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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und liebe Zuschauer! Wir starten heute eine historische Reform; denn dieser
Gesetzentwurf enthält eine Überarbeitung der Ersatzfreiheitsstrafe. Das ist längst überfällig. Zehnmal ist es probiert worden, zehnmal ist es gescheitert. Wir
machen es jetzt, und es wird höchste Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Was hat es mit der Ersatzfreiheitsstrafe auf sich? Wenn jemand zu einer Geldstrafe verurteilt wird, die er aber nicht bezahlen kann oder bezahlen
will, dann tilgt er diese Geldstrafe durch Hafttage. Es gibt immer wieder die Frage, ob man dieses Instrument überhaupt braucht. Ich will sagen: Ja, wir können
darauf nicht verzichten. Wir wissen das; das ist faktenbasiert nachgewiesen. In Schweden etwa sind im Jahr 2015 über 40 Prozent der Geldstrafen über die Jahre
verjährt. Warum? Weil Schweden versucht hat, faktisch ohne das Instrument der Ersatzfreiheitsstrafe auszukommen. Aber der Rechtsstaat kann es doch nicht
akzeptieren, wenn in einer bestimmten Kategorie von Strafurteilen fast die Hälfte dieser Urteile konsequenzlos im Raum verhallt. Das kann sich der Rechtsstaat
nicht leisten.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Ersatzfreiheitsstrafe ist ein notwendiges Instrument.
Wir müssen diese Strafe aber ändern, weil der Umrechnungsmaßstab von Geldstrafe in Hafttage einfach nicht passt; denn 24 Stunden Haft, 24 Stunden
Verlust der persönlichen Freiheit, auch der Bewegungsfreiheit, wiegen natürlich schwerer als der ökonomische Gegenwert von sechs bis acht Stunden Arbeit.
Deshalb werden wir diesen Umrechnungsmaßstab verändern, und zwar orientiert an dem, was Expertinnen und Experten bereits seit vielen Jahren vorschlagen: Wir
halbieren diesen Umrechnungsmaßstab, und damit werden wir aus der grundrechtlichen Perspektive dem Anspruch der Betroffenen auf Freiheit wesentlich gerechter
und können trotzdem einen Anreiz setzen, die Haftstrafe durch Zahlung der Geldstrafe zu vermeiden.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir tun aber noch mehr als das: Wir sorgen dafür, dass wir Ratenzahlungsangebote machen.
Zuruf von der CDU/CSU: Das gibt es doch alles schon!)
Wir sorgen dafür, dass durch die Ableistung sozialer Arbeit Ersatzfreiheitsstrafen vermieden werden können. Wir sorgen dafür, dass Menschen, die
Sprachprobleme haben, in einer Sprache, die sie verstehen, über diese Möglichkeit aufgeklärt werden. Wir stärken auch die Träger sozialer Arbeit und die
Gerichtshilfe in dem Bemühen, möglichst eine Ersatzfreiheitsstrafe zu vermeiden. Denn wenn jemand zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist, dann müsste es
unser aller Ziel sein, dafür zu sorgen, dass diese Geldstrafe möglichst auch bezahlt wird und die Menschen dafür nicht ins Gefängnis wandern.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Diese Reform entlastet auch die Länder finanziell massiv. Wir gehen davon aus, dass die Ersatzfreiheitsstrafe im Jahr Gesamtkosten von etwa
200 Millionen Euro verursacht. Diesen Betrag kann man natürlich nicht einfach halbieren, weil es auch fixe Kosten gibt, die sich nicht ändern. Aber wir können
davon ausgehen, dass ein substanzieller zweistelliger Millionenbetrag an Entlastung für die Länder ansteht. Meine Erwartungshaltung ist, dass diese Einsparungen
nicht in den allgemeinen Länderhaushalten versickern, sondern dass dieses Geld in der Justiz bleibt und genutzt wird, weil es eine strukturelle Entlastung ist,
auch um die Justiz personell und sachlich zu stärken. Diesen Appell richte ich an die Länder von dieser Stelle.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir tun mit unserem Reformvorschlag aber noch mehr: Wir verbessern den Maßregelvollzug. Sie wissen alle: Ein wichtiges Element sind
Entzugseinrichtungen, weil es auch immer wieder Menschen gibt, die straffällig geworden sind, auch im Zusammenhang oder aufgrund ihrer Drogen- oder
Alkoholkrankheit. Deshalb ist es im Interesse der Resozialisierung, dass diese Einrichtungen gut funktionieren.
Sie sind aber in den letzten Jahren bis an den Rand ihrer Arbeitsfähigkeit gebracht worden, weil es gewissermaßen einen Run auf diese Einrichtungen
gab; es gibt nämlich einen Fehlanreiz: Viele haben sich dort gemeldet, die gar nicht therapiefähig und ‑willig sind. Sie sind dort gelandet, weil es da einfach
schnellere Möglichkeiten zur Entlassung gab. Deshalb haben wir die Voraussetzungen nachgeschärft. Wir sorgen dafür, dass diese wichtigen Einrichtungen besser
arbeiten können, dass sie sich konzentrieren auf diejenigen, die therapiefähig und ‑willig sind. Auch das stärkt die Resozialisierung und diese wichtigen
Einrichtungen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Schließlich nehmen wir eine wichtige Änderung im Strafzumessungsrecht vor, nämlich bei den sogenannten menschenverachtenden Motiven für Straftaten.
Wenn in diesem Land jemand meint, dass er eine Frau schlagen oder umbringen kann, weil sie ein Mensch zweiter Klasse wäre, weil er glaubt, dass sie sein
Eigentum wäre, oder weil es sonst irgendeinen Grund geben soll, warum man Frauen nicht genauso respektieren sollte wie Männer, dann können wir dies in Zukunft
als strafschärfendes Motiv in der Strafzumessung besser berücksichtigen. Und das ist, glaube ich, richtig so.
Beifall bei der FDP, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Das gilt genauso für schwule, lesbische oder auch queere Menschen. Warum tun wir das? Weil sich jeder Mensch in unserer Gesellschaft sicher und auch
durch das Strafrecht geschützt fühlen muss. Deshalb ist es gut, dass wir dieses Reformpaket heute auf den Weg bringen.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Axel Müller, CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)