- Bundestagsanalysen
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wenn man sich hier im Regierungsviertel und der direkten Umgebung so umschaut, dann fühlt sich das Thema Armut erst mal wie ganz weit weg an. Aber keine 15 Minuten mit dem Fahrrad von hier entfernt, gibt es Kieze, in denen mehr als jedes dritte Kind in Armut aufwächst – mehr als jedes dritte Kind! Das sind Zahlen, bei denen mir, ehrlich gesagt, die Spucke wegbleibt.
Diese Zahlen zeigen Lebensrealitäten auf, die unfassbar viele Menschen betreffen, auch im eigenen Umfeld, was man aber oft nicht weiß, nicht direkt sieht und worüber auch wenig gesprochen wird. Denn Armut ist in unserem Land leider immer noch ein sehr stigmatisierendes Thema. Viele Menschen schämen sich dafür, von Armut betroffen zu sein, und auch dafür, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dabei müssten sich eigentlich nicht die Betroffenen für irgendwas schämen, sondern es sind wir alle als Gesellschaft, die davon betroffen sein sollten, dass in einem so reichen Land wie Deutschland so viele Menschen in Armut leben.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber eben weil das Thema Armut nach wie vor mit Stigmatisierung behaftet ist, ist es umso wichtiger, dass es Berichte wie diesen gibt, den wir heute diskutieren, der uns den akuten Handlungsbedarf immer wieder schwarz auf weiß vor Augen führt; daher vielen Dank an den Paritätischen Gesamtverband für den diesjährigen Armutsbericht.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Bericht zeigt: Armut ist nach wie vor ein umfassendes Problem in Deutschland. Auch die Zahl armer oder von Armut bedrohter Kinder und Jugendlicher nimmt in Deutschland seit Jahren immer weiter zu. Die Armut unter Kindern und Jugendlichen hat in diesem Jahr mit 20,8 Prozent eine neue traurige Rekordmarke erreicht. Damit lebt fast jedes fünfte Kind in unserem eigentlich sehr reichen Land in Armut. Das ist ein Zustand, werte Kolleginnen und Kollegen und liebe Bundesregierung, der so definitiv nicht bleiben kann.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Wir alle wissen – gerade als Sozialdemokratin ist mir das natürlich schmerzlich bewusst –, welche gravierenden Folgen Armut gerade für die Entwicklung junger Menschen hat. Armut bedeutet in unserem Land einen schlechteren Zugang zu Bildung, weniger Freizeitmöglichkeiten, beengte Wohnverhältnisse, schlechteres Essen und mehr gesundheitliche Probleme. All diese Umstände machen es jungen Menschen enorm schwer, der Armutsfalle aus eigener Kraft zu entkommen. Wer hier in Armut aufwächst, hat schlechtere Startvoraussetzungen, und das kann sich im gesamten Lebenslauf auswirken; das ist extrem ungerecht.
Um diese seit Jahren anhaltende negative Entwicklung der Kinder- und Jugendarmut endlich umzukehren und so auch für mehr Chancengerechtigkeit zu sorgen, braucht es ein zielgerechtes Umsteuern in unserer Sozialpolitik. Wir brauchen endlich eine Politik, die junge Menschen und ihre Wünsche und Bedarfe in den Mittelpunkt stellt. Da möchte ich sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken: Genau das werden wir auch tun. Deswegen haben wir uns nämlich in dieser Legislaturperiode vorgenommen, endlich eine Kindergrundsicherung einzuführen, die unbürokratisch allen Kindern und Jugendlichen zugutekommt.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Da bin ich ja mal gespannt!)
Diese neue Sozialleistung soll ein gutes Aufwachsen für alle jungen Menschen unabhängig von ihrem Elternhaus ermöglichen. Sie soll einfach zugänglich und transparent sein. Und sie soll Kinder und Jugendliche in allen Lebenslagen vor Armut schützen – egal ob sie Unter den Linden oder im Wedding aufwachsen.
Die Kinder- und Jugendarmut ist aber natürlich nur einer der Armutsbrennpunkte, die dieser Bericht aufzeigt. Auch bei den Erwerbslosen ist die Armutsquote besonders hoch ebenso wie bei den Seniorinnen und Senioren und bei den Menschen mit einer Migrationsbiografie. Wie bei der Kinder- und Jugendarmut gilt auch hier, dass wir auch für diese Gruppen nachhaltige Konzepte und größere Weichenstellungen brauchen, um die Armut endlich zu überwinden. Auch da kann ich wieder sagen: Genau daran arbeiten wir doch mit dieser Bundesregierung – mit der Kindergrundsicherung,
Es sind 600 Millionen Euro weniger im Haushalt!)
mit dem neuen Bürgergeld, das wir einführen werden, und mit einem armutsfesten Mindestlohn von 12 Euro, den wir schon beschlossen haben.
Sie kürzen doch gerade eine halbe Milliarde, Frau Klose!)
Damit werden wir diese Weichen stellen, und ich hoffe, dass wir dadurch in den nächsten Jahren in den Armutsberichten eine Trendumkehr in der Armutsspirale feststellen werden.
Vielen Dank.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Markus Reichel.
Beifall bei der CDU/CSU)