Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Menschen mit Behinderungen vor Diskriminierungen in Triage-Situationen hat Kritik von allen Seiten auf sich gezogen. Deswegen kritisiere ich auch zu Anfang, wie dieser Gesetzentwurf überhaupt zustande gekommen ist.
Sie als Ampel haben in der Koalitionsvereinbarung den Menschen mit Behinderungen versprochen, dass sie bei Gesetzen, die sie betreffen, intensiver beteiligt werden sollen. Alle Behindertenverbände haben unisono gesagt – das hat die Anhörung gezeigt –, sie seien nicht entsprechend beteiligt worden. Das finde ich sehr kritisch, gerade wenn es um Menschen mit Behinderungen geht, die es betrifft, meine Damen und Herren.
Beifall bei der CDU/CSU und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber auch andere Gruppen wurden nicht beteiligt. Die Ärzte beklagen die fehlende Diskussion. Auch manche Kolleginnen und Kollegen der Ampel – da bin ich sicher – hätten sich gewünscht, dass es eine breitere Diskussion gegeben hätte, die einen, weil sie das mit dem Verbot der Ex-post-Triage anders sehen, die anderen, weil ihnen der Diskriminierungsschutz nicht ausreichend erscheint. Auch in meiner Fraktion – das will ich zugeben – gibt es unterschiedliche Meinungen. Deswegen hätte ich mir gewünscht, dass die Ampel heute den Fraktionszwang aufgehoben hätte, sodass bei so einer hoch ethischen Entscheidung jeder nach seinem Gewissen hätte abstimmen können, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der CDU/CSU und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Stattdessen haben Sie acht Monate gebraucht, um einen Gesetzentwurf vorzulegen, den Sie dann innerhalb von drei Sitzungswochen durch das Parlament gepeitscht haben. Noch am Dienstag nach Dienstschluss haben wir als Ausschussmitglieder um kurz vor 18 Uhr Ihre Änderungsanträge erhalten, über die wir am Mittwochmorgen entscheiden mussten, ohne mit anderen Rücksprache zu nehmen.
Allerdings freue ich mich, dass unsere Anregungen in den Änderungsanträgen wenigstens teilweise aufgenommen worden sind, zum Beispiel die Festlegung, dass entscheidend dafür, dass Ärzte rechtmäßig oder rechtswidrig triagieren, die Frage ist, ob der Patient noch verlegt werden kann. Darüber muss jetzt das jeweilige Krankenhaus entscheiden. Das stand vorher gar nicht im Gesetzentwurf. Was wir auch gut finden, ist, dass Sie eine Meldepflicht über die durchgeführten Triagen einführen. Allerdings – das muss ich an dieser Stelle auch sagen – beheben diese wirklich guten Anträge – wir haben ihnen ja zugestimmt – leider nicht die zentralen Fehler des Gesetzentwurfs. Es geht weiterhin nur um Triage-Situationen, die aufgrund einer Infektion entstehen. Triage-Situationen, die durch Naturkatastrophen, Krieg oder Terroranschläge entstehen, bleiben ungeregelt. Hier besteht doch aus meiner Sicht genauso die Gefahr einer Diskriminierung. Deswegen hätte man das logischerweise mitregeln müssen, meine Damen und Herren.
Der nächste Mangel ist, dass der Entwurf zwar Vorschriften wie Melde- und Dokumentationspflicht, Mehraugenprinzip oder Facharzterfordernis enthält, aber keine Sanktionen. Das Infektionsschutzgesetz enthält ansonsten sehr viele Bußgeld- und Gefängnisstrafen. Ich nenne mal ein Beispiel: Nach § 73 Infektionsschutzgesetz wird ein Arzt, der den Verdacht einer Erkrankung mit Masern nicht richtig meldet, mit einer Geldbuße von bis zu 25 000 Euro bestraft. Aber bei der Triage, bei der es um Leben oder Tod geht, soll es keinerlei Sanktionen geben. Das verstehe ich nicht, und das verstehen auch die Betroffenen nicht.
Ein Letztes. Zur Aus- und Weiterbildung des medizinischen Personals vertrösten Sie uns im Begründungsteil auf später. Ich frage mich tatsächlich, warum der gerade vorliegende Referentenentwurf bei der aktuellen Überarbeitung der Approbationsordnung die sogenannten „behinderungsspezifischen Besonderheiten“ nicht, wie vom Verfassungsgericht gefordert, aufgenommen hat.
Meine Damen und Herren, unter diesen Voraussetzungen und auch wegen der mangelnden Beteiligung der Betroffenen können wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
Vielen Dank fürs Zuhören.
Beifall bei der CDU/CSU)
Die Kollegin Dr. Kirsten Kappert-Gonther hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)