Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Fast ein Jahr nach der ersten Novelle des EnSiG sind wir inzwischen beim Energiesicherungsgesetz 5.0 angekommen. Dass in der gebotenen Eile einer Krise beschlossene Maßnahmen nicht vollkommen sein können und in dynamischen Lagen auch nachgebessert werden müssen, sei der Regierung selbstverständlich zugestanden. Gleichzeitig täte es uns gut, die Energiesicherung langfristig anzugehen. Schließlich ist die Krise kein Dauerzustand, schon gar nicht, wenn man in ihr auf drei Kernkraftwerke verzichten kann. Und die aktuelle Lage, wie sie sich heute darstellt, unterscheidet sich im Grad der Eilbedürftigkeit durchaus von derjenigen, in der die vorherigen EnSiG-Novellen beschlossen worden sind.
Deshalb können Sie bei allem grundsätzlichen Verständnis für Ihr Anliegen keinen Freifahrtschein von uns erwarten. Es ist vielmehr durchaus erforderlich und geboten, genauer hinzuschauen; denn wir entscheiden heute erneut über Einschränkungen des Eigentums, über Beschränkungen eines zentralen, unsere Verfassung tragenden Grundrechts. Das Grundrecht auf Eigentum büßt selbstverständlich auch in der Krise nichts von seiner Bedeutung ein. Auch in der Krise muss der staatliche Eingriff in das Eigentum gerechtfertigt und rechtlich sauber begründet sein.
Ich finde es ja schon verwunderlich, dass Sie überhaupt die Notwendigkeit für die Schaffung des § 17b sehen. Ihnen steht im aktuellen EnSiG doch bereits der ganze Instrumentenkasten zur Verfügung.
Nein!)
Im Rahmen der Treuhandverwaltung ist auf der einen Seite bereits die Vermögensübertragung aus Gründen des Werterhalts des betroffenen Unternehmens möglich. Auf der anderen Seite steht die Enteignung nach § 18 EnSiG als schärfstes Schwert.
Sie hätten enteignet?)
Dieses Schwert lässt bereits heute Teilenteignung zu,
Sie wollen lieber enteignen als übertragen?)
wenn sie zur Sicherung der Energieversorgung und zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit erforderlich ist.
Bitte nachlesen!)
– Habe ich.
Klar ist auch, dass Eigentumseingriffe des Staates sich nicht nur am Maßstab des Grundgesetzes messen lassen müssen, sondern auch am völkerrechtlichen Investitionsschutz, und den sehe ich in Ihrem Entwurf überhaupt nicht berücksichtigt.
Beifall bei der CDU/CSU)
Ich sehe auch nicht, wo Raum sein soll für diesen § 17b, weil er doch faktisch nichts anderes ist als eine Enteignung, die es in § 18 schon gibt. Es sei denn, man sieht es analog zur Sichtweise von Minister Habeck bei den Insolvenzen von Betrieben und kommt zum Ergebnis, dass das Unternehmen ja gar nicht enteignet ist, sondern nur seine Vermögenswerte übertragen werden. Für eine solche Sichtweise lässt das EnSiG aber keinen Raum; denn entweder ist die Lage entspannt genug, um es bei der Treuhandverwaltung zu belassen, oder sie erfordert, dass zur Enteignung gegriffen werden muss. Das hier gebaute Zwitterkonstrukt, mit dem über eine Treuhandverwaltung das betroffene Unternehmen quasi durch die Hintertür enteignet werden kann, das passt nicht zum bestehenden Maßnahmenkatalog.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, was Sie hier mit der neuen EnSiG-Novelle beschließen wollen, ist verfassungsrechtlich höchst problematisch. Wie schon mein Kollege Fabian Gramling dargelegt hat, ist ein derart harter Eingriff wie der, den Sie in § 17b planen, egal ob Sie ihn „Enteignung“ nennen oder als „Vermögensübertragung“ umschreiben, als solcher rechtfertigungsbedürftig.
Wann eine solche Enteignung möglich sein soll, unter welchen Voraussetzungen also der Staat seine Hand auf das Eigentum von Privaten legen kann, das muss für alle Beteiligten hinreichend klar erkennbar und konkret sein. Dieser Eingriff muss legitim, geeignet, erforderlich und am Ende auch noch verhältnismäßig sein.
Korrekt!)
Das gebietet uns unser Rechtsstaat.
Machen Sie deshalb nicht den Fehler, das Urteil aus Leipzig blind als Freifahrtschein für wilde Operationen am offenen Herzen des Energiesicherungsgesetzes zu nehmen.
Also, „wild“ ist polemisch, oder?)
Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar im März sein Okay für die Treuhandübernahme der Rosneft-Töchter gegeben; aber das heißt noch lange nicht, dass Sie beim Thema „Treuhand und Enteignung“ nach freiem Gusto verfahren können. Das Recht auf Eigentum hat auch im Bereich der kritischen Infrastruktur, in unserer Energieversorgung einen hohen Stellenwert.
Deshalb können wir Ihrem Entwurf nicht zustimmen, weil es für einen solchen Eingriff, wie Sie ihn regeln wollen, klare Kriterien braucht, weil weder eine Befristung noch eine angemessene Evaluation der Maßnahme vorgesehen ist und weil unser Rechtsstaat die parlamentarische Kontrolle wesentlicher Regierungsentscheidungen verlangt, und die geben wir hier im Plenarsaal nicht freiwillig ab.
Bitte machen Sie Ihre Hausaufgaben sauber, und bessern Sie hier nach! Sorgen Sie heute einmal gründlich für die richtigen Regelungen, damit Sie diese morgen nicht schon wieder nachbessern müssen.
Vielen Dank.
Beifall bei der CDU/CSU)
Die Kollegin Dr. Nina Scheer hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)