- Bundestagsanalysen
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit die Reformwalze des sogenannten Bologna-Prozesses über die altehrwürdige Alma Mater hinweggerollt ist, ist im akademischen Bildungssystem viel verschlimmbessert worden. Man hat versucht, das angelsächsische System den deutschen Universitäten überzustülpen. Herausgekommen sind weder Fisch noch Fleisch und sehr viel Dysfunktionalität. Die Hauptleidtragenden sind neben der akademischen Freiheit die Studenten, aber auch die jungen Wissenschaftler in oftmals prekären Beschäftigungsverhältnissen.
Zweimal wurde das Wissenschaftszeitvertragsgesetz in den letzten Jahren novelliert. Trotzdem sind immer noch 81 Prozent des wissenschaftlichen Personals unterhalb der Professur befristet beschäftigt mit einer durchschnittlichen Vertragslaufzeit von 17 Monaten, Tendenz rückläufig. Vielfach handelt es sich um halbe Stellen, die kaum für die Lebenshaltungskosten reichen. Eine solide Karriere- und Lebensplanung ist auf diese Weise natürlich nicht möglich.
Beifall bei der AfD)
Nach maximal zwölf Jahren heißt es dann: Hopp oder top, entweder Dauerstelle oder Ende der Karriere. Ein großer Teil der Promovierten und Habilitierten steht nach der Qualifikationsphase regelmäßig auf der Straße – wirtschaftlich betrachtet eine klassische Fehlinvestition für den Staat wie für die Betroffenen.
Beifall bei der AfD)
Besonders gravierende Folgen: 38 Prozent der befristet Beschäftigten stellen ihren Kinderwunsch zurück. Deutsche Akademikerinnen bleiben noch öfter kinderlos, wohlgemerkt unfreiwillig, als deutsche Frauen im Durchschnitt. 40 Prozent geben an, sich mit wissenschaftlicher Kritik oder abweichenden Meinungen zurückzuhalten, wegen ihrer Abhängigkeit von den Vorgesetzten, und das in Zeiten eines ohnehin schon enormen Konformitätsdrucks – vielleicht auch ein willkommener Nebeneffekt des Gesetzes. Wer so mit seinen besten Köpfen verfährt, muss sich jedenfalls nicht wundern, wenn diese zu Tausenden in Länder mit besseren Bedingungen wie die USA abwandern, meine Damen und Herren.
Beifall bei der AfD)
Die Linke hat mit ihrem Antrag zu den Kettenbefristungen also durchaus den Finger in eine Wunde gelegt. Aber bei der Therapie greift sie wie so oft kräftig daneben. Wenn Sie zehn Jahre lang die Einrichtung von 100 000 unbefristeten Stellen an deutschen Universitäten fördern wollen, um den Anteil dieser Stellen auf 50 Prozent zu erhöhen, dann müssen Sie auch so ehrlich sein, Frau Gohlke, zuzugeben, dass dann die vielbeschworene Generationengerechtigkeit eben nicht mehr bestehen wird.
Gerade bei zehn Jahren!)
Die nachfolgende Studentengeneration hat dann nämlich nur sehr geringe Chancen auf eine akademische Karriere, weil die möglichen Qualifikationsstellen auf lange Zeit blockiert sein werden.
Beifall bei der AfD)
Wahrscheinlich fordern Sie dann auch wieder einen Aufwuchs, bis jeder oder jede, die studiert, am Ende auch Professor oder Professorin wird, am besten wahrscheinlich für Gender Studies; aber so werden Sie die Qualität der Bildung sicherlich nicht verbessern, werte Linke.
Beifall bei der AfD)
Außerdem wollen Sie 50 Prozent dieser Stellen mit Frauen besetzen; von Diversity haben wir jetzt ja auch wieder gehört.
Ja! Zu Recht!)
Geschlecht vor Leistung und Qualität, das kann nicht das Auswahlkriterium sein, werte Kollegen.
Beifall bei der AfD
Das ist ja nur bei der AfD so!)
Wir müssen uns hier ehrlich machen und von dem „Akademisierungswahn“ wegkommen, wie ihn Julian Nida-Rümelin schon vor acht Jahren genannt hat. Nicht alle Berufe benötigen einen akademischen Abschluss. Dies zu suggerieren, entwertet die berufliche Bildung
Das macht doch auch keiner!)
und führt zu einem Bildungswettrüsten, bei dem es primär um das Vorweisen akademischer Titel, nicht um reale Kompetenzen geht – auch dies eine Ursache für unseren Fachkräftemangel.
Beifall bei der AfD)
Die akademischen Qualifikationsstellen müssen in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der zu besetzenden Professuren stehen. Wenn wir hier zu einem vernünftigen Maß kämen – bei gleichzeitiger Aufwertung der beruflichen Bildung –, dann könnten die vorhandenen Stellen auch besser ausgestattet und mit den Befristungen könnte großzügiger verfahren werden. Das wäre gut investiertes Steuergeld, das nicht wie heute massenhaft abgebrochene Karrieren produziert, sondern diejenigen wirksam fördert, die auch wirklich für eine akademische Laufbahn geeignet sind.
Vielen Dank.
Beifall bei der AfD)
Vielen Dank, Herr Kollege Jongen. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Stephan Seiter, FDP-Fraktion.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)