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Hochverehrte Präsidentin! Liebe Demokratinnen und Demokraten! Ich
nehme jetzt mal den letzten Redebeitrag als Versprechen und möchte in ähnlicher
Weise grundsätzlich beginnen. Morgen ist der Internationale Tag der Menschen mit
Behinderungen. Ich habe gestern – wir hatten ja einen langen Abend hier im
Haus – die Gelegenheit genutzt, noch mal zu recherchieren, woher dieser Tag
historisch eigentlich kommt. Der Ursprung fällt in eine Zeit in Deutschland, in
der Gerichte solche Urteile gefällt haben:
Auch die Anwesenheit einer Gruppe von jedenfalls 25 geistig und
körperlich Schwerbehinderten stellt einen zur Minderung des Reisepreises
berechtigenden Mangel dar ... Daß es Leid auf der Welt gibt, ist nicht zu
ändern; aber es kann der Klägerin nicht verwehrt werden –
– es handelt sich um eine 64-jährige alte Dame, die in Griechenland
Urlaub gemacht hat, damals, im Jahr 1980 –
wenn sie es jedenfalls während des Urlaubs nicht sehen will.
„Dieses Leid“! Ist das nicht fürchterlich? Es ist noch gar nicht so
lange her, dass Gerichte solche Urteile gefällt haben. Und ich möchte Ihnen
ehrlich sagen: Es ist heute noch so, dass im Prinzip viele Leute so denken.
Deswegen müssen wir daran arbeiten, dass dieses Denken endlich beendet wird.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei
Abgeordneten der FDP und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
An dem 8. Mai, nachdem das Urteil gefällt worden ist, gab es in
Frankfurt die größte Demonstration behinderter Menschen – ich glaube sogar, bis
heute.
Die Frankfurter und die Menschen in dieser Republik haben noch nie so
viele behinderte Menschen auf den Straßen gesehen. Damals hat der Kampf um die
Rechte behinderter Menschen begonnen. Diesen Kampf, den führen wir heute weiter,
den müssen wir heute als Parlament weiterführen.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und
der FDP)
Wir sind heute auch gesetzlich dazu verpflichtet, weil wir die
UN‑Menschenrechtskonvention ratifiziert haben; das ist ganz eindeutig.
Es geht um Selbstbestimmung. Es geht um Inklusion als Strukturprinzip.
Es geht nicht um ein Randthema für ein paar Menschen, sondern es geht darum,
dass wir unsere Strukturen so gestalten, dass zukünftig alle Menschen daran
teilhaben können.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
SPD)
Wenn ich hier mal in die Reihen blicke, dann sehe ich, dass da viele
sitzen, die der Babyboomergeneration angehören. Ich kann mir nicht vorstellen,
dass die Leute, die vielleicht irgendwann mal behindert und auf Pflege
angewiesen sein werden, in dieser Lebensphase auf ihre Selbstbestimmung
verzichten möchten. Deswegen empfehle ich all diesen Menschen, die hier sitzen,
jetzt dafür zu sorgen, dass wir barrierefrei bauen, damit sie am Ende des Tages
auch zu Hause wohnen können, dass wir ambulante Dienste anbieten, dass wir den
Zugang zu Leistungen vereinfachen.
Das sind die Themen, über die wir reden, und sie sind so gewaltig,
dass wir unsere Zeit nicht mehr darauf verschwenden können, über die letzten
16 Jahre zu reden. Vielmehr müssen wir jetzt die Ärmel hochkrempeln, damit
dieses Land auch in dieser Hinsicht zukunftsfähig wird.
Insofern, liebe Union, bin ich Ihnen dankbar für das Angebot, dass wir
jetzt gemeinsam streiten – für eine inklusive Gesellschaft, die barrierefrei ist
und allen Menschen die Teilhabe vollumfänglich ermöglicht.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei
Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Rasha Nasr für die SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten
der FDP)