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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich auch bei der CDU/CSU-Fraktion für die Gelegenheit, heute ein paar historische Einblicke in einer so wichtigen Debatte über eine aktuelle Konfliktlage geben zu können – das könnte auch dem Herrn Gauland bei der Frage des lebenslangen Lernens helfen –; denn gestern vor 30 Jahren wurde das Abkommen von Belowesch unterzeichnet. Die Wenigsten wissen es noch.
Für die Ukraine war das keine geopolitische Katastrophe, wie es Putin heute glauben machen will – der Kollege Link hat die Motivationen gerade alle ganz richtig beschrieben –; nein, es war der Beginn des Weges der Ukraine in ein demokratisches Europa, mit unserer ganzen Unterstützung.
In diesem Vertrag einigten sich die drei Staatsoberhäupter von Russland, Weißrussland und der Ukraine auf die volle Souveränität ihrer Staaten, auf die territoriale Integrität, die Sicherung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf der Grundlage der UN-Menschenrechtskonvention und auf das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und heute? Nichts davon wird mehr von Putin eingehalten. Ich sage bewusst „Putin“ und danke auch für den Hinweis des Kollegen Link; denn es sind nicht die Bürgerinnen und Bürger Russlands, sondern es ist die russische Nomenklatura gemeint, die in Moskau herrscht. Seit 2014, der Verabschiedung der geltenden russischen Militärdoktrin, sehen wir uns mehr und mehr mit einer Russischen Föderation konfrontiert, die jeden Anspruch, mit ihren Anrainerstaaten partnerschaftlich umzugehen, aufgegeben hat. Deshalb verstehen Sie auch diese Militärdoktrin so gut: Ihr völkischer Gedanke, den Sie hier immer wieder verbreiten, ist ein Bestandteil der Grundlage russischer Militärdoktrin.
In Russland wird das vielleicht Patriotismus genannt; bei uns ist das ein völkischer Nationalismus,
Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
der nicht Grundlage internationaler Politik sein darf und sein kann; denn er ist die Ursache für Krieg und Katastrophen, wie wir in ausreichendem Maße erlebt haben. Das wollen wir nicht mehr. Das ist nicht Grundlage von Politik.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber er ist die Grundlage eines zunehmenden Expansionismus Russlands mit Mitteln der hybriden Kriegführung. Von der offenen Annexion der Krim – viele Punkte sind beschrieben – über die faktische Besetzung des Ostens der Ukraine und die Sperrung ukrainischer Häfen gipfelt diese Politik in der offenen Drohung mit Truppen und schwerem Gerät an der ukrainischen Grenze. Wie ist eine solche Politik zu verstehen? Wir haben eine Übung im Frühjahr dieses Jahres vielleicht noch als Show of Force gesehen. Aber vielleicht war tatsächlich Ziel der Übung, schweres Gerät und Combat-Ready-Truppen an die ukrainische Grenze zu bringen. An den Fall des politischen Auftragsmords im Berliner Tiergarten und den Fall Skripal will ich gar nicht erinnern. Aber dieses gehört alles in ein und dasselbe Bild der Strategie einer Politik, die auf Erpressung, auf Drohung und im Zweifelsfall auf das Inkaufnehmen eines Krieges, der Auseinandersetzung mit militärischen Mitteln, aus ist.
Diese Drohungen Putins flankieren seine Forderung, keine Osterweiterung der NATO zu garantieren und die Ukraine als russisches Einflussgebiet zu tolerieren. Das ist für uns keine Grundlage von Politik und klar abzulehnen.
Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Nein, auch die Ukraine selbst verweist mit dem Blick auf den Vertrag auf ihre volle Souveränität und Integrität. Dabei findet sie nicht nur unsere volle Unterstützung, sondern auch die volle Unterstützung des gesamten demokratischen Westens.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ist bei irgendeiner NATO-Konferenz im Laufe der letzte Wochen – ich kenne keine – die Aufnahme der Ukraine in die NATO beschlossen worden? Nein. Sind Raketen in der Ukraine stationiert worden, mit der russisches Territorium unmittelbar und direkt bedroht wird? Nein. Das ist nicht so. Es werden aber Potemkinsche Dörfer von Putin aufgebaut, um dann sagen zu können: Das legitimiert mein völkerrechtswidriges Handeln und Verhalten.
Ich hoffe, viele Telefonate und Konferenzen in diesen Tagen führen zu dem, was die ukrainischen Menschen selber haben wollen: Sie wollen in Frieden leben, sie wollen Deeskalation, sie wollen keine militärische Auseinandersetzung. 14 000 Tote in der Ukraine sind Mahnung genug für Russland und für Putin, in demokratische Strukturen, in Gespräche, in Verhandlungen zurückzukehren. Die Türen sind alle offen. Die Rückkehr in das Normandie-Format, die Rückkehr des NATO-Botschafters Russlands nach Brüssel: All das sind Punkte, auf die wir setzen müssen.
Herr Putin, lassen Sie von jetzt an jegliche Form militärischer Machtdemonstration! Wir brauchen Gespräche, Deeskalation und Frieden und keine Kriegstreiberei.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Wolfgang Hellmich. – Letzter Redner in dieser Debatte und auch für den heutigen Tag ist der Kollege Thomas Erndl für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)