Rede von Jens Spahn in 66. Sitzung
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele Debatten in diesem Haus sind kontrovers; das ist Demokratie. Aber in der Frage einer Beteiligung des chinesischen Staatsunternehmens COSCO am Hamburger Hafen hat es große Einigkeit gegeben: Alle Fraktionen bis auf eine waren im Ausschuss gegen jegliche Beteiligung COSCOs am Hamburger Hafen.
Allein, diese breite Mehrheit in einem Ausschuss des Deutschen Bundestages ist nicht Politik geworden. Olaf Scholz war als Handelsvertreter Hamburgs unterwegs, er hat aber nicht die nationalen Interessen Deutschlands vertreten. Sie haben sich als Ampelkoalition an dieser Stelle dem Machtwillen und der brachialen Machtausübung des Bundeskanzlers gebeugt.
Beifall bei der CDU/CSU
Zuruf von der SPD: Mein Gott!)
Herr Müller, Sie haben das Regieren der Union in 16 Jahren angesprochen, dazu möchte ich Ihnen etwas sagen. Regieren per Richtlinienkompetenz, nur um ein Kernkraftwerk acht oder sechs Wochen länger laufen zu lassen, sich in einer Blockade gegen sechs Bundesministerien, die gesagt haben, eine Beteiligung COSCOs am Hamburger Hafen sollte es nicht geben, brachial durchzusetzen, eine Außenministerin, die aus Kasachstan, vom Ausland aus – nicht einmal wir als Opposition würden aus dem Ausland die eigene Regierung kritisieren –, den Kanzler kritisiert, dazu kann ich Ihnen nur sagen: So, wie der Zustand in Ihrer Koalition ist und hier die Dinge durchgesetzt werden, ist die nächste Ausfahrt die Vertrauensfrage.
Sie sollten was zu China sagen!)
So eine brachiale Machtausübung aus dem Kanzleramt, diese Art, auch europäisches Porzellan zu zerschlagen, ein solches Durcheinander hat es in 16 Jahren unionsgeführter Bundesregierung nie gegeben, da wurde vernünftig miteinander umgegangen
Beifall bei der CDU/CSU)
und da hat man sich mit den europäischen Partnern abgestimmt.
Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dabei gibt es für die künftige China-Strategie eigentlich einen großen Konsens in diesem Haus. China ist mit 1,4 Milliarden Menschen ein wichtiger Handelspartner und wird es auch bleiben. Als Exportnation ist und bleibt Deutschland mit der Welt verbunden. Niemand möchte die Beziehungen zu China abbrechen.
Aber der Handel mit China ist so weitgehend, dass strategische Abhängigkeiten drohen. Das ist übrigens der Grund, warum wir das Außenwirtschaftsrecht in den letzten Jahren geändert haben; nur auf Basis dieser Änderungen kann doch die Bundesregierung heute überhaupt Übernahmen untersagen.
So ist es!)
Das gilt umso mehr – das ist schon gesagt worden –, als das China von heute ein anderes ist als das China von vor fünf oder zehn Jahren. Autokraten lügen meist über Vergangenheit und Gegenwart; über die Zukunft sagen sie nicht selten die Wahrheit. Xi ist sehr transparent, was eine gewaltsame Einverleibung Taiwans angeht, was die Rolle Chinas in der Welt angeht, was das strategische Schaffen von Abhängigkeiten, auch durch das systematische Aufkaufen von Hafeninfrastruktur, angeht.
Deswegen wären mögliche Prinzipien für eine China-Strategie zum Beispiel das Prinzip der Reziprozität, was ganz einfach heißt: Solange sich kein deutsches Unternehmen am Hafen von Schanghai beteiligen kann, sollte sich auch kein chinesisches am Hamburger Hafen beteiligen können – ein einfaches Prinzip, einfach umzusetzen, verstehen alle Partner.
Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Oder: Wenn China die Stahl- und die Solarindustrie staatlich stützt und damit Dumpingpreise auf dem Weltmarkt fördert, dann kann es für China keinen freien Marktzugang geben, dann braucht es eben Zölle.
Wir müssen Abhängigkeiten screenen und schauen: Wo sind Produkte leicht ersetzbar? Klar sind Masken leichter ersetzbar als Biotechnologie.
Zuruf von der AfD: Mit Masken kennen Sie sich ja aus!)
Stellen Sie sich eine Welt vor, in der der Impfstoff nur in China – oder in Russland – und nicht auch in der westlichen Welt entwickelt worden wäre: Wir hätten alle in Peking um Impfstoff betteln müssen. Es ist wichtig, dass wir screenen, dass wir schauen, wo Abhängigkeiten entstehen können – etwa bei Halbleitern, bei Biotechnologie, bei Militärtechnologie und in anderen Bereichen –, und hier staatlich gegensteuern.
Wichtig ist auch, die Handelsbeziehungen zu diversifizieren. Wir haben gerade vom Kollegen Vogel gehört, CETA würde bald ratifiziert.
Ja!)
Uns ist in der letzten Debatte hier erzählt worden, wir würden noch in diesem Herbst – wir sind mit großen Schritten auf dem Weg in den Winter – das Handelsabkommen mit Kanada ratifizieren, und zwar nicht zuletzt, um zu zeigen, dass wir eine Handelspolitik wollen, durch die wir unabhängiger werden von China. Wenn das so ist, dann lassen Sie uns endlich hier im Deutschen Bundestag über CETA abstimmen und gemeinsam zustimmen.
Beifall bei der CDU/CSU)
China-Politik beginnt zu Hause. Es geht nicht allein um eine China-Strategie, es geht auch um eine Deutschlandstrategie. Wenn wir souverän sein wollen, dann müssen wir auch wirtschaftlich stark sein, dann müssen wir eine Industriepolitik machen, die dafür sorgt, dass wir Industrieland bleiben – gerade auch in diesen Zeiten –, dass wir mithalten können. Das gilt mit Blick auf die erneuerbaren Energien auch bei den Windkraftanlagen: Sechs der zehn weltweit größten Hersteller kommen aus China. Sie kommen mit ihren Produkten auf unseren Markt, unsere Hersteller aber nicht auf ihren. Auch das kann so nicht bleiben.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir können China nicht ändern. Aber wir können an uns arbeiten und unsere Stärken ausbauen. Unser künftiger Wohlstand kann und darf nicht von China abhängen. Dafür müssen wir souveräner werden. Das ist im Interesse unseres Landes.
Fangen Sie jetzt auch an, so zu handeln; sonst scheitert Ihre China-Strategie schon, bevor sie überhaupt angefangen hat.
Beifall bei der CDU/CSU)
Frank Schwabe hat das Wort für die SPD-Fraktion.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)