- Bundestagsanalysen
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Stellen wir uns mal für einen Moment eine strafrechtliche Ermittlungsmaßnahme mit Richtervorbehalt vor. Die Lebensrealität in der Praxis sieht beispielsweise in Frankfurt am Main im Augenblick so aus: Der Polizist fährt aus dem Polizeipräsidium, mit der Akte in der Hand, zur Staatsanwaltschaft einmal quer durch die Stadt. Er lässt sich dort den entsprechenden Antrag unterschreiben und fährt dann postwendend wiederum quer durch die Stadt zum Ermittlungsrichter, um sich dort die Unterschrift abzuholen. Dann startet die Ermittlungsmaßnahme. Das ist ein Beispiel. – Zweites Beispiel. Die Anwaltskolleginnen und ‑kollegen hier in der Runde wissen um die Späße und Herausforderungen mit unserem wunderbaren besonderen elektronischen Anwaltspostfach.
Warum sage ich das? Dass die Justiz Rückstände hat und Luft nach oben in der Gesamtdigitalisierungsstrategie besteht, liegt angesichts solcher Beispiele naheliegenderweise völlig auf der Hand. Deswegen war und ist es uns als Bund so wichtig, dass wir genau in diesen Bereichen – bei aller Anerkenntnis der ernsthaften und umfangreichen Bemühungen der Länder um die Einführung der E‑Akte; einige sind ja da leider etwas im Rückstand – beim Thema „Digitaler Rechtsstaat“ nicht nur am Spielfeldrand stehen. Es ist und bleibt daher richtig, den Pakt für den Rechtsstaat und den Digitalpakt für Justiz in einem Paket zu bündeln. Ein Pakt für den Rechtsstaat ohne digitale Komponente wäre doch, liebe Freundinnen und Freunde und liebe Kolleginnen und Kollegen, überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Es braucht jetzt endlich diesen vernetzten Ansatz.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dazu macht der Bund jetzt ein konkretes Angebot. Für die kommenden vier Jahre stehen insgesamt 200 Millionen Euro zur Verfügung, davon 50 Millionen Euro für das Jahr 2023, um echte Digitalisierungssprünge zu ermöglichen, die der Justiz insgesamt zugutekommen. Damit das zum gemeinsamen Erfolgsprojekt wird, ist es besonders wichtig, dass die Länder jetzt bereit sind, an dieser Stelle konstruktiv in die Debatte miteinzusteigen, konkrete Vorschläge zu machen. Aber – das sage ich auch ganz deutlich – wir als Haushälterinnen und Haushälter werden uns sehr genau angucken, ob die Projekte, die kommen, auch wirklich im Bundesinteresse liegen; denn das ist die Aufgabe, die wir erfüllen müssen.
Ich sage auch ganz offen, weil es gerade von der Kollegin Hoppermann angesprochen worden ist: So langsam fehlt mir jedwedes Verständnis für den Forderungskatalog der Länder an dieser Stelle. Landesjustiz ist Ländersache, sowohl sachlich als auch finanziell als auch in personeller Hinsicht.
Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD
Was haben Sie sich beim Koalitionsvertrag gedacht? Gar nichts!)
Für mich machen sich die Länder selbst klein, wenn immer wieder nur auf den Bund geschaut wird und weiteres Geld gefordert wird. Auch verfassungsrechtlich ist die Forderung nach Personalmitteln mehr als bedenklich.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wenn ich mir die aktuellen Haushaltszahlen angucke, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei denen ich sehe, dass die Länder bis Ende September 24,4 Milliarden Euro Haushaltsüberschuss haben, während der Bund Ende Oktober mit mehr als 100 Milliarden Euro im Minus steht, ist das Argument, die Länder brauchen mehr Geld, zu kurz gegriffen.
Fragen Sie mal Ihren Finanzminister!)
Deswegen setzen wir genau auf den Vorschlag, den wir unterbreitet haben. Es liegt jetzt, wie gesagt, an den Ländern, zuzugreifen.
Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)
Rechts- und Justizpolitik, um auch das klar zu sagen, ist aber eben nicht nur Innenpolitik. Sie hat auch eine internationale Komponente. Deswegen ist mir besonders wichtig gewesen, dass wir als Haushaltsausschuss die weitere Stärkung der Mittel für die Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit unterstützen konnten, damit wir die Länder im Aufbruch im östlichen Europa – namentlich Moldawien, die Ukraine und perspektivisch auch Georgien – beim Weg in den modernen Rechtsstaat unterstützen können. Mit dem Bundeshaushalt setzen wir in Kriegszeiten ein wichtiges Signal an dieser Stelle.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Thema Planungsbeschleunigung ist angesprochen worden, dazu auch von mir abschließend ein paar Worte. Ich begrüße ausdrücklich, dass es gelungen ist, das Bundesverwaltungsgericht mit einem weiteren Senat zu stärken, und dass wir als Koalition gemeinsam die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren in den Blick nehmen. Die Dauer mehr als zu halbieren, ist das Ziel, auf das wir uns gemeinsam in der Sondierung verständigt haben, und das wollen wir mit dem Koalitionsvertrag umsetzen.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Ich bin gespannt!)
Das Bundesjustizministerium hat bereits einen ersten ambitionierten Entwurf für den Bereich der Verwaltungsgerichtsordnung vorgelegt. Ich freue mich ausdrücklich auf das hoffentlich bald beginnende parlamentarische Verfahren, sodass wir hier gemeinsam vorankommen.
Dabei kann es aber nicht bleiben; das haben wir auch im Koalitionsvertrag so verabredet. Wir wollen Planung und Genehmigung umfassend beschleunigen. Deswegen appelliere ich an uns alle miteinander und motiviere uns, dass wir das jetzt zeitnah anpacken. Ich finde, es wäre ein wunderbarer Einstieg in die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, wenn wir die parlamentarischen Verfahren und Diskussionen an dieser Stelle auch beschleunigen und dort möglichst schnell gemeinsam vorankommen.
An uns liegt es nicht!)
Abschließend möchte ich mich ganz herzlich bedanken bei den Berichterstatterkolleginnen und ‑kollegen und vor allem bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die, weil wir mit dem Etat des Justizministeriums ziemlich am Ende dran waren, alle 18 Stunden durchgehalten haben.
Vielen Dank. Ich werbe für Zustimmung zu diesem Etat.
Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dr. Michael Espendiller ist der nächste Redner für die AfD-Fraktion.
Beifall bei der AfD)