- Bundestagsanalysen
Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer in die Berichte der Wehrbeauftragten der letzten Jahre schaut, wird als wiederkehrendes Thema die überlange Dauer von Disziplinarverfahren finden. Die durchschnittliche Dauer dieser Verfahren bei Erledigung mit Urteil betrug 2023 rund zweieinhalb Jahre. Es gab Verfahren, die bis zu zehn Jahre andauerten. Solche Dauern widersprechen dem Sinn der Wehrdisziplinarordnung. Sie sind eine Belastung für alle am Verfahren Beteiligten, und sie helfen gerade nicht, das Vertrauen der Truppe in das Disziplinarsystem zu stärken.
Das Wehrdisziplinarrecht hat verschiedene Aufgaben. Es soll individuelles Fehlverhalten ahnden und sühnen, damit eine Soldatin oder ein Soldat eine Verfehlung nicht wiederholt. Es soll Betroffenen von Fehlverhalten oder Übergriffen signalisieren: Die Truppe steht hinter dir; Verfehlungen zulasten von Kameradinnen und Kameraden werden nicht toleriert. Es soll schließlich die Moral der gesamten Truppe stärken. Auch unbeteiligte Soldatinnen und Soldaten müssen spüren: Fehlverhalten wird sanktioniert und nicht toleriert. Das bestärkt die große Mehrzahl der völlig tadellosen Soldatinnen und Soldaten in ihrem Verhalten. Und, was auch nicht vergessen werden darf: Die Wehrdisziplinarordnung umfasst auch die positive Würdigung besonderer Leistungen, also förmliche Anerkennung für vorbildliche Pflichterfüllung oder hervorragende Einzeltaten. Auch das ist natürlich ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Moral.
Dies alles kann das Disziplinarverfahren aber nur leisten, wenn es zeitnah nach Vorfällen oder auch nach guten Leistungen greift. Wenn diejenigen, die Verfehlungen begangen haben, oder die, die Opfer von Übergriffen geworden sind, die Bundeswehr zum Teil schon lange verlassen haben oder woandershin versetzt worden sind, dann kann eine Disziplinarmaßnahme weder eine generalpräventive noch eine spezialpräventive, also eine individuelle Wirkung entfalten.
Insbesondere bei rechtsextremistischen oder anderen verfassungsfeindlichen Vorfällen, bei sexueller Belästigung oder Schlimmerem sind diese langen Verfahrensdauern hoch problematisch. Sie müssen nämlich bei der Bemessung der Disziplinarstrafe zugunsten der Betroffenen mildernd berücksichtigt werden, was im Grundsatz ja auch richtig ist; das ist ein rechtsstaatlicher Grundsatz. Aber wenn das dann dazu führen würde, dass etwa sexuelle Belästigung nicht angemessen geahndet wird, dann sendet es ein fatales Signal an Betroffene und schwächt letztlich die Moral der gesamten Truppe. Deshalb kann das so nicht bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/CSU und der FDP)
Dazu kommt: Während der Dauer eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens liegt ein Beförderungshemmnis vor. Das heißt, es ist auch im Interesse der von einem Verfahren betroffenen Soldatinnen und Soldaten, dass ein solches Verfahren zügig abgeschlossen wird.
Die Gründe für diese langen Verfahren sind vielfältig. Sie liegen zum einen im Personalmangel bei den Truppendienstgerichten. Dem muss das Ministerium weiter durch entsprechende Personalsteuerung und Haushaltsansätze begegnen.
Aber neben dem Personalmangel sind eben auch die bislang zu komplizierten Regelungen in der Wehrdisziplinarordnung mit ursächlich. Deshalb ist es gut, dass das Ministerium die uns vorliegende Novellierung erarbeitet hat. Mit der neuen Wehrdisziplinarordnung wird die Dauer von Verfahren auch bei extremistischen Vorfällen oder sexuellen Übergriffen deutlich verkürzt und vereinfacht. Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen müssen jetzt innerhalb von sechs Monaten nach Beginn der Vorermittlungen eingeleitet werden – ein überfälliger Schritt. Gleichzeitig werden Transparenz und Beteiligung am Verfahren verbessert. Die Position der Vertrauensperson wird gestärkt, und der Maßnahmenkatalog für Disziplinarvorgesetzte wird erweitert.
Ich freue mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass das parlamentarische Verfahren in kurzer Zeit abgeschlossen werden konnte. Wir kamen ausnahmsweise ohne Anhörung mit nur einer Ausschussbefassung aus. Im Verfahren haben wir noch Begrifflichkeiten präzisiert. Die größte Oppositionsfraktion hat Zustimmung signalisiert; auch das freut mich natürlich, weil es ein wichtiges Signal, denke ich, in die Truppe ist. Insgesamt ist der Entwurf rund geworden und steht hier heute zur Verabschiedung an. Ich bitte gleich um Zustimmung.
Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend: Das Wehrdisziplinarrecht entlastet Gerichte, Vorgesetzte und Betroffene und leistet zusammen mit der Novelle des Soldatengesetzes vom vergangenen Jahr einen Beitrag, um Verfassungsfeinde schneller und konsequenter als bislang aus der Truppe zu entfernen. Unsere Parlamentsarmee steht auf dem Boden des Grundgesetzes. Und wer dort nicht steht oder wer schwankt, der hat eben in der Truppe auch nichts verloren. Auch dieses Signal geht von der heutigen Neuordnung aus.
Vielen Dank.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Kerstin Vieregge, CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)