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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte bietet einen guten Anlass, mit einigen Aussagen aus dem Reich der Märchen-, Sagen- und Fabelwelt aufzuräumen. Ausgesprochen oder geschrieben haben sie nicht etwa die Gebrüder Grimm, sondern die Brüder und Schwestern Ampelkoalitionäre.
Erste Aussage: „Wir setzen die EU-Whistleblower-Richtlinie rechtssicher und praktikabel um.“
Lachen des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])
Dieses Stück Prosa findet sich in Ihrem Koalitionsvertrag. Der vorliegende Gesetzentwurf ist weder das eine noch das andere.
Er wimmelt von unbestimmten Rechtsbegriffen. Er klärt sein Verhältnis zu bestehenden Meldesystemen, etwa nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, nicht. Er schafft keinerlei Anreize für die sinnvolle Nutzung interner Meldewege. Aufgaben und Befugnisse der Meldestellen bleiben schwammig. Das Verhältnis der externen Meldestellen zu anderen Behörden bleibt unabgestimmt. Das ist rechtsunsicher, das ist unpraktikabel, und das ist in Summe ein großes Beschäftigungsprogramm für unsere ohnehin überlasteten Gerichte.
Beifall bei der CDU/CSU)
Zweite Aussage: „Hinweisgeberschutz ist Unternehmensschutz.“ Dreimal haben Sie, lieber Herr Bundesminister Buschmann, diese drei Worte in der ersten Beratung des Gesetzentwurfs am 29. September gesagt,
Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weil es stimmt!)
dreimal zu viel; denn das Gegenteil ist der Fall. 90 000 Unternehmen in unserem Land belasten Sie durch dieses Gesetz mit zusätzlichen Kosten und neuer Bürokratie und schenken ihnen noch nicht mal reinen Wein ein. Sie haben hier am 29. September behauptet – ich zitiere –, „70 Prozent der Großunternehmen und etwa 40 Prozent der KMUs“ hätten heute schon Meldestellen. Eine Studie vom 22. September, eine Woche zuvor, kommt zu einem ganz anderen Ergebnis: 19 Prozent der Unternehmen haben danach gerade mal „Hinweisgebersysteme vollständig implementiert“.
Zuruf des Abg. Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Ihren Wahlkreisen werden sich sicher über dieses Weihnachtsgeschenk in ihrem Hausaufgabenheft freuen, liebe Ampelkoalitionäre.
Beifall bei der CDU/CSU)
Dritte Aussage: „Wir nutzen alle Flexibilitätsspielräume der Richtlinie aus“. Auch das haben Sie, lieber Herr Bundesminister Buschmann, hier am 29. September gesagt. Und das führt Ihre Koalition mit Ihren Änderungsanträgen jetzt endgültig ad absurdum. Während die Richtlinie die Entscheidung, ob anonyme Meldungen möglich sind, den Mitgliedstaaten überlässt, satteln Sie an diesem Punkt munter drauf. Sie entscheiden sich nicht nur für anonyme Meldungen, sondern verpflichten 90 000 Unternehmen in unserem Land künftig dazu, anonyme Meldekanäle einzurichten. Und Sie tun das im vollen Bewusstsein, dass damit zusätzliche Kosten und Belastungen für die Unternehmen verbunden sind.
Zuruf von der SPD: Märchen!)
In der Begründung Ihrer Änderungsanträge heißt es: Anonyme Meldekanäle – ich zitiere – „sind mit Zusatzkosten für die notwendigen technischen Vorrichtungen oder die Einschaltung einer Ombudsperson verbunden sowie mit einer zusätzlichen Belastung durch den erhöhten Aufwand für die Einrichtung der Meldestelle“. Erklären Sie auch das gerne mal persönlich in Ihren Wahlkreisen. Und vor allem, Herr Thomae, sagen Sie dann bitte auch, dass das keine unnötige Bürokratie für unsere Unternehmen ist.
Beifall bei der CDU/CSU
Das erkläre ich gleich schon!)
Vierte Aussage: „Uns ist es gelungen, die Rechtsansicht der Kommission zum Wohle der Unternehmen zu ändern“. Auch das haben Sie, lieber Herr Bundesminister Buschmann, hier am 29. September gesagt. Fragt man Ihr Ministerium, welche konkreten Änderungen das denn sein sollen, herrscht Schweigen im Wald. In der Antwort auf meine Frage heißt es – ich zitiere wieder –:
Das Bundesministerium der Justiz nimmt regelmäßig an den Treffen einer Expertengruppe teil … und bringt dort seine Rechtsansichten ein.
Aha! Von Änderungen zum Wohle der Unternehmen keine Spur!
Fragt man dann gezielt nach der von Ihnen ausdrücklich in Bezug genommenen Konzernlösung – wieder Schweigen im Wald. Ich zitiere:
Der Austausch mit der ... Kommission zu dieser Frage ist noch nicht abgeschlossen.
Der Minister war stets bemüht!)
Aha! Von Änderungen zum Wohle der Unternehmen keine Spur! Fakt ist damit: Die sinnvolle Konzernlösung ist bis heute nicht europarechtlich abgesichert, und Sie lassen alle Konzernunternehmen damit im Regen der Rechtsunsicherheit stehen.
Beifall bei der CDU/CSU
Es wird sorgfältig darauf geachtet, dass während der Krise keine unverhältnismäßigen zusätzlichen Bürokratielasten die Wirtschaft beeinträchtigen.
Das haben Sie, lieber Herr Bundesminister Buschmann, ausnahmsweise einmal nicht in der ersten Beratung gesagt. Es stammt aber vom selben Tag: Es ist Ihr groß postuliertes Belastungsmoratorium. Dass Sie das mit diesem Gesetz vollkommen ad absurdum führen, dürfte inzwischen jedem hier im Saal klar geworden sein. Aber gerne noch ein paar Zahlen: 90 000 Unternehmen in unserem Land belasten Sie schon nach der ursprünglichen Begründung Ihres Gesetzentwurfs mit einmaligen Kosten von rund 200 Millionen Euro und Folgekosten von weiteren 200 Millionen Euro Jahr für Jahr. Legt man realistischere Berechnungen zugrunde, sind es sogar 400 Millionen Euro Jahr für Jahr. Und die Zusatzkosten durch Ihre Änderungsanträge kommen noch on top. Fast eine halbe Milliarde Euro stellen Sie unseren Unternehmen damit jedes Jahr in Rechnung. Stellen Sie diese Rechnungen bitte vor Weihnachten persönlich den betroffenen Unternehmen in Ihren Wahlkreisen zu!
Fazit: Ihre Koalition verbindet nur ein Motto: Mehr Bürokratie wagen. Das ist die Formel, auf die Sie sich immer wieder gerne und genüsslich einigen, und das zeigt eines deutlich: Sie sind keine Regierungskoalition – Sie sind eine Regulierungskoalition.
Beifall bei der CDU/CSU
Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Sebastian Fiedler.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)