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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Kurzem sprechen wir wieder häufiger von den Ostdeutschen. Sie stehen wieder einmal im Mittelpunkt einer Diskussion. Dabei meine ich jetzt nicht die Aussagen, die uns letzte Woche in den Zeitungen begegneten, sondern die Analyse eines Mannes, die dieser kürzlich in einem Buch zusammenfasste.
Dirk Oschmanns Monografie „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ beobachtet, analysiert und bestätigt ein Denken, das andere durch ihre Worte offenbaren. Das Buch rangiert aktuell auf Platz eins der „Spiegel“-Bestseller und ist nach zwei Monaten bereits in der fünften Auflage erschienen.
Eine These ist, dass wir Ostdeutschen eine Identität erhalten haben, die wir nicht selbst bestimmt haben, sondern die uns durch den Westen lediglich zugeschrieben wird. Und dazu zählen, dass wir zu Populismus neigen würden, ein mangelndes Demokratieverständnis hätten und auch Verschwörungsmythen zugewandt wären. Er führt dies in zahlreichen Beispielen aus, und, ja, diese Beispiele reichen bis in die Gegenwart.
Ich will an dieser Stelle gar nicht weiter darauf eingehen, ob das wirklich eine Konstruktion ist oder nicht. Ich will auch gar nicht ständig in ost- und westdeutsch unterscheiden; denn uns eint viel mehr, als uns trennt.
Es gibt aber einen Fakt, der wirklich bemerkenswert ist. Dirk Oschmann ist selbst Ostdeutscher und gehört einem Berufsstand an, der für Ostdeutsche wahrlich selten ist: Er ist Professor an einer Universität. Es gibt nur sehr, sehr wenige Professoren, die eine ostdeutsche Biografie haben, und es gibt verhältnismäßig wenig Ostdeutsche in Führungspositionen. Das ist ein Problem, und das hat historische Gründe. Die Eliten, die mit dem Aufbau unseres Landes nach der Wiedervereinigung betraut waren, waren Westdeutsche. In Sachsen zum Beispiel kamen unsere Kooperationspartner aus Baden-Württemberg, und auch später haben sie eher ihresgleichen gefördert und tendenziell weniger Ostdeutsche. So entstand an manchen Stellen eine gläserne Decke. Genau hier müssen wir ansetzen und überlegen, wie es uns besser gelingen kann, Ostdeutsche in Führungspositionen und Verantwortung zu bringen.
Beifall der Abg. Maja Wallstein [SPD])
Vielfalt und Diversität, das heißt eben auch: Ostdeutsche mitdenken.
Wenn wir jetzt mal auf die aktuelle Debatte zurückkommen, dann müssen wir uns doch genau das vor Augen führen: dass es umso erstaunlicher ist, dass es 16 Jahre lang eine ostdeutsche Bundeskanzlerin gab.
Beifall der Abg. Maja Wallstein [SPD])
Sie selber hat ihre Herkunft dabei nicht in den Vordergrund gestellt. Aber viele Ostdeutsche sind stolz darauf. Wir sind stolz auf ihre Leistungen, die hier und heute noch einmal zu Recht gewürdigt wurden.
Beifall bei der CDU/CSU)
Vielleicht noch einmal zum Thema „erste Bundeskanzlerin“. Dirk Oschmann schreibt übrigens auch: Wenn es um das Durchsetzungsvermögen und die Karriereplanung ging, dann wiederum hatten es ostdeutsche Frauen gegenüber ihren männlichen Kollegen teilweise auch leichter. Denn sie waren es gewohnt, sich zu behaupten und Beruf und Familie miteinander in Einklang zu bringen, und sie waren auch in den naturwissenschaftlichen Berufen präsent. Dass nun auch eine Frau Kanzlerin wurde – das kann ich Ihnen versichern –, hat Frauen in Ost und West gleichermaßen gefreut und unter den meisten Frauen für größte Bewunderung gesorgt. Ihre Führungsstärke, ihre internationalen und europäischen Verdienste, ihre Zuverlässigkeit, dies gilt es zu würdigen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Noch einmal zur Chronologie. Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel – die drei Bundeskanzler mit den längsten Amtszeiten, die drei herausragenden Vorsitzenden der CDU und die drei Träger des Großkreuzes in besonderer Ausführung. Die vorangegangene Debatte hat doch gezeigt, dass niemand, der sich ernsthaft mit der deutschen Geschichte und Politik auseinandersetzt, diese Verleihung infrage stellt.
Vielmehr nutzt die AfD zum wiederholten Male eine Aktuelle Stunde für plumpe Polemik, für Populismus und Hass.
Zuruf von der AfD: Und Hetze!)
Ein letztes Mal wollen Sie sich an Angela Merkel abarbeiten – einer Frau, die Sie unabhängig jeder Objektivität zum Feindbild Ihrer Partei erkoren haben. Das ist und bleibt armselig.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es sind Neid und Niedertracht, die aus Ihren Redebeiträgen strotzen, weil Adenauer, Kohl und Merkel so viel mehr für Deutschland erreicht haben, als die AfD in Gänze jemals erreichen wird.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es lässt sich also zusammenfassen: Unter Konrad Adenauer wurde die Bundesrepublik Deutschland aus den Trümmern des Zweiten Weltkrieges wiederaufgebaut, unter Helmut Kohl wurde das geteilte Deutschland wiedervereint, und unter Angela Merkel wuchs zusammen, was zusammen gehört.
Beifall bei der CDU/CSU)