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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin Stark-Watzinger! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zeig mir deine Eltern, und ich sage dir, welchen Abschluss du machst. – Das war die Realität vor 100 Jahren, vor 70 Jahren, und das ist sie leider Gottes auch heute noch, im Jahr 2022.
Da gibt es viele Ausnahmen!)
Wir sind uns hier ja alle einig, und wir sagen das auch immer wieder: Bildung ist der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe, zum sozialen Aufstieg und zur Selbstverwirklichung, und dennoch zieht sich Bildungsungleichheit in unserem Land durch alle Bildungsgänge vom Kindergarten über den Berufsabschluss bis hin zur Promotion. Das Elternhaus öffnet Türen, oder es verschließt sie.
Lassen Sie mich dazu eine kleine Bestandsaufnahme machen. Während fast 80 Prozent aller Kinder aus Akademikerhaushalten ein Studium beginnen, schafft das nicht einmal jedes dritte Kind aus nichtakademischen Elternhäusern. Verfügen die Eltern über gar keinen Berufsabschluss, ist der Weg zur Hochschule fast gänzlich verschlossen. Denn diese Hürde zu überwinden, schafft nur noch jedes 50. Kind.
Natürlich muss nicht jeder an die Hochschule. Aber diese Beispiele zeigen doch, wie sehr der Bildungsweg vom Elternhaus abhängt. In keinem anderen Land in der Europäischen Union ist der Zugang zu Bildung so exklusiv und selektiv wie bei uns, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Dabei war das schon mal anders. Als das BAföG vor über 50 Jahren durch die sozialliberale Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt eingeführt wurde, sollte ein Paradigmenwechsel vollzogen werden. Die Idee dahinter: Bildungsgerechtigkeit erreicht man nur durch eine breite Ausbildungsförderung. Der Zugang zu Bildung sollte unabhängig vom Elternhaus werden und eben nicht nur ein Privileg der Oberschicht sein.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das BAföG wurde schnell zum Erfolg. Durch die finanzielle Unterstützung wurde der Zugang zur Schul- und Berufsausbildung deutlich erleichtert. Direkt nach seiner Einführung erhielt fast die Hälfte aller Studierenden eine staatliche Vollförderung. Dadurch öffneten sich die Hochschulen für die Breite der Gesellschaft.
Die Errungenschaften, die ich gerade aufgeführt habe – das möchte ich insbesondere aufgrund der Rede von Frau Staffler ganz ehrlich sagen –, wurden beginnend mit der Kohl-Regierung wieder umgekehrt. Es ging nämlich darum, den Kreis der Förderberechtigten einzugrenzen, die staatlichen Zuschüsse zu reduzieren. Hürden wurden hochgezogen, Bildung wurde wieder exklusiver. Die Zahl der durch BAföG geförderten jungen Menschen nahm deutlich ab, das Verschuldungsrisiko dagegen zu.
Was haben Sie eigentlich gemacht?)
Gespart wurde am gleichberechtigten Bildungszugang nach dem Motto „Zugang zur Bildung steht immer mehr nur denen offen, die es sich leisten können“. Das ist die Realität. Frau Staffler, ich freue mich sehr, dass die Union da jetzt offensichtlich eine Umkehr vollzogen hat und dass wir gemeinsam für die Studierenden und für das BAföG kämpfen.
Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Sieben Jahre Rot-Grün, acht Jahre Große Koalition! Wo war denn hier eure Initiative? Sorry! Ihr seid nicht die APO!
Zuruf der Abg. Katrin Staffler [CDU/CSU])
Die Folgen dieser Bildungsungerechtigkeit sind immens – für jeden Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft. Sie gefährdet nicht nur unser gesellschaftliches Klima; sie verschließt über Generationen hinweg Türen, und sie grenzt weite Teile der Bevölkerung aus. Denn fehlende Bildungschancen bringen soziale Exklusion und ein unweigerliches Armutsrisiko mit sich. Sie schränken die freie Berufswahl und den weiteren Werdegang ein. Diesen Teufelskreis müssen wir nachhaltig durchbrechen. Ist das geschafft, dann haben nicht nur die Nachfolgegenerationen wieder die Möglichkeit zur Teilhabe und zum sozialen Aufstieg, sondern dann schaffen wir als Gesamtgesellschaft wieder einen Nährboden, der Talente erkennt und fördert und jungen Menschen die Chance gibt, ihren Weg zu gehen. Darum geht es.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Davon profitiert nicht nur die einzelne Schülerin oder Studentin oder Auszubildende. Davon profitieren wir alle, wir als Gesamtgesellschaft, wir als Wissenschaftsstandort Deutschland. Das muss unser Ziel sein.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der heute vorgelegten Novelle gehen wir nicht nur ein kleines Reformschrittchen,
sondern beschließen heute den Beginn einer Trendwende.
Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU
Ich sage explizit „Beginn“; denn nach vielen Jahren ohne große Reformanstrengungen drehen wir die Abwärtsspirale im BAföG wieder um. Wir öffnen das BAföG für mehr junge Menschen.
Haben wir denselben Gesetzentwurf gelesen?)
Wir heben die Freibeträge um 20 Prozent und die Altersgrenze auf 45 Jahre an. Wir erhöhen die Bedarfssätze, den Wohnkostenzuschlag sowie den Kinderbetreuungszuschlag. Und wir erleichtern die digitale Antragstellung.
Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das alles sind Änderungen, die dringend notwendig sind, und deswegen machen wir sie jetzt und nicht erst in zwei Jahren. Wir brauchen sie jetzt. Daher treten sie bereits im Wintersemester in Kraft.
Was hat das jetzt mit dem Gesetzgebungsverfahren zu tun?)
Aber – das hat die Frau Ministerin gerade schon gesagt – wir ruhen uns darauf nicht aus; denn es gibt dringenden strukturellen Reformbedarf. Die Reformen haben wir fest im Koalitionsvertrag vereinbart; die setzen wir um. Für uns als SPD stehen hier insbesondere die Verlängerung der Förderhöchstdauer und die Absenkung des Darlehenanteils im Vordergrund.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie sehen, meine Damen und Herren: Das BAföG hat absolute Priorität für die Ampelkoalition.
Bevor wir uns aber an diese großen Reformen machen, haben wir heute erst mal allen Grund, zu feiern, nicht nur, weil Sie, Frau Ministerin, heute Geburtstag haben – an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch auch von mir! –, sondern vor allem, weil wir mit dieser Novelle den Grundstein für eine echte Trendwende im BAföG legen. Bildung ist der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie ihn uns vervielfältigen!
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie des Abg. Lars Rohwer [CDU/CSU])
Dr. Götz Frömming hat das Wort für die AfD-Fraktion.
Beifall bei der AfD)