- Bundestagsanalysen
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über das Unternehmensstrafrecht, das in einem der Anträge gefordert wurde, haben wir heute noch wenig gehört. Es ist vielleicht ein wenig untergegangen. Das liegt wohl daran, dass Sie in Ihrem Antrag nur eine stichpunktartige Zusammenfassung eines Antrags aus der letzten Legislatur vorgelegt haben. Sie hätten sich vielleicht wenigstens die Mühe machen können, ihn neu aufzuarbeiten.
Na ja, recyceln!)
Im Jahr 2011 wurde ein weltweit führender Anbieter von industriellen Dienstleistungen wegen Schmiergeldzahlungen an ausländische Amtsträger zu einer Geldbuße von 140 Millionen Euro verurteilt. Im Jahr 2009 wurde ein führender Nutzfahrzeughersteller wegen Bestechung zu einer Geldbuße von 150 Millionen Euro verurteilt. Im Jahr 2007 wurde ein führender Elektrokonzern wegen Schmiergeldzahlungen zu einer Geldbuße von 201 Millionen Euro verurteilt.
Diese Fälle zeigen, dass vor allem mit § 30 OWiG bereits Regelungen im deutschen Recht zur Bestrafung von Unternehmen bestehen. Vorgesehen sind Geldbußen bis zu 10 Millionen Euro, und zusätzlich dazu kann noch eine Gewinnabschöpfung erfolgen. Auch zeigen diese Fälle, dass trotz Opportunitätsprinzip Verurteilungen erfolgen.
Sofern ein Unternehmen einen rechtskräftigen Bußgeldbescheid über 200 Euro bekommt, wird dieser ins Gewerberegister eingetragen. Das bedeutet für die Unternehmen, dass sie nicht mehr an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen dürfen, sofern das Bußgeld auf Straftaten wie Geldwäsche, Betrug, Bestechung oder Ähnlichem beruht.
Im Wirtschaftsverwaltungsrecht sind der Widerruf von erteilten Genehmigungen und die Untersagung von Tätigkeiten möglich. Also, alle diese Dinge sind auch heute schon möglich. Betriebsschließungen können nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgenommen werden. Sogar die Auflösung von Gesellschaften ist heute schon denkbar. Die Gesetze bestehen also; wir müssen sie nur anwenden.
Beim Hinweis darauf, dass andere Länder, auch in Europa, ein Unternehmensstrafrecht haben, verkennen Sie die Tatsache, dass die Rechtssysteme in den Ländern andere sind. Damit ist es auch schwierig, direkte Vergleiche zu ziehen. Oftmals gibt es in den Ländern keine Ordnungswidrigkeiten, und damit ist dort mangels Alternative die Regelung im Strafrecht notwendig.
Aber worum geht es eigentlich im Kern dieser Thematik? Es geht doch nicht darum, härtere Strafen gegen die Unternehmen auszusprechen, sondern es geht doch eigentlich darum, Straftaten wie Steuerhinterziehung, wie Bestechung, wie Korruption zu verhindern, also darum, dass die Unternehmen „compliant“ sind. Solche Fälle verhindern wir aber nicht, indem wir Vorschriften wie § 30 OWiG ins Strafgesetzbuch überführen, sondern indem wir die Unternehmen unterstützen, bessere Compliance zu machen, und hier Anreize setzen. In diese Richtung sollten wir denken, statt das Strafrecht weiter zu belasten.
Lassen Sie mich noch einen Punkt ausführen, und zwar den Gesetzentwurf zum Containern. Auch in diesem Fall wärmen Sie einen alten Antrag aus der letzten Legislatur auf, ohne wirklich auf die Erkenntnisse der damaligen Anhörung einzugehen.
Widerspruch der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])
In den damaligen Beratungen stimmten alle Fraktionen überein, dass das Problem der Lebensmittelverschwendung sehr ernst zu nehmen sei und diese zu reduzieren sei. Man war sich aber auch einig, dass die Lösung nicht über das Strafrecht gehen kann, sondern über andere Dinge erfolgen muss, weil die Problemstellung einfach zu vielschichtig ist.
Worüber denn? Machen Sie doch mal einen Vorschlag!
Lassen Sie doch mal die Kollegin ausreden!)
– Lassen Sie mich halt ausreden. – Es geht eben nicht nur darum, § 248a StGB zu ändern und den Diebstahl von weggeworfenen Lebensmitteln nicht zu verfolgen; wir müssen auch außerhalb des Strafrechts schauen.
Wäre es nicht besser, die Unternehmen über andere Wege zur Spende von Lebensmitteln zu bringen? Wenn wir uns beispielsweise Frankreich anschauen: Da ist es so, dass die Unternehmen verpflichtet sind, genießbare Lebensmittel abzugeben, und sie bekommen noch steuerliche Anreize, das auch wirklich zu tun. Ich glaube, das sind Voraussetzungen, die man sich mal anschauen könnte und bei denen es sich lohnt, hinzusehen.
Beifall bei der CDU/CSU
Das haben wir auch gefordert!)
Noch viel mehr als im Einzelhandel werden Lebensmittel in den Privathaushalten weggeschmissen: Das sind 59 Prozent dieser Menge, dieser 11 Millionen Tonnen im Jahr. Das ist doch der Punkt, an dem wir ansetzen müssen. Es geht nicht darum, das Containern straffrei zu machen, sondern darum, die Lebensmittelverschwendung generell anzugehen.
In diesem Zusammenhang sehe ich nicht die Rechtspolitik am Zug, sondern ich sehe den Bundeslandwirtschaftsminister in der Pflicht. Wenn er sich jetzt hinstellt und sagt: „Wir wollen das Containern straffrei machen“, dann ist das eigentlich nur Augenwischerei; denn wenn der Hausfriedensbruch dazukommt, wenn die Sachbeschädigung dazukommt, dann wird das weiterhin strafbar sein. Es bringt uns also nicht weiter. Und auch heute schon – es wurde vorhin gesagt; Sie haben es negiert – kommt es bei diesen Fällen kaum zu Verurteilungen.
Aber worum sollten wir uns denn eigentlich kümmern? Wir sollten uns um Aufklärung und Bildung in den Schulen kümmern. Wir sollten ansetzen bei unseren Kindern und Jugendlichen: Sie müssen lernen, Lebensmittel wertzuschätzen; denn das meiste wird in den Privathaushalten weggeworfen.
Das tun sie doch, wenn sie containern! Das ist doch Wertschätzung!)
Wir müssen bei den Kindern und den Jugendlichen ansetzen und über diese schließlich den Weg zu den Eltern finden. Eine Regelung im Strafrecht greift zu kurz.
Herzlichen Dank.
Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Frau Kollegin Licina-Bode, mittlerweile weiß ich, warum Sie das auf Ihrem Zettel hatten, was die Rednerliste angeht, die übrigens wie mir auch allen Parlamentarischen Geschäftsführern vorliegt. Also, verlassen Sie sich nicht auf die digitale Anzeige! Hören Sie auf meine Worte und auf Ihre Parlamentarischen Geschäftsführer!
Alles klar! So machen wir das, Herr Präsident!)
Ich erteile Ihnen jetzt das Wort, liebe Kollegin Luiza Licina-Bode, für die SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)