- Bundestagsanalysen
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Sanktionenrechts hat angesichts fehlender neuer Ideen viel zu lange auf sich warten lassen. Endlich – man kann es nur so sagen: endlich! – geht die Regierung das Problem der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Als Zweites wird bei der Strafzumessung wieder einmal das Gesinnungsstrafrecht ausgeweitet. Drittens arbeitet sich der Gesetzentwurf wieder einmal an einem Lieblingsthema der Linken aller Couleur ab, und zwar an der Ersatzfreiheitsstrafe. Und als vierten Punkt haben wir das Thema „Auflagen und Weisungen“.
Zum ersten Punkt. Seit Jahren sind die Probleme im Maßregelvollzug ebenso bekannt wie akut. Die Anzahl der Personen, die im Maßregelvollzug untergebracht sind, steigt seit Jahren. Egal ob in Berlin oder in Baden-Württemberg: Überall fehlen Plätze mit der Folge gnadenlos überbelegter Einrichtungen. Zur Entlastung sieht der Gesetzentwurf der Regierung vor, die Anordnungsvoraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt deutlich zu verschärfen. Gut, aber warum erst jetzt, wo der Reformbedarf doch unbestritten ist? Die Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe liegen seit November 2021 vor. Die Union brachte vor zehn Monaten einen entsprechenden Gesetzentwurf ein, und jetzt sieht der Gesetzentwurf der Regierung nahezu wortgleich Änderungen in § 64 und § 67 StGB vor, die erst im Dezember von der Regierungsmehrheit abgelehnt wurden. Das ist eine Verhöhnung all derer, die im Maßregelvollzug leiden, egal ob Mitarbeiter oder Untergebrachte.
Beifall bei der AfD)
Wenn zukünftig weniger Menschen mit Suchtproblematik in die Unterbringung gehen, bedeutet dies umgekehrt, dass sie vermehrt im regulären Strafvollzug einsitzen. Von diesen Personen geht eine große Gefahr für Mitgefangene und für Bedienstete aus, weil sie deutlich enthemmter und gewaltbereiter sind. So wichtig die Entlastung des Maßregelvollzugs ist: Hierdurch verschärfen sich die Probleme im regulären Vollzug. Auch wenn die Länder da gefordert sind: Gehört haben wir dazu vom Minister nichts.
Handlungsbedarf sieht die Regierung auch bei der Strafzumessung. § 46 Absatz 2 StGB soll um „geschlechtsspezifische“ sowie „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive erweitert werden – also überflüssige Gesinnungsjustiz; denn derartige Motive könnten schon immer strafschärfend berücksichtigt werden. Und: Im Ergebnis gibt es weniger Opferschutz, weil der Fokus in eine falsche Richtung gelenkt wird, egal wie verwerflich ein Motiv ist. Ein Täter ist gefährlich, weil er dem Opfer körperlich überlegen ist oder ein Messer oder eine andere Waffe einsetzt. Die echte Gefahr geht nicht von den Motiven aus, sondern von der Gewaltbereitschaft und ‑fähigkeit des Täters.
Beifall bei der AfD)
Gefährlich ist, wer ein Messer mitführt und keine Hemmungen hat, es einzusetzen. Ob dann zugestochen wird, weil jemand Frauen hasst, oder der Täter sich abreagiert, weil es mittags keinen Schokopudding gab, ist zweitrangig. Oftmals wird man gar feststellen, dass der Messermann ohne Pudding sogar viel gefährlicher ist als der frauenhassende Messermann.
Über die geplanten Änderungen bei den Auflagen und Weisungen kann man reden. Eine ambulante Therapie kann sogar Vorteile bringen, wird aber ohne eigene Therapiemotivation des Verurteilten oft erfolglos bleiben. Der Entwurf blendet völlig aus, dass das Hauptproblem bei Auflagen und Weisungen in der notwendigen Überwachung besteht. Jede Ausweitung bedeutet, es braucht mehr Richter und Staatsanwälte. Bewährungsauflagen bleiben immer ein stumpfes Schwert, wenn auf Nichterfüllung oder Verletzung kein Bewährungswiderruf erfolgt.
Intellektueller Wackelpudding!)
Dann wieder einmal die Ersatzfreiheitsstrafe. Nachdem wir hier bereits über ihre systemwidrige Abschaffung diskutieren mussten, geht es nun um eine Änderung des Umrechnungsmaßstabes von Geldstrafe in Ersatzfreiheitstrafe. Inwiefern dies zur Vermeidung der Ersatzfreiheitstrafe oder zur Verbesserung der Resozialisierung beitragen soll, ist unklar. Die betroffenen Straftäter werden einfach nur kürzer in Haft sein. Zur Vermeidung der Ersatzfreiheitstrafe bietet unsere Rechtsordnung aber jedem Straftäter genügend Möglichkeiten. Die vorgeschlagene Änderung ist – da bin ich eins mit dem Bund Deutscher Kriminalbeamter – völlig überflüssig und wird die Bereitschaft zur Bezahlung der Geldstrafe sicherlich nicht erhöhen. Die AfD-Fraktion lehnt diesen Gesetzentwurf ab.
Vielen Dank.
Beifall bei der AfD)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich erteile nunmehr das Wort dem Beauftragten der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, Sven Lehmann.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)