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Danke schön. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Schön, dass Sie bei einer so wichtigen Debatte da sind! Immer wenn es einen Durchbruch in der Gesundheitsforschung gibt, zum Beispiel in der Krebsforschung, dann denke ich an die, die ihren Bruder, ihren Freund, ihre Frau, ihre Mami an den Krebs verloren haben. Und wie oft werden sich diese Menschen gedacht haben: „Wäre er, wäre sie doch nur ein paar Jahre später erkrankt!“? Oder aber sie denken: Wäre die Forschung doch nur ein paar Jahre schneller gewesen!
So ist es auch meiner besten Freundin Sabrina ergangen, als sie in einer Zeitschrift gelesen hat, dass es nun gelungen sei, aus körpereigenem Gewebe eine Herzklappe zu konstruieren, sogar eine klitzekleine, wie sie Lolo gebraucht hätte. Für Lolo, wie ihr kleiner Sohn Lorenz genannt wird, kam das zu spät. Er hat unglaublich gekämpft, er war wahnsinnig tapfer. Aber weil ihm keine biologische und keine künstliche Herzklappe gepasst hat, wurde er nur 15 Monate alt. Die mechanische Klappe, die man ihm eingesetzt hat, hat immer wieder Blutgerinnsel erzeugt. „Ich wusste“, hat Sabrina gesagt, „es hängt vom Fortschritt der Forschung ab, wie lange und wie qualitativ wertvoll das Leben meines Kindes sein kann.“ Und dafür hätte sie alles gegeben.
Der verantwortungsvolle Umgang mit persönlichen, mit sensiblen Daten ist Sabrina, die seit vielen Jahren bei der SAP in Mannheim arbeitet, sehr wichtig. Bevor Lorenz in ihre kleine vierköpfige Familie kam, war sie vorsichtig und skeptisch, was das Veräußern ihrer Daten anging. Und gestern sagte sie mir: Es war mir komplett egal, wo die ganzen Daten liegen; ich hätte für Lolo alle Daten sofort gegeben. – Damit ist Sabrina sicherlich kein Einzelfall. Unsere Aufgabe als Politik ist es – das klang heute öfter an –, genau weil das so ist, dafür zu sorgen, dass diese verzweifelten Angehörigen darauf vertrauen können, dass ihre Daten in guten Händen sind, wenn diese, verbunden mit großer Hoffnung, preisgegeben werden.
Aber es geht heute gar nicht nur um die Angehörigen, und es geht auch nicht nur um die Daten von Erkrankten. Wieso braucht medizinische Forschung überhaupt so persönliche, individuelle Daten? Kann man das nicht alles auch im Reagenzglas erforschen? Leider nein. Denn zentrale Fragen in der Gesundheitsforschung sind zum Beispiel: Warum wird der eine krank und der andere nicht, und welche Faktoren spielen dabei eine Rolle? Ist es die Umwelt, das soziale Umfeld, oder sind es vielleicht auch Arbeitsbedingungen?
Abg. Tino Sorge [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Dafür werden Daten von Gesunden oder, besser, von der Durchschnittsbevölkerung erhoben, im besten Fall – –
Frau Wallstein, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Sorge?
Nein, vielen Dank. Die Rede bewegt mich gerade so sehr, dass ich Ihre Zwischenfrage leider nicht annehmen werde. Ich hoffe, Sie verstehen das.
Die hätte Ihnen geholfen!
Also, noch mal zurück: Dafür werden Daten von Gesunden oder der Durchschnittsbevölkerung erhoben, im besten Fall über Jahre hinweg, und dann wird geschaut, wer erkrankt und wer nicht. Ist die Menge der erhobenen Daten irgendwann groß genug, lassen sich auch Rückschlüsse auf konkrete Risiken ziehen, wie wir das ja auch bei den Gefahren des Rauchens oder des Bewegungsmangels schon erlebt haben. Deshalb sollte die Forschung auch einen privilegierten Zugang zu Gesundheitsdaten haben, wie Sie sagen. Was manchmal wie ein Widerspruch klingt, nämlich zwischen der Preisgabe vieler persönlicher Daten für die Forschung und Datenschutz, ist in Wahrheit gar keiner.
Um es mit den Worten von Ulrich Kelber, dem Datenschutzbeauftragten des Bundes, zu sagen:
Datenschutz steht der medizinischen Forschung nicht entgegen! Im Gegenteil: Datenschutz und medizinische Forschung stellen beide das Wohl des Patienten in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit. Es gibt daher ein gemeinsames Interesse, das dazu führen sollte, im Gespräch miteinander zu sein und zu bleiben.
Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Genau das tun wir heute hier, genau das. Darum ist die Debatte Ihres Antrags im Ausschuss und auch hier total richtig. Nicht alles, was Sie im Antrag schreiben, finde ich seriös, wenn man bedenkt, dass Sie – und das wurde heute schon gesagt – 16 Jahre das Gesundheitsministerium geführt haben. Aber das finde ich gleichzeitig auch irrelevant; denn es wird ja jetzt was getan. Ich weiß, dass gerade Karl Lauterbach dieses Thema sehr wichtig ist und er gerade aktiv am Gesundheitsdatennutzungsgesetz arbeitet.
Sabrina hat mir übrigens gesagt, sie denke oft an die Kinder, die noch in der Kinderklinik kämpfen. Sie hat ihren kleinen Sohn obduzieren lassen für die Forschung. So kann Lolo vielleicht noch die Leben anderer Kinder retten.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort Tino Sorge.