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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 29. März 2023 begann in Weimar der Richter- und Staatsanwaltstag.
Bundesjustizminister Marco Buschmann wandte sich an das Fachpublikum und nahm einen Rückblick auf die Weimarer Republik vor. Er verwies auf die Unterschiede
gegenüber damals und sagte – ich zitiere –:
Wir haben Sicherungen gegen die Selbstabschaffung der Demokratie vor allem auch in Form der Gewaltenteilung. Zu dieser gehört eine starke, unabhängige
Justiz.
Kurz darauf wurde er von meinen früheren Kolleginnen und Kollegen aus der Justiz ausgebuht. Sie bilden eine Berufsgruppe, die ansonsten dafür bekannt
ist, dass sie ihre Kritik in wohlfeilen Worten formuliert.
Warum also diese Reaktion? Es geschah, weil Richter und Staatsanwälte, und zwar nicht nur wegen der Pläne der Ampelkoalition zu einer technischen
Aufzeichnung der Strafverhandlungen, die Befürchtung haben, dass ihre Handlungsspielräume durch unnötige gesetzliche Vorgaben eingeschränkt werden sollen und
die Rechtsfindung erschwert wird. Das haben in den letzten Wochen auch meine Gespräche mit zahlreichen Spitzenvertretern der Landgerichte im südlichen Teil des
OLG-Bezirks Stuttgart so ergeben. Mit zwei Punkten aus dem heutigen Gesetzespaket möchte ich das belegen.
Erstens. In § 46 Absatz 2 StGB heißt es, dass das Gericht bei der Strafzumessung die Gründe, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander
abwägt; namentlich menschenverachtende Beweggründe kommen hier in Betracht. Das erfasst auch die zu missbilligenden Straftaten aus Verachtung gegenüber Frauen
oder geschlechtsspezifische und gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Beweggründe, die die Ampelkoalition jetzt zusätzlich in den Gesetzestext schreiben
will. Die Begründung dafür lautet, dass damit auch die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen schon frühzeitig auf solche Umstände erstrecken soll. Es wird damit
subtil unterstellt, dass das bisher nicht geschieht. Ein Indiz dafür ist auch die Antwort, die mir der Queer-Beauftragte der Bundesregierung in der Debatte vom
15. März 2023 auf eine Zwischenfrage gegeben hat. Insbesondere die nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung in der Strafzumessung freien Tatrichter
fühlen sich unnötig gegängelt. Statt den Pakt für den Rechtsstaat zu erneuern, stellt die Ampelkoalition die Justiz bei dem Thema unter Generalverdacht.
Beifall bei der CDU/CSU
Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ein Quatsch!
Zweitens. Im Zusammenhang mit der in der jetzigen Form wohl rechtswidrigen Halbierung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe wurde noch kurz vor
Torschluss eine Änderung bei der Geldstrafenberechnung in § 40 StGB eingeführt. Zu berücksichtigen sind jetzt schon die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse des Täters. In der Regel kann das Nettoeinkommen herangezogen werden oder geschätzt werden. Jetzt wird für die Tatrichter die zusätzliche Maßregel
ausgegeben, dass sie darauf zu achten hätten, dass dem Täter mindestens das zum Leben unerlässliche Minimum seines Einkommens verbleibt. Dies geschieht doch
schon. Es gibt zahlreiche obergerichtliche Rechtsprechungen, die das vorschreiben. Mit erhobenem Zeigefinger wird die Beinfreiheit der Strafgerichte
eingeschränkt.
Fazit: Der Justiz wird die Rechtsfindung unnötig erschwert.
Dass es Frauenfeindlichkeit und Queerfeindlichkeit gibt, ist doch eine wichtige Erkenntnis! Reden Sie das doch
nicht klein!)
Und wenn mal etwas leicht vorangehen könnte, schlägt die Ampelkoalition die ausgestreckte Hand der Opposition aus, so geschehen bei der gerade
gehörten Maßregelvollzugsreform. Schon in der letzten Legislaturperiode wurde dazu eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet. Diese hat im November 2021 ihren
Gesetzesvorschlag vorgelegt. Trotz eines informellen Gesprächs zwischen mir und einem höherrangigen Vertreter des Justizministeriums kam aber ein
Gesetzgebungsprozess nicht in Gang, sodass ich selbst tätig wurde. Mit Unterstützung der Unionsfraktion haben wir am 11. Mai 2022 einen eigenen Gesetzentwurf
eingebracht, der diese Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe aufgriff. Ein halbes Jahr lang verweigerte die Ampelkoalition im Rechtsausschuss eine
inhaltliche Beratung, insbesondere eine Sachverständigenanhörung. Im Dezember 2022 lehnte sie unseren Vorschlag ab.
Sie brachte im März 2023 ihren eigenen Vorschlag ein, den Sie heute beschließen werden.
Fazit: Mehr als ein Jahr verloren, ein weiteres Jahr mit überfüllten Maßregelvollzugseinrichtungen,
Unser Entwurf ist besser als Ihrer!)
ein weiteres Jahr, in dem Dutzende gefährliche Straftäter auf freiem Fuß geblieben sind.
Sicherheitsrisiko Ampel!)
Diese Rechtspolitik, meine Damen und Herren, wird zu Recht ausgebuht.
Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Seitz [AfD]
Das sagen Sie nach 16 Jahren Nichtstun! Das ist ja
echt lächerlich!
Ja, genau! Wenn Sie jetzt nicht zustimmen, machen Sie
sich ganz lächerlich!)
Für die SPD-Fraktion hat nun Sonja Eichwede das Wort.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)