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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mehr
Tempo fordern wir in unserem heutigen Antrag „Mehr Tempo für Barrierefreiheit
und einen inklusiven Sozialraum“. Mehr Tempo fordern aber auch diejenigen, die
wir mit unserem Antrag in den Blick nehmen.
Beim Thema Inklusion denken viele zuerst an Menschen mit
Behinderungen. Dabei geht es um viel mehr. Es geht auch um die Mutter, die mit
ihrem Kinderwagen nicht durch den Kassenbereich eines Supermarktes kommt. Es
geht auch um den Großvater, der seinen Enkel in einer anderen Stadt besuchen
will, aber den ICE verpasst, weil niemand da ist, der ihm beim Einsteigen hilft.
Auch diese beiden wünschen sich von der Politik mehr Tempo.
Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE
LINKE]
Für sie ginge es im Alltag viel schneller, wenn man auch an ihre
Bedürfnisse gedacht hätte.
Als Sozialethiker habe ich in meinem Studium gelernt, dass man sich
Politik und insbesondere Ordnungspolitik spieltheoretisch vorstellen kann. Zwei
Seiten müssen zusammenwirken: Spielregeln auf der einen, Spielzüge auf der
anderen Seite. Grundsätzliche ethische gesellschaftspolitische Ziele und
Vorstellungen müssen auf der Ebene der Spielregeln etabliert werden. So können
sie als Rahmenbedingungen für das Handeln des Einzelnen Anreize entfalten.
Mit Blick auf unsere heutige Debatte glaube ich, dass dieses
zweidimensionale Modell zu kurz gedacht ist. Es fehlt eine dritte Dimension. Um
im Bild zu bleiben: Wir müssen auch das Spielbrett mitdenken. Ich meine damit
einen Spielraum, der nicht einfach da ist, sondern immer erst geschaffen und
gestaltet werden muss. Nur so können Menschen zu Mitspielern werden. Also:
Spielregeln, Spielzüge und Spielraum. Erst diese dritte Dimension bringt Ordnung
in die Politik. Demnach ist Inklusionspolitik nicht noch etwas Hinzukommendes,
ein schönes Extra oder so, sondern nichts mehr oder weniger als
Ordnungspolitik.
Beifall bei der CDU/CSU
Zuruf der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN])
Morgen ist Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen. Deshalb
haben wir mit unserem Antrag der Ampel einen Merkzettel aufgeschrieben für eine
smartere Gesellschaft, deren Programme, Regeln, Strukturen und urbane Hardware
vom Nutzer her gedacht werden müssen. Es geht um Bauliches, um Mobilität, um
Digitalisierung, um politische Beteiligung, um Katastrophenschutz und um vieles
mehr.
Eine unserer Anregungen möchte ich aber besonders herausgreifen; denn
sie birgt großes Potenzial. Es geht um das Thema „Design für Alle“. „Design für
Alle“ ist ein Konzept für die Planung und Gestaltung von Produkten,
Dienstleistungen und Infrastrukturen. Damit sind Lösungen gemeint, die besonders
gebrauchsfreundlich sind und individuellen Anforderungen begegnen. Das Ziel:
Allen Menschen soll eine Nutzung ohne individuelle Anpassung oder besondere
Assistenz möglich sein. So wird niemand stigmatisiert. Ich wünsche mir, dass
möglichst viele von dieser Idee angeregt werden.
Es gibt bisher nur zwei Orte in Deutschland, an denen dieser Ansatz in
die Ausbildung zukünftiger Gestalter integriert ist. Einer davon liegt in meinem
Wahlkreis, die Akademie für Gestaltung der Handwerkskammer Münster. Dort werden
nach Auskunft ihres Leiters Manfred Heilemann als Teil des gemeinnützigen
Kompetenznetzwerks EDAD in drei Jahrgängen 90 bis 120 Studierende
erfahrungsbasiert zu Multiplikatoren für „Design für Alle“ ausgebildet. So was
muss in Deutschland Schule machen.
Beifall bei der CDU/CSU)
„Design für Alle“ realisiert die Idee einer Ordnungspolitik, die
inklusiv ist. Vor fast genau einem Jahr haben Sie sich das Bundesprogramm
Barrierefreiheit in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Seitdem ist nichts
passiert. Das ist ein unfaires Spiel. Es wird Zeit, liebe Ampel, etwas mehr für
Barrierefreiheit und einen inklusiven Sozialraum zu tun. Seien Sie keine
Spielverderber! Machen Sie endlich Tempo!
Beifall bei der CDU/CSU
Wenn Sie da mitmachen,
machen wir das!)
Das Wort hat die Kollegin Corinna Rüffer für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und
der FDP)