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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Während die namentliche Abstimmung draußen läuft, beginnen wir die Debatte, die nicht unwichtig ist; denn es geht um den chinesischen Einfluss in Lateinamerika. Daher ganz am Anfang ein paar Beispiele und Fakten – um in die Debatte einzuführen –, wo chinesischer Einfluss in Lateinamerika spürbar und real ist.
Beispielsweise hat Ecuador erst jüngst ein Freihandelsabkommen mit der Volksrepublik China verhandelt, übrigens in einer ultrakurzen Zeit von nur wenigen Wochen. Das steht im starken Kontrast zu den Verhandlungen mit einer Dauer von über 20 Jahren der Europäischen Union mit den vier Staaten Lateinamerikas, die das Mercosur-Bündnis bilden, die immer noch ohne greifbares Ergebnis sind, meine Damen und Herren. Deswegen verwundert es nicht, dass Uruguay, einer dieser vier Mercosur-Staaten, mittlerweile – enerviert, muss man fast sagen – sich gezwungen sieht, mit der Volksrepublik China ein bilaterales Freihandelsabkommen zu verhandeln, das kurz vor dem Abschluss steht.
Meine Damen und Herren, eine weitere beeindruckende Zahl ist, dass die chinesischen Direktinvestitionen innerhalb des letzten Jahrzehnts um 589 Prozent gewachsen sind. Das ist eine Versiebenfachung der Direktinvestitionen. Als ob das nicht schon alarmierend genug ist, ist es noch besorgniserregender, wenn man genau hinschaut, worin investiert wird. Denn der weit überwiegende Anteil chinesischer Direktinvestitionen in Lateinamerika geht in den Bereich der kritischen Infrastruktur. Meine Damen und Herren, viele lateinamerikanische Staaten – etwa 20 Staaten – haben die Absicht erklärt, bei dem chinesischen Infrastrukturprojekt der Belt and Road Initiative mitzumachen. Und auch der brasilianische Staatspräsident Lula da Silva hat erst kürzlich bei seiner Reise nach Peking erklärt, dass auch Brasilien Interesse hat, hier mitzumachen.
Und was haben wir, was hat die Europäische Union anzubieten? Global Gateway. Okay. Nach gut einem Jahr werden die ersten Projekte konkretisiert. Wenn man aber auch da mal genauer hinschaut, dann stellt man fest, dass bei dem Global Gateway der Europäischen Union häufig ohnehin geplante Projekte mit dem Label „Global Gateway“ versehen werden. Meine Damen und Herren, so gewinnen wir das Wettrennen um die Gunst der lateinamerikanischen Freunde nicht.
Stichwort „Lula da Silva, Brasilien“. Wir sehen: Die Bundesregierung umwirbt Lula da Silva sehr. Wir stellen geradezu eine Lula-da-Silva-Euphorie fest. Dabei wird ausgeblendet, dass iranische Kriegsschiffe erst kürzlich – Ende Februar – im Hafen von Rio de Janeiro andocken konnten und dass Lula da Silva einen vermeintlichen Friedensvorschlag in Bezug auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gemacht hat; demzufolge soll die Ukraine im Vorfeld auf die Krim verzichten. Die Reihe ließe sich fortsetzen. Ich warne vor einer naiven Lula-da-Silva-Euphorie.
Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das ganze Engagement, das Interesse ist ja nicht zu verteufeln. Wir müssen uns auch um Brasilien, einen zentralen Staat in Lateinamerika, kümmern. Aber ich will noch mal das Augenmerk auf China richten. China hat nicht nur harte Fakten zu bieten, sondern auch Soft Power, die es anwendet. Als Beispiel nenne ich die vielen sogenannten Konfuzius-Institute, die in Lateinamerika wie Pilze aus dem Boden sprießen, und die vielen als Bildungsreisen getarnten Propagandatrips für Politiker aller politischen Ebenen, für Wissenschaftler, für Kulturschaffende und für Journalisten. Eine jüngste Studie der Harvard-Universität belegt, dass diese chinesische Propaganda in Afrika und auch in Lateinamerika auf große Resonanz stößt. Das dürfen wir nicht ignorieren.
Und auch hier wieder die Frage: Was machen wir? Was bieten wir? Wir verkennen die Urgent Needs, die wirklichen Interessen Lateinamerikas. Die müssen wir aber in den Fokus nehmen, um wirklich nachhaltige Konzepte aufzubauen und konkrete Projekte auf den Weg zu bringen. Deswegen ist eine zentrale Forderung in unserem Antrag, dass die Bundesregierung endlich eine ressortübergreifende Lateinamerika-Strategie auf den Weg bringt, die Außen- und Sicherheitspolitik ebenso wie Entwicklungszusammenarbeit und außenwirtschaftliche Zusammenarbeit zusammendenkt.
Es ist wichtig, zu erkennen, dass eine Lateinamerika-Politik, die einzig und allein von der Konkurrenz zu China getrieben ist, die einzig und allein einen Run auf die Rohstoffe des lateinamerikanischen Kontinents in den Fokus nimmt, von Anfang an zum Scheitern verurteilt sein wird. Deswegen müssen wir es klug machen, meine Damen und Herren.
Wir haben etwas anzubieten: Eine starke demokratische Überzeugung, die uns mit den lateinamerikanischen Freunden verbindet. Ich habe bei meinen vielen Reisen auch in jüngster Zeit nach Lateinamerika jedenfalls niemanden getroffen, der in überschwängliche Euphorie ausgebrochen wäre, wenn es um den „Chinese way of life“ ging. Auch hier liebt man natürlich die Freiheit und möchte nicht 24 Stunden, 7 Tage die Woche überwacht werden, wie es das Modell der Chinesen ist. Deswegen sage ich, dass wir uns bei einer ernsthaften Beschäftigung mit den lateinamerikanischen Freunden nicht davor scheuen sollten, die Unterschiede, die zwischen Lateinamerika und uns bestehen, zu thematisieren und in der Zusammenarbeit zu berücksichtigen. Das schafft Nachhaltigkeit in unseren Beziehungen.
Das Fazit ist, Herr Präsident, Verzeihung, Frau Präsidentin – –
Das macht nichts. Aber wenn Sie zum Schluss kommen würden.
Ich komme zum Schluss. – Ich wollte noch für uns adressieren, dass wir jetzt die Chance für eine erweiterte transatlantische Partnerschaft mit Südamerika nutzen –
– und trotz unterschiedlicher Erwartungen einige konkrete Projekte auf den Weg bringen sollten. Das ist ein Element unserer Vorstellung einer New World Order, wie wir sie denken.
Herr Kollege, das waren so viele schöne Schlusssätze.
Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist so: Wenn man gerade als erster Redner so viel überzieht, kann es passieren, dass dann die nächsten aus Ihrer Fraktion den Schaden haben. Aber das klären Sie untereinander.
Die Kollegin Bettina Lugk hat das Wort für die SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)