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Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken! Fangen wir mal mit dem Positiven in Ihrem Antrag an. Es gibt zwei Sätze, die absolut zutreffend sind:
Dieser Krieg ist durch nichts zu rechtfertigen und muss sofort beendet werden. Russische Soldaten und Militärgerät müssen aus der Ukraine abgezogen werden.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, so weit vollkommen richtig.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Und der Applaus, der hier durch die Reihen geht, unterstreicht, dass diese Haltung vom allergrößten Teil des Hauses auch getragen und geteilt wird. In diesem Sinne haben sich nach meinem Eindruck die Äußerungen der antragstellenden Fraktionen in den letzten Wochen ein bisschen verändert, weil in den Debatten der letzten Wochen, ebenso heute hier und dankenswerterweise auch im Antrag, ebenfalls klare und in der Form richtige, weil deutlich verurteilende Worte für diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg des Putin-Regimes gegen die Ukraine gefunden wurden. Sehr gut, dass hier eine klare Haltung vorhanden ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Diese Sätze zu Beginn Ihres Antrags sind aber insofern bemerkenswert, als wir es in vielen Debatten der letzten Jahre zu häufig von Ihnen gewohnt waren, dass vorbehaltslos prorussische Ansichten und ein Verteidigen der Putin’schen Politik an der Tagesordnung waren, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Da ist eine Änderung zu sehen.
Das ist doch Schwachsinn, was Sie hier erzählen!)
Wenn ich dann nämlich den Antrag weiterlese, öffentliche Äußerungen und auch den Beitrag der Kollegin Nastic hier zu Beginn dazunehme, dann kommen mir doch wieder Zweifel an einer möglicherweise veränderten Einstellung bei Ihnen. Denn wenn die Kollegin Nastic hier sagt, die Ampelkoalition und die Union hätten Deutschland mit ihrem Bundestagsbeschluss, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern und darüber hinaus auch ukrainische Soldaten in Deutschland oder auf NATO-Gebiet auszubilden,
Das war ein Zitat des Wissenschaftlichen Dienstes!)
zur aktiven Kriegspartei gemacht, dann ist das schlicht falsch, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP
Sie haben hier eben ausgeführt, dass Sie sich auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages beziehen. Dort heißt es – da müssen wir wirklich genau auf die Formulierung schauen –:
... wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, dann würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen.
Der erhebliche Unterschied in der Formulierung, die Sie gerade verwendet haben – zur aktiven „Kriegspartei“ zu werden –, und der Formulierung – möglicherweise den „gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen“ – müsste selbst Ihnen deutlich auffallen.
Sie zitieren mich auch noch falsch!)
Vor einiger Zeit hätte ich persönlich noch gesagt: Die einzige Handlung, die im gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung liegt, ist die Nichthandlung, also gar nichts zu tun, wirklich niemanden zu provozieren und nichts herauszufordern.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP
Heute wissen wir aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass selbst die Nichthandlung nicht davor schützt,
Opfer eines unprovozierten Angriffskriegs zu werden, so wie es die Ukraine geworden ist. Denn Russland hat gegen das UN-Gewaltverbot verstoßen und hat die territoriale Integrität eines friedliebenden Nachbarlandes, nämlich der Ukraine, infrage gestellt und verletzt. Russland hat Völkerrecht gebrochen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Laut der UN-Charta ist der Verteidigungskrieg die einzig legitime Form eines Krieges. Und als Unterstützer, auch in Form einer Ausbildung, wird man nicht automatisch zur Kriegspartei. Die Schwelle zur Kriegspartei, so sagt es die UN-Charta, wird dann überschritten, wenn eigene Soldaten denen einer anderen Kriegspartei unmittelbar Schaden zufügen. Das ist hier ganz klar nicht der Fall. Wir unterstützen vielmehr die Ukraine in ihrem Recht auf Selbstverteidigung, verehrte Kolleginnen und Kollegen, und das ist auch richtig und gut so.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Einen Aspekt, der in Ihrem Antrag völlig außer Acht gelassen wird, möchte ich aber gerne noch mal ansprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken: Das ist Wladimir Putin. Im Laufe seiner Präsidentschaft hat Putin ja schon viele Kriege geführt: den zweiten Tschetschenien-Krieg, den Krieg in Georgien, die Annexion der Krim, den Krieg in der Ostukraine und nun den flächendeckenden Angriffskrieg gegen die Ukraine, um nur ein paar zu nennen; es könnten noch mehr sein. Es gibt kaum Grundsätze des internationalen Rechts, die Putin in diesen Kriegen nicht gebrochen hat; das muss man ganz klar so sehen.
Wenn wir aus diesen vielen Auseinandersetzungen, die Putin geführt hat, spätestens jetzt eines gelernt haben sollten, dann ist es die Tatsache, dass Putin sich überhaupt nicht um die Regeln des friedlichen Zusammenlebens schert. Auch rationales Handeln kann man ihm überhaupt nicht attestieren; denn dann hätte er diesen wahnsinnigen Angriffskrieg nie begonnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir wissen es nicht sicher, aber möglicherweise ist es für Putins Handeln ja völlig unerheblich, wie wir uns verhalten. Sollte er irgendwann die persönliche Entscheidung treffen, Deutschland, die EU, die NATO oder wen auch immer als Kriegspartei zu sehen, dann ist es jedenfalls sehr unwahrscheinlich, dass er das aus rationalen Erwägungen heraus tun wird. Und er wird da sicherlich auch keine Paragrafen des Völkerrechts bemühen, um das zu erklären, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Denn sein Regime baut seit Jahren auf Desinformation und Propaganda, und Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind leider leere Worte für ihn.
Insofern ist dieser Diskurs, den wir hier heute Abend führen und den Sie mit diesem Antrag hier gestartet haben, ein Diskurs, der vielleicht für uns und für unsere eigenen moralischen Ansprüche ein guter und wichtiger ist, aber nicht für Putin, der das Völkerrecht offensichtlich verachtet, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Was unsere eigenen moralischen Grundsätze angeht, da befinden wir uns in der Tat in einem schwierigen Dilemma. Das spüre ich wie wahrscheinlich ganz viele Menschen in unserem Land ganz persönlich. Ich habe ehrlicherweise ein wirklich ungutes Bauchgefühl, wenn ich daran denke, dass ich hier vor einiger Zeit Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet zugestimmt habe. Da habe ich ein ungutes Bauchgefühl, und es wird vielen Kolleginnen und Kollegen so gehen. Ich habe aber ein mindestens ebenso ungutes Bauchgefühl, wenn ich mir vorstelle, wir würden einfach nur zuschauen, wie ein Land von einem feindlichen übermächtigen Aggressor angegriffen wird, und wir würden nur danebenstehen.
Wie in Irak, Afghanistan, Syrien!)
Das geht nicht, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie müssten zum Ende gekommen sein.
Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. – Deswegen müssen wir alles tun, was wir nach unserem sorgsamen Abwägen moralisch mit uns vereinbaren können. Zum Glück sind wir mit vielen Ländern –
– gemeinsam zu dem Schluss gekommen, dass wir die Ukraine nicht einfach sich selbst überlassen können, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Knut Abraham ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)