- Bundestagsanalysen
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass sich der Deutsche Bundestag zu Beginn der Wahlperiode dem Friedensprozess in Kolumbien widmet. Ich will mich ausdrücklich bei unseren Partnerfraktionen, Grüne und FDP, dafür bedanken, dass es gelungen ist, einen der ersten außenpolitischen Anträge der Ampel zu diesem Thema zu formulieren. Und ich will mich – das erlauben Sie mir bitte – bei Bettina Lugk, unserer SPD-Kollegin, bedanken, die den Antrag federführend verhandelt hat. Es ist ihr erster Antrag als neugewählte Abgeordnete, und jetzt kann sie nicht reden, weil sie krank ist. Sie hätte das sehr gerne getan. Jetzt muss der Sprecher ran, der aber voll hinter dem Antrag steht – völlig klar –
Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
und der auch noch gerne daran erinnern will, dass der Friedensvertrag und der Friedensprozess in Kolumbien auch ein Produkt nachhaltiger deutscher Außenpolitik ist.
Es war Bundesaußenminister Steinmeier, der, unterstützt durch den Sondergesandten Tom Koenigs, maßgeblich am Zustandekommen dieses Friedensabkommens beteiligt war. Deshalb fällt Deutschland, deshalb fällt uns als Bundestag eine besondere Verantwortung für diesen Friedensprozess zu, und deshalb wollen wir alles dafür tun, dass jetzt auch zusammen mit der neuen Regierung, auf die Kollegin Engelhardt eingehen wird, dieser Friedensvertrag weiter umgesetzt wird. Er hat eine historische Dimension für Kolumbien angesichts eines jahrzehntelang andauernden Bürgerkrieges. Es ist das erste Friedensabkommen, das die Genderdimensionen voll verankert hat, um auch den Beitrag von Gendergerechtigkeit für Frieden zu betonen.
Aber man muss auch festhalten, dass in den letzten Jahren die Umsetzung dieses Friedensabkommens langsam, unvollständig war und dass noch ein weiter Weg zu gehen ist durch die politischen Kräfte in Kolumbien, durch die Gesellschaft in Kolumbien, um die hochgesteckten Ziele zu erreichen. Dazu gehört vor allem, den Grund vielen Übels, die soziale Ungleichheit, die in Kolumbien genauso schreiend ist wie in vielen anderen lateinamerikanischen Ländern, nachhaltig zu bekämpfen. Dazu gehört ohne Zweifel eine gerechte Steuerpolitik. Aber lassen Sie mich auch deutlich sagen – wir haben das ausdrücklich aufgenommen in den Antrag –: Dazu gehört auch eine umfassende Landreform. Solange Bürgerinnen und Bürger, vor allem auch die Bauernschaft des Landes, nicht selbstständig wirtschaftlich tätig sein können, wird die wirtschaftliche Entwicklung in Kolumbien und übrigens auch in anderen südamerikanischen Ländern nicht gedeihlich vorangehen können. Wir wissen aus den erfolgreichen Tigerstaaten Ostasiens – ob Taiwan, Japan oder Südkorea –, dass eine umfassende Landreform der erste Grundstein war. Sie bietet für die Breite der Bevölkerung die Chance, ein erstes Einkommen zu erzielen und dann weiter zu investieren. Das gilt auch für Kolumbien. Deshalb ist die Unterstützung der Landreform zentral für den Erfolg des Friedensabkommens.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jens Beeck [FDP])
Aber auch die Sicherheit all derjenigen, die sich gesellschaftlich und politisch engagieren, gehört dazu. Auch nach dem Friedensabkommen gab es gezielte Anschläge auf „lideres sociales“, also engagierte Menschen, die sich für eine Landreform, für gewerkschaftliche Arbeit oder andere politische Ziele einsetzen. Das muss aufhören. Das ist zuvörderst Verantwortung der Regierung, der Justiz, der Polizei, der Armee in Kolumbien selbst. Wir können nur darauf dringen, dass jeder und jeder Einzelne, die sich in die Gesellschaft einbringt, nicht um Leib und Leben bangen muss.
Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Aufarbeitung der furchtbaren Verbrechen der Vergangenheit zentral. Ich habe nur die Berichte gelesen; ich habe die Berichterstattung nicht im Fernsehen verfolgt. Alles, was man über die Arbeit der Wahrheitskommission liest und hört, ist berührend und unglaublich beeindruckend. Wie die Guerilleros, die Militärs, rechte Milizionäre nach und nach offenbaren, welche furchtbaren Gräueltaten begangen worden sind, zeigt, wie tief dieser Krieg die Gesellschaft erfasst hat; aber es zeigt auch die Bereitschaft zur Versöhnung an. Deshalb ist es unglaublich wichtig gewesen, dass die Wahrheitskommission trotz schwieriger Bedingungen unter dem jetzt scheidenden Präsidenten ihre Arbeit entschieden vorangetrieben hat. Die Empfehlungen der Wahrheitskommission sollten auch Beachtung finden im politischen Leben Kolumbiens. Wir werden das nach Kräften unterstützen. Wir sind – ich will es noch einmal sagen – wirklich zutiefst beeindruckt von der Arbeit dieser Kommission und dem Mut zur Offenheit, diese schlimme Zeit in Kolumbien aufzuarbeiten.
Schließlich gibt es auch eine Anforderung an uns: Kolumbien ist ein Hort der Kokainwirtschaft. Kokain wird nur zum geringsten Teil in Kolumbien konsumiert, sondern überwiegend in den USA, bei uns in Europa. Wir müssen der Kokainwirtschaft die Grundlage entziehen, indem wir den internationalen Drogenschmuggel konsequent bekämpfen. Damit können wir einen ganz konkreten Beitrag zum Erfolg des Friedensabkommens leisten. In diesem Sinne werbe ich für Zustimmung zu diesem guten Antrag.
Herzlichen Dank.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Schmid. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Stefan Keuter, AfD-Fraktion.
Beifall bei der AfD)