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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kaum eine Rede in diesem Haus ist seit dem 24. Februar 2022 ohne einen Verweis auf den Krieg in der Ukraine ausgekommen – eine bewaffnete Auseinandersetzung mitten in Europa, die jedes Ressort, jede politische Debatte betrifft.
Dass dieser zerstörerische und völkerrechtswidrige Krieg Russlands in der Ukraine verheerende Folgen für viele Länder auslösen würde, war uns früh bewusst. Die langfristigen Folgen des Krieges werden wir auch in Deutschland zu spüren bekommen – einige spüren wir heute schon –, jedoch bei Weitem nicht in dem Ausmaß wie Menschen im Globalen Süden, die akut von Hunger bedroht sind. Zusätzlich zu den rund 800 Millionen Menschen, die bereits jetzt an Hunger leiden, könnten als Folge des Krieges noch viele Millionen Menschen den Zugang zur Grundversorgung mit Lebensmitteln verlieren. Diese Zustände dürfen und werden wir nicht hinnehmen. Wir werden jetzt zügig und unbürokratisch unterstützen müssen. Jetzt ist zielgerichtetes Handeln ohne Umschweife erforderlich.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Apropos Umschweife: Trotz einer weltweiten akuten Hungerkrise fordern Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, das Stiftungskapital des Globalen Treuhandfonds für Nutzpflanzenvielfalt von 380 Millionen US-Dollar um weitere 500 Millionen auf 880 Millionen US-Dollar aufzustocken. Damit solle sich der Treuhandfonds künftig durch seine eigenen Zinsen finanzieren, um so die weltweite Lebensmittelversorgung abzusichern. Das ist ein frommer Wunsch; er geht aber aus meiner Sicht völlig an der Realität vorbei. Ihre Rechnung berücksichtigt weder die aktuelle Inflationsrate noch die zu erwartenden Leitzinserhöhungen.
Verstehen Sie mich an dieser Stelle nicht falsch: Ich unterschätze keineswegs die langfristige Bedeutung dieses Fonds. Er ist unerlässlich, um Saatgutbanken weltweit gegen Klimawandel und kriegerische Zerstörung abzusichern. Dass Deutschland bereits der größte Geldgeber des Treuhandfonds ist, zeigt, welchen Stellenwert wir diesem Projekt beimessen. Der Nutzen von Saatgutbanken zeigt sich allerdings nur langfristig.
Wir denken nur langfristig!)
Die schnelle und effektive Bekämpfung des Welthungers findet mit anderen Mitteln statt. Auch der Direktor des Treuhandfonds, Stefan Schmitz – Sie werden ihn sehr gut kennen –, betont den reinen Zukunftsnutzen dieses Projekts.
Aktuell verhandeln wir in diesem Haus nicht eine, sondern mehrere dringende Krisen, denen es auch durch neue, weitere Haushaltsmittel zu begegnen gilt. Gäbe es diese Krisen nicht, könnten wir uns den „Luxus“ – in Anführungszeichen – leisten, über Ihren Antrag ernsthaft zu sprechen. Aber vor dem aktuellen Hintergrund ist dieser Antrag schlichtweg befremdlich und sicherlich nicht zielführend. Zurzeit ist unsere höchste Priorität, unsere wichtigste Aufgabe, schnell Antworten auf die gewaltigen Probleme zu finden, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Darum bin ich dem BMZ und der Bundesregierung sehr dankbar, dass im Entwicklungsetat überplanmäßige Ausgaben von 600 Millionen Euro im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine bewilligt wurden, 430 Millionen Euro davon zur Ernährungssicherung des Globalen Südens. Zudem sind die Mittel für das Sofortprogramm für die Ukraine noch einmal auf 185 Millionen Euro erhöht worden. Darüber hinaus stehen 1 Milliarde Euro aus dem Ergänzungshaushalt für die Folgen des Krieges in der Ukraine zur Verfügung.
Statt uns mit der Kapitalaufstockung einer stabil finanzierten Stiftung zu befassen, sollten wir uns tatsächlich den aktuellen Problemen widmen. Durch die gesicherte Finanzierung ist der Erhalt der Artenvielfalt von Nutzpflanzen gegeben; die Arbeit des Treuhandfonds ist nicht gefährdet.
Von daher: Die Idee kann ich nachvollziehen; sie ist aber aus meiner Sicht aktuell deplatziert. Der Antrag ist aus dem Januar. Ich glaube, in Anbetracht der Aktualität hätte man das sicher anders machen können. Lassen Sie uns gemeinsam die aktuellen Probleme angehen!
Ich wünsche Ihnen allen einen guten Abend und irgendwann auch einen schönen Feierabend.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Gava. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Wolfgang Stefinger, CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)