- Bundestagsanalysen
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Als ich gestern nachgedacht habe, was ich in dieser Debatte sagen werde, lief gerade im Hintergrund das ZDF-Politmagazin „Frontal 21“ und dort – geradezu wie bestellt – ein Bericht über den Nord-Stream-Anschlag und die Spurensuche in der Ostsee. Der hochinteressante Beitrag machte noch einmal deutlich, was für ein hohes Gut freie Medien sind und erst recht unser öffentlich-rechtlicher Rundfunk mit seinem Bildungs- und Informationsauftrag. Er recherchiert, klärt auf, berichtet aktuell, versucht, Beweise zu erbringen, und spricht auch unangenehme Wahrheiten aus. Während Sie von der AfD die freien Medien am liebsten verbieten möchten,
Reine Unterstellung!)
schätzen wir unsere öffentlich-rechtlichen Medien sehr.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Philipp Hartewig [FDP])
Nun sind wir hier aber im Deutschen Bundestag und nicht beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Man muss feststellen, dass die AfD-Fraktion mit ihrem Antrag den Deutschen Bundestag missbraucht: vor gut vier Wochen, als es schon einmal eine Aktuelle Stunde auf Verlangen der AfD-Fraktion zum Thema „Anschläge auf deutsche und europäische Infrastruktur“ gab, und auch heute, wenn die AfD einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf Nord Stream einsetzen will. Warum? Die AfD stößt sich an der sachlichen Zurückhaltung der Bundesregierung in der Kommentierung des Anschlags und heuchelt, dass dieses Schweigen ein Nährboden für Gerüchte und Verschwörungstheorien sei. Doppelt falsch!
Erstens. Wo ist denn das ewige Schweigen der Bundesregierung zum Anschlag?
Lachen des Abg. Jörn König [AfD])
Und was sollte die Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt denn erklären? Der Generalbundesanwalt hat ein umfangreiches Verfahren eingeleitet, und er ermittelt. Es ist nicht die Aufgabe des Deutschen Bundestags, diese Ermittlungen zu kommentieren, Zwischenstände öffentlich zu debattieren oder Untersuchungsausschüsse einzurichten, um laufende Untersuchungen von Ermittlungsbehörden zu hintertreiben.
Beifall bei der SPD sowie der Abg. Leon Eckert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Philipp Hartewig [FDP])
Zweitens. Nicht dieses angebliche Schweigen nährt Gerüchte, sondern Sie und Ihresgleichen, und zwar mit voller Absicht. Das muss man sich doch mal vorstellen! Sie wollen aus eigennützigen, propagandistischen und populistischen Gründen die Behörden und ihre Mitarbeiter mit falschen Mutmaßungen, die Sie nicht beweisen können, unter Druck setzen. Sie unterstellen wahrheitswidrig, dass die Ermittlungsbehörden nicht willens sind, die Explosionen an der Nord-Stream-Pipeline aufzuklären.
Sind Sie tatsächlich derart verwirrt? Es scheint so. Denn statt seriöser Quellen setzen Sie manipulativ auf einen ehemaligen US-Journalisten,
Pulitzer-Preisträger!)
der in seinem Blog im Internet ohne jeden Beleg und unter Berufung auf eine einzige, dazu noch anonyme Quelle behauptet, dass die USA zusammen mit Norwegen für den Anschlag verantwortlich seien. Oder war es vielleicht doch die Ukraine, wie letzte Woche berichtet? Oder ist es gar eine Aktion, um falsche Spuren zu legen und die Bots in Sankt Petersburg zu füttern? Sie verklären Vermutungen zu vermeintlichen Fakten, polemisieren und diskreditieren.
Können Sie ja aufklären im Untersuchungsausschuss! Können Sie alles aufklären, wenn Sie wollen!)
Allein dies ist Ihnen Motivation genug. Das kennen wir alles von Ihnen seit zu vielen Jahren.
Aber die AfD will jetzt einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einrichten zu der Frage, ob die Bundesregierung die Dementi der USA und Russlands hinsichtlich der Täter des Angriffs für glaubwürdig hält. Sie beeinflussen die Ermittlungen, indem Sie die Aussage des Generalbundesanwalts Peter Frank isoliert darstellen und suggerieren, dass die Ermittler bisher keine Belege für eine Urheberschaft Russlands hätten. Warten Sie doch ab, und überprüfen Sie Ihre Vasallentreue zu Putins Russland. Wir lassen nicht zu, dass Sie den Bundestag und einen Untersuchungsausschuss instrumentalisieren.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Der Anschlag auf Nord Stream muss selbstverständlich gründlich und sorgfältig aufgeklärt werden – mit allen rechtlichen und politischen Konsequenzen. Das aber macht bereits der Generalbundesanwalt. Das ist keine Aufgabe für den Bundestag und einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
Im Beitrag des ZDF-Politmagazins „Frontal 21“ wurden die bisherigen Erkenntnisse von verschiedenen Fachleuten kommentiert und bewertet. Er endete mit: Der Krimi bleibt vorerst ungelöst. – Ja, die Ermittlungen sind in diesem besonderen Krimi nicht in einer Folge abgeschlossen, ein Cliffhanger. Die Ermittler arbeiten weiter, und das sollten auch wir Abgeordnete tun, aber nicht, indem wir unbelegten bis abstrusen Behauptungen aufwendig in Untersuchungsausschüssen nachgehen oder Ermittlungsergebnissen von Behörden vorgreifen.
Die Tätigkeit der AfD und ihrer Abgeordneten liefert mehr Stoff für Untersuchungen, als unserem Rechtsstaat lieb sein kann.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Philipp Hartewig [FDP])
Ich verlasse mich deshalb auf unsere Ermittlungsbehörden. Ich verlasse mich darauf, dass Ihre Aktivitäten immer im Blickfeld der demokratischen Öffentlichkeit und der Sicherheitsbehörden sind. Ich verlasse mich darauf, dass unser Staat nie blind auf dem rechten Auge wird.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)
Was die Fraktion der AfD hier betreibt, ist an Desinformation und Tatsachenverbiegung kaum zu überbieten und nur verabscheuenswert. Sie werden damit auch dieses Mal nicht durchkommen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Philipp Hartewig [FDP])
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der fraktionslose Abgeordnete Robert Farle. Und, Herr Kollege Farle, ich bitte Sie aus gegebenem Anlass darum, diesmal die Zeit zu beachten.
Jetzt spricht Radio Moskau!)