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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beginne
mit einem Zitat aus dem Vorwort des Einzelplans des Bundesjustizministeriums, das da lautet – das haben wir heute schon gehört –:
Das Bundesministerium der Justiz ist in erster Linie ein Gesetzgebungsministerium, und es berät die anderen Ministerien bei deren Vorhaben.
Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
Recht, liebe Kolleginnen und Kollegen, setzen aber letztendlich wir, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Wir regeln damit das Zusammenleben
der Menschen.
Zuruf der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU])
Unser Rechtsstaat gewährleistet Freiheit und schafft mit den unabhängigen Gerichten ein Verfahren, das Konflikte staatlicherseits beendet, die die
Betroffenen selbst nicht in den Griff bekommen. Er verbietet aber auch, dass Konflikte mit den Mitteln der Selbstjustiz geregelt werden. Ich hätte mir als
Student in den 80er- und als Richter in den 90er-Jahren nicht vorstellen können, dass wir irgendwann Parallelgesellschaften haben, die meinen, sie könnten ihre
Konflikte teilweise außerhalb des staatlichen Konfliktregelmanagements regeln.
Zuruf des Abg. Fabian Jacobi [AfD])
Der Rechtsstaat, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss das alleinige Gewaltmonopol haben, weil sonst das Vertrauen in ihn schwindet.
Das Vertrauen der grundsätzlich rechtstreuen Bürger und Bürgerinnen unseres Landes, ohne deren Rechtstreue der Rechtsstaat ja gar nicht funktionieren
würde, leidet aber auch, wenn die Rechtsetzung die gesellschaftliche Debatte abkürzt oder gar ersetzt. Ich habe das beim Werbeverbot für Abtreibungen so
empfunden; und so empfinden es auch viele Kollegen aus der Justiz, wenn es um den jüngsten Vorschlag des BMJ geht, die Strafzumessungsvorschrift des § 46 StGB
zu reformieren. Sehr geehrter Herr Minister, Gesellschaftspolitik allein darf nicht der Sound sein, der den Ton für die Rechtspolitik und die Rechtsetzung
angibt.
Beifall bei der CDU/CSU)
Zudem sollten wir – und das ist mir ein echtes Anliegen – darauf achten, dass wir Gesetze beschließen, die sich in der Praxis dann auch als ausführbar
erweisen. Drei Negativbeispiele in aller Kürze:
Das erste: die allgemeine Impfpflicht. Wenn sie denn so gekommen wäre, wie es ein Teil des Hauses gewollt hätte, wäre sie in der Kürze der Zeit, die
dafür vorgesehen war, nicht umsetzbar gewesen,
weil den Krankenkassen, die das machen sollten, das Personal und das Papier fehlte.
Zweitens. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist bis heute ohne Wirkung geblieben.
Es ging um den Schutz vulnerabler Gruppen!)
Wir haben sie mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss in aller Schnelle vorbereitet wegen des Schutzes vulnerabler Gruppen. Bis heute ist sie praktisch
bedeutungslos geblieben.
Na, Gott sei Dank! Das war ein Riesenmurks, Herr Müller!
Das dritte Beispiel. Es gibt Irritationen, wie ich es gesagt habe, auch in der Justiz, wenn diejenigen, die für die Rechtskontrolle zuständig sind –
und damit nenne ich als ehemaliger Strafrichter die Strafgerichtsbarkeit als Beispiel –, das Gefühl haben, dass ihre Handlungsspielräume immer mehr eingeengt
werden. Deshalb habe ich mir hier bewusst den § 46, so wie Sie ihn reformieren wollen, noch einmal vorgenommen.
Die Strafzumessung ist ureigenste Aufgabe der Tatgerichte. Das sieht auch der Bundesgerichtshof so und greift deshalb nur bei groben Fehlern ein. Sie
engen aber diesen allgemeinen Rahmen der Strafgerichtsbarkeit, die die Gerichte bei der Strafzumessung haben, durch Einzelfallkatalogvorgaben immer weiter ein;
und das verengt die Befugnisse. Sie verengen nicht nur die Befugnisse, sondern – das ist die negative Begleiterscheinung – Sie erschweren damit auch die
Beweisaufnahme, die sich auf weitere Punkte erstrecken muss, und konterkarieren damit auch die Ergebnisse, die wir in der letzten Legislaturperiode mit dem
damaligen Koalitionspartner gemeinsam erreicht haben, als es darum ging, die Beweisaufnahme abzukürzen, Beweisantragsrechte zu kürzen – und das natürlich nicht,
ohne den Rechtsstaat dabei zu beachten.
Deshalb komme ich zu dem Schluss, dass es richtiger wäre – und so sieht es auch der Deutsche Richterbund –, dass wir den Kurs fortsetzen, den wir mit
dem Pakt für den Rechtsstaat eingeschlagen haben. So sollte es ja auch nach Ihrem Koalitionsvertrag sein. Das heißt, dass wir gemeinsam mit den Ländern für
adäquate sachliche wie personelle Ausstattung der Justiz, der Polizei und der Gerichte sorgen, insbesondere auch zum Schutz vor Hassdelikten.
Ein Satz noch zur Ersatzfreiheitsstrafe. Alle sagen, die Vollstreckung muss halbiert werden. Ich rekurriere auf den Justizminister Goll von der FDP,
der vor über 20 Jahren in Baden-Württemberg das Programm „Schwitzen statt Sitzen“ eingerichtet hat. Warum gehen Sie nicht dahin gehend vor, indem Sie sagen, für
einen Tag Arbeit werden zwei Tage Ersatzfreiheitsstrafe angerechnet?
Dr. Marco Buschmann, Bundesminister: Weil die Länder das nicht wollen!)
– Das muss man doch prüfen.
Als Letztes bitte noch einen Satz, Herr Präsident: Vielleicht hilft es ja, wenn wir endlich mal begreifen, dass die Menschen draußen den
bürokratischen Aufwand, den wir mit den Gesetzen hier drin verursachen, –
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss.
– erkannt haben, und wir mäßigen uns diesbezüglich; das ist mein Appell. Aber vielleicht hilft ja der Normenkontrollrat, –
– der jetzt beim BMJ angesiedelt ist. Allerdings natürlich nur dann, wenn man seine Ratschläge annimmt.
Beifall bei der CDU/CSU)
Als ehemaliger Strafrichter wissen Sie ja, dass die mangelnde Befolgung von Anordnungen des Vorsitzenden Konsequenzen haben kann. – Und ich will die
Regierungsbank darauf hinweisen, dass bilaterale Gespräche nicht üblich sind.
Nächster Redner ist der Kollege Jan Plobner, SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)