- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. Zu den größten gehört ohne Frage die aktuelle Energiekrise, und die Folgen werden immer sichtbarer. Deutschland ist gefangen in einer Welt mit schwachem Wachstum und hoher Inflation. Schlimmer noch: Die Wirtschaftsleistung ist im Schlussquartal des vergangenen Jahres bereits deutlich gefallen – minus 0,4 Prozent –, und die Zahl der Insolvenzen nimmt seit November 2022 spürbar zu. Die Gefahr einer Rezession ist trotz aller hohen Gesänge hier so hoch wie lange nicht. Meine Damen und Herren, der von der Ampel aufs Gleis gesetzte Zug der Deindustrialisierung nimmt erkennbar Fahrt auf.
Zurufe von der SPD: Oah!)
Was ist da jetzt zu tun? Im Gesetzentwurf können wir viel dazu lesen. Ich möchte hier nur einen Punkt beleuchten, nämlich die Nutzung der Kernenergie. Noch vor einem Jahr – vor einem Jahr! – wäre es leicht möglich gewesen, einen Beschluss für den Weiterbetrieb von sechs Kernkraftwerken zu fassen.
Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das wäre ein starkes Signal vom Kanzler gewesen, und es hätte das Klima geschützt – das klang hier ja auch schon mehrfach an –, aber Sie verstromen lieber Kohle. Die Ampel kann jetzt nach Europa melden: Brüssel, wir sind unfit for 55.
Beifall bei der CDU/CSU)
Aber die gute Nachricht ist: Es ist noch nicht zu spät. Verlängern Sie jetzt die Laufzeit der bestehenden Kernkraftwerke! Damit wäre Deutschland übrigens in bester Gesellschaft. Fast überall auf der Welt wird derzeit über die Nutzung von Kernkraft aus Klimaschutzgründen wieder nachgedacht, zumindest so lange, wie es braucht, bis die erneuerbaren Energien ausgebaut sind. Frankreich hat gerade eine Koalition der Willigen gegründet. Elf Länder sind dabei, aber wir natürlich nicht.
Sie sprechen hier im Parlament immer vom klimaneutralen Wohlstand. So einfach ist das aber nicht. Wohlstand ist nicht das Ergebnis einer „Wünsch dir was“-Veranstaltung. Wohlstand muss hart erarbeitet werden. Er ist das Ergebnis von kluger und nicht von einseitiger Politik, von steigender Produktivität und vor allem von Menschen, die das alles möglich machen. Das ist die Erfahrung der letzten 70 Jahre. Klimaneutraler Wohlstand ist kein Selbstläufer. Seien Sie ehrlich zu den Menschen, und geben Sie zu, dass es so, wie Sie die Klimawende machen, auch die Gefahr eines Scheiterns gibt – weil Sie ganz bewusst alles auf eine Karte setzen und nicht technologieoffen agieren.
Viele Firmen werden diese Unsicherheit nicht hinnehmen. Im günstigsten Fall werden sie weniger investieren. Im schlimmsten Fall werden sie abwandern oder schließen. Solche Entwicklungen gilt es jetzt zu verhindern.
Herr Kollege Wiener.
Deshalb: Schließen Sie sich unserem Gesetzentwurf an.
Beifall bei der CDU/CSU)
Erlauben Sie eine Zwischenfrage, oder waren Sie mit Ihrer Rede jetzt zu Ende?
Das war der Schlusssatz!)
War das der Schlusssatz?
Das war der letzte Satz. Ich hatte noch elf Sekunden.
Dann können wir die Zwischenfrage zulassen, und Sie können auf jeden Fall noch antworten.
Von wo kommt sie denn?
Von den Grünen.
Herr Ebner, Harald!
Lieber Kollege Wiener, Sie haben gesagt: Die ganze Welt tickt da anders und ist auf dem Atompfad. – Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass derzeit mehr Atommeiler vom Netz gehen, als neu zugebaut werden? Würden Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass es mehr Projekte gibt, die aufgrund der fehlenden Finanzierung und aufgrund der viel zu langen Zeitläufe scheitern, als dass tatsächlich neue Atomkraftwerke errichtet werden, und dass die Kosten für diese Technologie so gigantisch sind, dass sie ohne staatliche Unterstützung überhaupt nicht zu bewältigen sind?
Was ist denn mit Solar und Wind?)
Und weil Sie Frankreich zitiert haben: Würden Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass Frankreich derzeit im Winter und im letzten Sommer auf Stromimporte aus Deutschland angewiesen war,
Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])
weil dort fast die ganze Atomreaktorflotte stillsteht, weil es in den Flüssen zu wenig Wasser gibt?
Und wie sieht es heute aus?
Heute sieht es noch schlimmer aus!)
Die Prognosen sind noch schlimmer. Denn die Niederschlagsverhältnisse sind so, dass in diesem Sommer voraussichtlich noch weniger Wasser in den französischen Flüssen sein wird als im letzten Sommer, sodass auch dort die Atomkraftwerke nicht wieder ans Netz gehen können. Außerdem sind neue Fehler, neue Risse in den Rohrsystemen von Atomkraftwerken in Frankreich aufgetaucht, mit denen bislang niemand gerechnet hatte. Wir haben es also mit einer Technologie zu tun, mit der wir weltweit nach dem Motto „Learning by Doing“ umgehen.
Das ist ja schon eine eigene Rede jetzt!)
Im Nachhinein erkennen wir immer, dass es Fehler waren, die nicht bewältigbar sind.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Lieber Herr Ebner, was die Anzahl der Kraftwerke angeht, so ist das, was Sie jetzt zitieren, natürlich ein Blick in den Rückspiegel. Ja, es gibt lange Vorlaufzeiten, Genehmigungszeiten. Ich will die Länder hier nicht noch mal alle aufzählen, die gerade wieder Beschlüsse fassen, entweder bestehende Kernkraftwerke weiterlaufen zu lassen oder neue zu bauen. Also, wenn Sie in einem Jahr noch mal darauf gucken, wenn Sie in fünf Jahren noch mal darauf gucken, dann werden Sie sehen – ich biete Ihnen eine Wette an; wir hatten hier gerade schon mal das Thema Wette –, dass die Zahl nicht weiter zurückgegangen ist, sondern dass sie nach oben gegangen ist.
Was die Kosten angeht, argumentieren Sie immer mit den absoluten Zahlen. Aber worüber reden wir denn? Wir reden über den Weiterbetrieb von drei Kernkraftwerken, und da sprechen wir über Grenzkosten. Diese Grenzkosten sind so niedrig wie in keinem anderen Bereich. Das heißt, der Weiterbetrieb würde uns so gut wie gar nichts kosten.
Zu Frankreich sage ich auch wieder: der Blick in den Rückspiegel.
Im letzten Sommer war das Wasser niedrig. Was erleben wir denn? Von den 56 Kernkraftwerken waren in der Tat nur etwas mehr als 20 am Netz, aber wir sind wieder bei 44. Und ich sage Ihnen: Wenn das mit der Politik hier so weitergeht, dann werden wir wieder Strom aus Frankreich importieren und nicht andersrum.
Ich wette dagegen!)
Nur weil das im letzten Sommer einmal andersrum war, können Sie daraus kein Gesetz machen.
Quatsch! So ein Blödsinn!)
Vielen Dank.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Vielen Dank. – Dann haben wir den letzten Redner in dieser Debatte. Das ist für die SPD-Fraktion Robin Mesarosch.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)