto: Quantität und Stimmungsmache vor Qualität. Und das, Kollegen von der AfD, sind wir hier alle ziemlich leid. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das Angebot der AfD ist also, dass wir uns jetzt hier mittags im Kulturkampfjargon des Kinderkopftuches auseinanderdividieren. Oder man versucht, Frau Harder-Kühnel, sich einmal diesem Thema, das durchaus Emotionen weckt, das natürlich kulturelle, religiöse und politische Prägungen hat, unaufgeregt und mit Sachlichkeit zu widmen. Sachlich gilt es, zu berücksichtigen, dass es in Deutschland die Freiheit der Religionsausübung gibt und auch das elterliche Erziehungsrecht unter besonderem staatlichen Schutz steht. Zum anderen kann ein staatlicher Eingriff natürlich durchaus gerechtfertigt sein, wenn es zu einer systematischen Benachteiligung junger muslimischer Mädchen kommt oder auch der Schulfrieden gefährdet wäre. Das ist ja eine wichtige Güterabwägung, über die wir hier diskutieren können. Das betrifft übrigens ganz konkret auch Grundschullehrerinnen. Auch in den Kitas wird das mit den Eltern diskutiert. Aber diese Güterabwägung nehmen Sie nicht vor. Noch viel unglaubwürdiger ist, dass Sie plötzlich in Ihrem Antrag auf Institutionen setzen und Lösungen einfordern, die Sie sonst nur mit Spott übergießen. Seit wann nehmen Sie die Deutsche Islam Konferenz, die Bundeszentrale für politische Bildung, den Europarat und dann auch noch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ernst? Den wollen Sie ja eigentlich am liebsten abschaffen; der soll jetzt aber anscheinend Angebote ausstrahlen, um dieses Thema aufzunehmen. Das sind wirklich billige Showkämpfe. Sie betreiben Symbolpolitik ausgerechnet auf dem Rücken von Schulkindern und Kitakindern. Das lehnen wir wirklich ab. Dann machen wir das ganz kurz. Frau von Storch, dass Sie regelmäßig Äpfel mit Birnen vergleichen, ist klar. Sie möchten hier ein Thema diskutieren und bringen dazu zwei Anträge ein. Das ist in dieser Form wirklich mehr als unüblich. – So, ich mache es auch kurz. Zu dem Antrag zum Thema Vielehe ist eigentlich gar nicht so viel zu sagen. Es ist wirklich komplett einfach; da braucht man sich auch gar nicht so in Rage zu reden, Frau Harder-Kühnel: Natürlich sind Vielehen in Deutschland zu bekämpfen. Jetzt sage ich Ihnen etwas, was Ihnen als Juristin vielleicht geläufig sein könnte: Vielehen sind in Deutschland verboten. Wenn Sie dann sagen, Sie bräuchten dazu große Statistiken, dann schauen Sie sich einmal die Statistik vom Pew-Forschungsinstitut in Washington an. Weltweit wird dieses Problem – wie gesagt, es ist ein Problem; das sieht jeder so – auf insgesamt 2 Prozent geschätzt; in Deutschland, in den westlichen Staaten, Kanada, USA auf unter 0,5 Prozent, übrigens bei Ihren Freunden in Russland auch. Wozu dann dieses Panikgeschreibsel, wenn es sich um ein tatsächlich marginales Problem handelt? Atmen Sie an dieser Stelle bitte einfach mal durch. Vielehen will keiner, und sie sind verboten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es lohnt sich nicht, damit die Redezeit von sechs Minuten zu füllen. Selbst bei viel Fantasie kann ich nicht feststellen, dass auch nur eine Person in Ihren Reihen – das hatten wir heute Morgen bei der Debatte zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen gesehen – sich wirklich ernsthaft um Frauenrechte kümmert. Frau von Storch, sich mit Gebrüll auf das sogenannte Kopftuchmädchen zu stürzen, ist wirklich keine gute politische Kultur. In diesem Sinne: Lassen Sie uns über die Themen wirklich sachlich beraten. Danke.