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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mal die Frage angehen: Was ist eigentlich ein Netz, und wann funktioniert es und wann nicht? Ich glaube, morgen werden einige von uns feststellen, wie ein Straßennetz funktioniert. Wenn nämlich Bahnstreik ist und auf einmal sehr, sehr viele Leute gleichzeitig mit dem Auto fahren, dann stehen wir im Stau. Der eine oder andere hat im letzten Jahr gelernt, wie ein Bahnnetz funktioniert. Wenn das 9-Euro-Ticket am ersten langen Wochenende von ultravielen Menschen genutzt wird, um mit dem Regionalexpress an die See zu fahren, dann bricht das Bahnnetz zusammen. Es ist sogar mit dem Internet so: Sie wissen, wenn alle gleichzeitig zu viele Daten saugen, bekommt man ein Problem.
Beim Stromnetz ist es ähnlich. Das heißt: Wenn in Deutschland 48 Millionen Autos jeden Tag um 18 Uhr mit voller Power ans Stromnetz angeschlossen werden, dann kann das nicht funktionieren. Das kann nur dann funktionieren, wenn wir Stromleitungen in einer Art und Weise dimensionieren, dass es total unwirtschaftlich ist. Das wissen, glaube ich, auch die meisten hier in diesem Raum. Dennoch behauptet die AfD ständig, dass hier irgendwas abgeschaltet wird. Das ist totaler Quatsch.
Nein! Sie haben doch gerade eben gesagt, dass nicht jeder gleichzeitig laden kann, also es rationiert wird! Was bedeutet Rationierung anderes als Abschalten?)
In einem Netz müssen Sie Verkehre steuern. Verkehre steuern bedeutet, dass Sie diese 48 Millionen Autos so über Nacht aufladen, dass alle Akkus morgens voll sind.
Eben nicht alle voll sind! Kommt ja darauf an, wie viel Strom da ist!)
Das ist genau das, wofür wir ein intelligentes Netz, ein Smart Grid, brauchen.
Das hilft uns im Übrigen in dieser Situation, die wir durch die vielen erneuerbaren Energien haben, am Ende auch, die großen Strommengen, die durch Wind und Sonne erzeugt werden, unterzubringen, die wir heute teilweise für einen negativen Energiepreis loswerden. Ich höre immer wieder von Leuten, die sagen: Wir müssen jetzt riesige Pumpspeicherwerke bauen. – Ich fahre manchmal mit dem ICE am Koepchenwerk in Hagen vorbei, heute ein Industriedenkmal. Da sieht man die Ausmaße von solch einem Pumpspeicherwerk. Das braucht man ganz sicher nicht. Denn das, was wir brauchen, steht bei uns allen zu Hause.
Wir haben 48 Millionen Kühlschränke in Deutschland. Wir haben 48 Millionen Waschmaschinen in Deutschland. Wir haben 48 Millionen Spülmaschinen in Deutschland. Jetzt stellen Sie sich einmal vor: Alle diese Kühlschränke beginnen immer in dem Moment, wo zu viel Sonnen- und Windenergie im Netz ist, den Kühlschrank um zwei, drei Grad herunterzukühlen und damit die Kälte ein Stück weit zu speichern. Die Spülmaschinen laufen genau dann, wenn ich zu viel Strom im Netz habe, und die Waschmaschinen ebenfalls. Damit können wir das konkrete Speicherproblem, das wir haben, ziemlich gut lösen.
Jetzt komme ich zu diesem Gesetzentwurf, der hier heute vorliegt. Genau dieses Problem wird hier allerdings gar nicht richtig gelöst. Denn wenn ich jetzt mit meiner Frau darüber spreche, wie sie die Spülmaschine programmiert,
dann sieht die Wirklichkeit heute so aus: Man muss anfangen, zu rechnen.
Ich programmiere meine Spülmaschine selber!)
– Herr Kollege, ich programmiere meine Spülmaschine auch selber,
Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD
Das klang gerade anders!)
das machen wir aber hälftig; ich hoffe, das wird bei Ihnen ähnlich sein.
Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU
Bei uns programmiert die KI die Spülmaschine!)
Ich würde mich allerdings als technologieaffinen Menschen bezeichnen, der auch anfängt, abends zu rechnen: Wann ist der ideale Zeitpunkt, zu dem das Ding beginnt? Wie lange wird die wohl laufen? Wie lange braucht sie zum Trocknen? Wann muss das fertig sein? Ich rechne mir die Zeit aus und programmiere entsprechend. Ich glaube, dass 90 Prozent der Menschen in Deutschland keine Lust haben, abends zu rechnen, wie man was für wann programmieren muss, und 17 Tasten zu drücken. Bei der Waschmaschine ist das ähnlich, und bei meinem Kühlschrank habe ich gar keine Möglichkeit, so etwas zu steuern.
Sie müssen bei dem, was Sie heute machen, die Nutzer mitnehmen. Sie haben die Nutzer aber nicht mitgenommen; denn es ist zu kompliziert. Am Beispiel Spülmaschine merken Sie: Es ist viel zu kompliziert. Das machen nur wenige. – Und das fehlt in diesem Gesetz: Sie haben keine Schnittstelle definiert, wie Sie in diese Kühlschränke, Waschmaschinen oder was auch immer hereinkommen. Sie bekommen zwar eine Information, aber Sie nutzen sie nicht, um zu steuern. Deshalb ist diese Gesetz total unambitioniert.
Es ist auch deshalb unambitioniert – der Kollege hat ja schon gesagt, wir werden dem heute zustimmen; denn es macht nichts kaputt –, weil es das Problem eben nur teilweise löst. Mir hat ein Start-up gesagt: Wir haben eine Funktion eingebaut, wo über ein Zusatzgerät sekundenweise der Stromverbrauch erfasst wird. Mit dem merkt man auch, wenn bei den Eltern, die vielleicht schon über 80 sind und die immer morgens um 9 Uhr die Kaffeemaschine laufen haben, auf einmal um 9 Uhr die Kaffeemaschine nicht läuft. Dann bekommen die Kinder eine Info: Es gibt da vielleicht ein Problem. Es gibt Start-ups, die gucken: „Wie viel Strom braucht denn Ihr Kühlschrank?“ – man kann das auslesen – oder: „Wie viel Strom braucht Ihre Waschmaschine?“ und Ihnen dann den konkreten Vorschlag machen: Kauf doch ein neues Gerät, und du sparst 180 Euro!
Das geht mit diesen Smart-Meter-Gateways aber alles nicht, weil die nur alle Viertelstunde eine Information bekommen. Alle diese tollen Funktionen von Ambient Assisted Living bis hin zu der Frage „Kann ich den Nutzern Empfehlungen geben?“ gibt es nicht.
Das ist aber Update-fähig!)
Nehmen wir mal das Gutachten des Umweltbundesamts. Da steht ganz vorn als zentrale Botschaft: Der Smart-Meter-Roll-out führt „nicht automatisch zu positiven Umwelteffekten“. Vielmehr sagt das UBA: „… insbesondere ein differenziertes und verständliches Feedback an die Nutzer*innen“ ist entscheidend. Genau das fehlt Ihnen. Sie machen es für die Leute viel zu kompliziert. Sie lassen was in die Keller einbauen, womit keiner richtig was anfangen kann. Und wenn sie es für sich nutzbar machen wollen, müssen sie Zusatzgeräte einbauen, die am Ende per WLAN auf Geräte in ihrer Wohnung zugreifen sollen. Bei jedem Menschen, der in einem größeren Haus wohnt, ist das technisch gar nicht mehr möglich. All diese Probleme haben Sie vergessen zu adressieren.
Wir werden heute diesem Gesetz zwar durchaus zustimmen, aber ich will Ihnen deutlich zurufen: Um das Problem zu lösen, –
Herr Kollege, kommen Sie jetzt zum Schluss.
– um einen wirklichen Neustart in der Digitalisierung zu machen, sind Sie viel zu unambitioniert und viel zu kompliziert.
Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Jarzombek. – Was für ein Leben, jeden Abend zu Hause zu sitzen und den Kühlschrank zu programmieren!
Heiterkeit)
Nächster Redner ist der Kollege Timon Gremmels, SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)