Zwischenrufe:
4
Beifall:
7
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete der demokratischen Fraktionen! Jedes Jahr arbeiten in Deutschland rund 70 000 Menschen als
Saisonbeschäftigte in der Landwirtschaft. Viele von ihnen kommen dafür extra aus dem Ausland hierher. Die Erntearbeit ist körperlich anstrengend und schlecht
bezahlt, weswegen sich hier kaum noch Menschen finden, die sie machen wollen. Diese Arbeit ist aber wichtig. Deshalb ist es auch in Ordnung, dass Landwirte und
Landwirtinnen auf Saisonbeschäftigte zurückgreifen. Es gibt aber einzelne Landwirtinnen oder Landwirte, die die Situation dieser Beschäftigten ausnutzen und sie
besonders krass ausbeuten. Herr Straubinger, Sie können jetzt sagen: „Da gibt es ein Vollzugsdefizit“, und das so stehen lassen, oder Sie können sich darum
kümmern, wie wir dafür sorgen, dass diese Arbeitsbedingungen besser werden.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Carl-Julius Cronenberg [FDP])
Ich will hier von einem Spargelbauer aus dem Rheinland erzählen, bei dem nicht nur der Name, sondern auch die Arbeitsbedingungen mittelalterlich sind.
Jedes Jahr heuert er Saisonbeschäftigte aus dem Ausland an, die er in Baracken pfercht, die man kaum als Wohnung bezeichnen kann.
Zurufe von der CDU/CSU: Oh!
– Gehen Sie mal da rein, dann werden Sie sehen, dass das Baracken sind. – Das hindert diesen Spargelbauer aber nicht daran, seinen Beschäftigten für
diese Baracken eine Miete vom Lohn abzuziehen, um so den gesetzlichen Mindestlohn zu unterschreiten – ein in der Branche nicht einmaliges Vorgehen.
Aber unser Spargelbauer geht noch ein Stück weiter.
Zuruf von der CDU/CSU: Von wegen Spargelbauer!)
Er behält vom Lohn nicht nur die Miete ein, sondern auch die Lohnsteuer. – Wenn Sie sich fragen, von wem ich rede: Das können Sie googeln; das ist
nicht schwer zu finden. – Die Beschäftigten sprechen kaum Deutsch; sie kennen das deutsche Steuerrecht nicht, Frau Schimke, und wissen deshalb nicht, dass bei
kurzfristiger Beschäftigung überhaupt keine Lohnsteuer anfällt, die unser Spargelbauer aber einbehält. Unser Spargelbauer ist nichts anderes als ein gemeiner
Dieb, der seinen Beschäftigten den Lohn aus der Tasche stibitzt.
Zuruf von der CDU/CSU: Dafür haben wir gesetzliche Regelungen!)
Jetzt ist er nicht nur beim Lohn besonders sparsam. Als ein Feldarbeiter während der Arbeit auf dem Feld einen Bandscheibenvorfall bekam, hat er ihn
auf dem Feld liegen gelassen. Kollegen haben ihn dann ins Krankenhaus gebracht, was dazu geführt hat, dass der Spargelbauer noch behauptet hat, das Ganze wäre
nicht während der Arbeit passiert, nur um sich davor zu drücken, dass seine Versicherung dafür einspringen muss.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich erzähle hier von einem Einzelfall.
Zurufe von der CDU/CSU: Ach!
Zum Glück springen längst nicht alle Landwirtinnen und Landwirte so mit ihren Beschäftigten um. Aber dieser Einzelfall zeigt uns doch, wie richtig und
dringend nötig es ist, eine Krankenversicherung für Saisonbeschäftigte ab dem ersten Tag einzuführen, genauso, wie es im Koalitionsvertrag steht.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Dieser Fall zeigt uns aber noch etwas. Wenn wir in der Ernte auf Arbeitsbedingungen angewiesen sind, unter denen kaum noch ein Mensch arbeiten will,
dann sollten wir uns die grundsätzliche Frage stellen: Wie wollen wir in unserer Gesellschaft die Produktion von frischem Obst und Gemüse organisieren, und
welche Arbeitsbedingungen halten wir da für angemessen? Frau Schimke, ein Satz noch zu Ihnen: Wenn Sie jetzt davon sprechen, dass wir uns hier
Arbeitsbedingungen leisten würden, die einen zu hohen Standard hätten, dann lassen Sie damit nicht nur erkennen, dass Sie das kriminelle Verhalten Einzelner
unterstützen,
Zuruf von der CDU/CSU: Das ist eine Unterstellung!)
sondern auch, dass die Menschen, die auf dem Feld arbeiten, Ihnen den Dreck nicht wert sind, in dem Sie sie rumwühlen lassen.
Entschuldigen Sie sich jetzt bitte!
Gegenruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Er hat doch recht!)
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Deshalb, meine Damen und Herren: Wenn Sie das nächste Mal im Supermarkt ein Schild lesen, auf dem „regionale Erzeugung“ steht, denken Sie daran:
Dieses Obst und dieses Gemüse gäbe es nicht ohne die Saisonbeschäftigten.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Informieren statt skandalisieren!)