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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Müllabfuhr, öffentlicher Nahverkehr, Kitas, Kliniken, Verwaltung – nein, es geht nicht viel ohne den öffentlichen Dienst. Allein wenn nur einige Bereiche zeitweise, sei es aufgrund von Streik oder auch nur aufgrund von einer Krankheitswelle, ausfallen, dann steht der Alltag schnell kopf. Ja, in allen Lebensbereichen ist der öffentliche Dienst präsent, in allen Lebensabschnitten ist er ein Begleiter. Von klein auf haben wir mit ihm, dem Staat, zu tun: von der Geburt in der Klinik, wenn es eine öffentliche vor Ort ist, über Kita, Kindergarten, Schule, Standesamt usw.
Aber dieser Staat ist nicht nur eine Institution. Er wird repräsentiert von Gesichtern, und zwar genauer gesagt: von 5 Millionen Gesichtern, die Hälfte Tarifbeschäftigte, die andere Hälfte Beamte, die den Tarifabschluss in der Regel übernehmen, sodass wir insgesamt von 5 Millionen Betroffenen reden. Das sind 5 Millionen Menschen, die tagtäglich wichtige Arbeit für uns alle tun, unverzichtbare zentrale Aufgaben, die erfüllt werden müssen: von den Beschäftigten des öffentlichen Diensts in Kommunen, Ländern und Bund. Es ist daher wichtig, diese Arbeitsplätze zu erhalten, die Mitarbeiter nicht zu verlieren und, insbesondere wenn jetzt die Babyboomer in Rente gehen, neue zu gewinnen.
Wir haben es – das ist von den Vorrednern schon angesprochen worden – auch im öffentlichen Dienst inzwischen mit einem eklatanten Fachkräfte- bzw. Arbeitskräftemangel zu tun. Alle haben, wenn sie wollen, dass der Laden läuft, dass ihr Müll abgeholt wird, dass sie ihre Kinder in die Kita oder in die Schule geben können, dass ein ÖPNV-Angebot realistisch erreichbar ist, ein Interesse daran, dass diese Menschen ihren Job machen und dabei bleiben. Im Moment haben sie viele Möglichkeiten, den Job zu wechseln.
Fakt ist: Die Inflation ist immens: 8 oder 9 Prozent, das schwankt ein bisschen, aber das liegt im Wesentlichen in diesem Bereich. Dann ist es natürlich völlig nachvollziehbar und logisch, dass die Gewerkschaften noch ein bisschen mehr fordern. Es kann nicht sein, dass gerade die Menschen in den Jobs, die so wichtig für uns alle sind, diejenigen sind, die im Falle einer Inflation real ganz massiv an Kaufkraft verlieren. Deshalb sind die Forderungen zunächst berechtigt,
Was heißt „zunächst“? Und dann nicht mehr, oder was?)
auch wenn man natürlich sehen muss: Der Arbeitgeber wird diese so schnell nicht erfüllen können.
Jetzt haben wir folgende Situation – ich bin selbst Mitglied eines Kommunalparlaments; wir haben gerade erst den Haushalt verabschiedet –: Ich sehe, dass durch die Kostensteigerungen Projekte verschoben werden müssen oder auf sie verzichtet werden muss. Eins ist nun mal klar: Wenn wir keine Alternative haben, wenn wir die Leute brauchen, wenn wir eine starke Konkurrenz der Arbeitgeber haben, bleibt dem Staat, wenn er will, dass seine fundamentalen Aufgaben erledigt werden, gar nichts anderes übrig, als für eine angemessene Besoldung zu sorgen.
Das hat einfach was mit Gerechtigkeit zu tun!)
Deshalb drücke ich ganz ehrlich all den Gewerkschaften, all den Demonstranten die Daumen. Sie werden natürlich nicht den vollen Inflationsausgleich bekommen; die Lohn-Preis-Spirale lässt grüßen. Aber ich drücke die Daumen, dass es so gut wie möglich ausgeht, auch wenn ich weiß, dass das für die Haushalte bitter wird.
Deshalb habe ich auch überhaupt nicht verstanden, dass der erste Vorschlag von Frau Faeser so schlecht war, weil natürlich völlig klar ist: Damit kann sich keine Gewerkschaft und kein Beschäftigter des öffentlichen Dienstes zufriedengeben. Wir haben Streik, völlig zu Recht. Ich hoffe, dass der nächste Vorschlag besser ist, dass wir die Streiks schneller beenden können.
Ich möchte nicht, dass wir monatelang zulasten aller ständig Streiks haben. Es geht nicht nur um die Ungewissheit für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, sondern die Streiks gehen zulasten aller anderen Menschen, die ihr Kind nicht in die Kita geben können, die keinen Bus benutzen können. Diese Streiks sorgen für Chaos auf den Straßen. Deshalb verstehe ich die Kooperation, die hier anvisiert wird, teilweise auch nicht: noch mehr Chaos auf den Straßen. Nein, die normalen Leute müssen ihren Job machen. Deshalb brauchen wir nun ein ordentliches Angebot; das ging so nicht.
Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist aber so: Wenn man vorhat, Leute zu gewinnen, reicht allein die Beschäftigung nicht; das wurde schon angesprochen. Neben der höheren Entlohnung sind auch wichtig: bessere Einstiegsgehälter, flexible Arbeitszeiten, Einführung von Lebensarbeitszeitkonten, Homeoffice, Flexibilität gerade bei Frauen. Natürlich ist gerade der öffentliche Dienst für Frauen interessant. Und was ist für sie – inzwischen auch für viele Männer, aber erst recht für Frauen – häufig am wichtigsten? Die Vereinbarkeit, die Flexibilität. Da müssen wir flexibler werden, das muss man anbieten.
Ich brauche es Ihnen nicht zu sagen – Stichwort „IT-Sicherheit“ –: Wir haben im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg Anschläge auf unsere kritische Infrastruktur. Wie wollen wir denn die guten Leute herholen? Zu oft stellen sie sich die Frage: Lohnt es sich, für eine Arbeit zum Staat zu gehen oder eher in die private Wirtschaft? Zu oft ist die Antwort auf die Frage „Lohnt es sich, zum Staat zu gehen?“: Nein.
Wir haben keine Wahl. Wenn wir nicht wollen, dass unser Land nicht nur im übertragenen Sinne stillsteht, weil es am geeigneten Personal fehlt, sei es im ÖPNV, in Kitas, Schulen, Kliniken, im IT-Bereich oder bei der Müllabfuhr, dann muss der Staat in Bewegung bleiben, sich weiterentwickeln, und zwar nicht allein um seiner selbst willen, sondern um unser aller willen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde ist Uli Grötsch für die SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)