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Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht überall war die Begeisterung groß, als die Entscheidung gefallen ist, den gesetzlichen Mindestlohn im politischen Verfahren auf 12 Euro anzuheben, bei der antragstellenden Fraktion Die Linke vermutlich schon.
Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Immerhin kann der Kollege Matthias W. Birkwald ein Stück weit die Vaterschaft für den Mindestlohn von 12 Euro für sich reklamieren. Lange vor Olaf Scholz hat er die politische Forderung erhoben.
Na, na! Vaterschaftstest!)
Nicht alle haben gejubelt, aber jetzt haben wir die 12 Euro gesetzlich festgeschrieben. Deswegen sollten wir uns alle gemeinsam freuen, und zwar mit den Menschen, die seit dem 1. Oktober 2022 in wahrlich schweren Zeiten eine kräftige Lohnerhöhung bekommen haben.
Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für viele Betriebe in der Gastronomie und im Einzelhandel bedeutet der staatliche Eingriff in die Lohnfindung trotz allem erst einmal eine zusätzliche Belastung. Diese Betriebe erleben auch harte Zeiten. Sie müssen unter schweren Bedingungen gegen Inflation und Kaufzurückhaltung anwirtschaften. Und sie zahlen die 12 Euro oder mehr – die überragende Mehrheit jedenfalls zahlt –, auch wenn es vielen schwerfällt.
Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Ja, es gibt schwarze Schafe – die hat es immer gegeben –, und ja, die müssen gefunden und bestraft werden. Das ist ein wichtiger Punkt. Verstöße gegen den Mindestlohn sind strafbewehrt. Verstöße gegen den Mindestlohn sind kein Kavaliersdelikt, liebe Kolleginnen und Kollegen; da müssen wir eingreifen.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Sie gehen zulasten der Beschäftigten und der ehrlichen Betriebe gleichermaßen. Niemand darf um seinen Lohn betrogen werden, und niemals darf der ordentliche Unternehmer im Wettbewerb im Nachteil sein, weil er sich an Recht und Gesetz hält. Niemals darf der Ehrliche der Dumme sein.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Recht hat Die Linke, wenn sie eine effektivere Zusammenarbeit der Behörden und die Überwindung des Kompetenzwirrwarrs anmahnt. Das haben wir übrigens 2019 beim Arbeitsschutzkontrollgesetz auch gefordert. Vielmehr müssen FKS, die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, und andere Behörden reformiert werden; Bernd Rützel hat schon darauf hingewiesen. Kompetenzen bündeln, Kontrollen digitalisieren: Darum geht es jetzt. Das tut auch der jetzige Finanzminister, und das ist gut so.
Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD
Ich habe bei einem Besuch mit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit auf einer Baustelle im Sauerland selbst erlebt, wie sie arbeitet. Analoger geht es nicht. Ganz ehrlich, das Klemmbrett muss ein für alle Mal in die Mottenkiste. Das gehört nicht zur Arbeit von heute.
Beifall bei der FDP
Digitale Arbeitszeiterfassung! Jawohl!)
Kommen wir zur zentralen Antragsforderung der Linken, zu der verpflichtenden Arbeitszeiterfassung. Es ist schon mal gut, dass wir heute unsere Arbeitszeit nicht erfassen. Das wäre wahrscheinlich auch nicht ganz gesetzeskonform.
Wir sind keine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer! Alles gut!)
Die Linke stützt sich auf das EuGH-Urteil von Mai 2019 zur Arbeitszeit. Das Urteil verlangt, dass der Arbeitgeber ein System zur Arbeitszeiterfassung zur Verfügung stellt – nicht mehr und nicht weniger. Eine Aufzeichnungspflicht verlangt das Urteil nicht. Stempeluhr statt Vertrauensarbeitszeit passt auch nicht zu Homeoffice, und Homeoffice ist das, was immer mehr Beschäftigte wollen. Millionen Beschäftigte würden es als Verlust von Selbstbestimmung wahrnehmen, wenn sie jetzt an die Stempeluhr zurückkehren müssten.
Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)
Ich sage ganz klar: Hände weg von der Vertrauensarbeitszeit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken! Da machen wir nicht mit.
Bei 95 Prozent der im Sommer dieses Jahres kontrollierten Arbeitsverhältnisse wurden keinerlei Beanstandungen erhoben. Deshalb entspricht die pauschale Unterstellung, Rechtsbruch bei Mindestlohn sei die Regel, nicht der Realität. Ihr Antrag atmet den Geist des Misstrauens gegenüber allen Betrieben, und da machen wir nicht mit.
Beifall bei der FDP)
Kurz zum Antrag der AfD: Da wird gefordert, die Verbraucherpreisentwicklung als verbindliches Kriterium ins Pflichtenheft der Mindestlohnkommission aufzunehmen. Ich warne davor. Ich warne davor, Inflation zum Anlass zu nehmen, die Tarifautonomie zu übersteuern, indem in die Arbeit der Mindestlohnkommission eingegriffen wird. Damit öffnen Sie den Weg in die Preis-Lohn-Spirale und heizen Sie die Inflation, die Sie zu bekämpfen vorgeben, sicherlich an. Das ist genau der falsche Weg.
Orientierung an Arbeitsmarktdaten und Tarifentwicklung und vor allem die Unabhängigkeit der Kommission sind die richtigen Voraussetzungen für einen Mindestlohn, der fair für Beschäftigte und Betriebe ist. Die Politik hat bessere Instrumente, Menschen mit geringen Einkommen vor Inflation zu schützen. Steuern runter, Kindergeld rauf, Wohngeld rauf: Das hilft besonders einkommensschwachen Haushalten. Und genau das wird im Moment gemacht. Das ist besser als ein Eingriff in die Arbeit der Tarifpartner und der unabhängigen Mindestlohnkommission.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für die Fraktion Die Linke hat das Wort Susanne Ferschl.
Beifall bei der LINKEN)