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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich 18 Jahre alt wurde, herrschte in Deutschland Euphorie, nicht etwa, weil der Junge aus Dülken endlich volljährig war, sondern weil die T‑Aktie gerade durch die Decke ging. So entschloss auch ich mich, einige wenige Aktien eines deutschen DAX-Konzerns zu kaufen. Statt des erhofften Gewinns brachten die aber erst mal nur Verluste, und so entschied ich mich, die Aktien zu halten. Seitdem trudelte Jahr für Jahr die Einladung zur Hauptversammlung bei mir ein. Hingefahren bin ich nie; zu teuer, zu umständlich wäre das aus meiner Heimat im Kreis Viersen gewesen.
Ist doch gar nicht so weit von Dülken!)
So wie mir wird es vielen Kleinanlegern gegangen sein, bis im Jahr 2020 im Zuge der Coronapandemie virtuelle Hauptversammlungen erstmals ermöglicht wurden. Ich stimme dem Bundesjustizminister ausdrücklich zu: Man kann heute sagen: Dieser Schritt hat sich bewährt. Die Teilnahme ist für alle Beteiligten leichter. Sie sparen Zeit und Geld, und die Qualität der Antworten auf die Aktionärsfragen ist genauso gestiegen wie die Anzahl der Aktionärsfragen. Deswegen ist es vollkommen richtig und vor allem auch zeitgemäß, aus der pandemiebedingten Sonder- eine Dauerregel zu machen.
Dabei müssen wir aber einerseits beachten, dass virtuelle Hauptversammlungen eine andere Dynamik als Präsenzhauptversammlungen haben und mit anderen technischen und organisatorischen Herausforderungen verbunden sind. Andererseits rechtfertigen aber gerade diese Unterschiede nicht, aus ihnen Hauptversammlungen zweiter Klasse zu machen.
Umso verwunderter musste man sich Anfang des Jahres beim Blick in den Referentenentwurf die Augen reiben. Von der im Koalitionsvertrag und auch gerade angekündigten uneingeschränkten Wahrung von Aktionärsrechten war der noch meilenweit entfernt. Die Kritik war deshalb zu Recht groß, und die Nachbesserungen waren es zum Glück auch. Der Regierungsentwurf hat deutlich dazugelernt: Reden können die Aktionäre jetzt auch ohne Voranmeldung. Gegenanträge und Nachfragen sind auch spontan möglich, und Fragen zu aktuellen Themen sind erlaubt.
Es bleiben aber noch viele offene Fragen: Sollen die Aktionäre die Entscheidung über das Format der Hauptverhandlung wirklich für fünf Jahre aus der Hand geben können? Braucht es da nicht zumindest ein Minderheitenquorum zur Einberufung einer Präsenzhauptversammlung? Sind zwei Tage für Aktionäre wirklich ausreichend, um zum Vorstandsbericht schriftlich Stellung zu nehmen? Reicht umgekehrt ein Tag für die Unternehmen, um auf möglicherweise teils Hunderte Aktionärsfragen zu antworten? Wie können die Teilnehmer rechtssicher identifiziert werden? Wie muss der virtuelle Meldetisch konkret ausgestaltet werden? Und welche Rechte hat der Versammlungsleiter, wenn gleichzeitig mehrere Hundert Wortmeldungen eingehen?
Auf all diese Fragen müssen wir in den kommenden Wochen praktikable und rechtssichere Antworten geben; denn diese Antworten werden letztlich darüber entscheiden, ob virtuelle Hauptversammlungen, wie die schon heute möglichen Hybridhauptversammlungen, ein Schattendasein fristen oder eine echte Alternative zu Präsenzhauptversammlungen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Coronapandemie hat uns deutlich gezeigt: Hybride und virtuelle Versammlungen können im Aktienrecht, aber auch weit darüber hinaus eine echte Alternative sein. Sorgen wir gemeinsam in den nächsten Wochen dafür, dass sie es auch in Zukunft bleiben!
Beifall bei der CDU/CSU)
Der nächste Redner ist Esra Limbacher, SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)