Zwischenrufe:
6
Beifall:
7
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich einen Unterschied ganz klar deutlich machen und auch danken. Nach meinem Kenntnisstand hat die Union verhindert, dass zusammen mit diesem Antrag ein Antrag der AfD aufgesetzt wurde. Das finde ich auch richtig.
Er ist aufgesetzt! Das brauchen Sie nicht zu verhindern! Wir waren die Ersten!)
Es kann und darf hier keine Gleichstellung geben, und es muss selbstverständlich die Möglichkeit geben, dieses Thema aufzugreifen. Es darf hier kein Verdikt, Urteil, über die Union gefällt werden, nur weil wir in der Vergangenheit auch Anträge der AfD zu diesem Thema erlebt haben. Deswegen: Es muss möglich sein und es ist richtig, dass es solche Anträge und solche Diskussionen gibt.
Umgekehrt aber heißt das nicht, dass automatisch, weil der Antrag von der Union ist, da die Entschuldigung gilt, dass alles richtig ist, und man nicht genauso hinguckt, wie man bei der AfD hingucken würde. Und genau das versuche ich zu tun.
Sie fordern, Finanzströme aufzudecken und aufzuklären, wie die Finanzierung funktioniert; ein absolut legitimes Ziel. Sie bekennen sich zu einer strafrechtlichen Verfolgung, zur starken Bekämpfung eines islamistischen Terrorismus; das kann man nur unterstützen. Auch die Forderung der Fortschreibung des Expertenkreises Politischer Islamismus – unter anderem ist Naika Foroutan in diesem Gremium – halte ich für absolut korrekt und in Ordnung.
Ebenso ist es durchaus legitim – diskutabel, aber legitim –, dass Sie einen Dialog mit Vereinen und eine Klarstellung und Offenlegung der finanziellen Verhältnisse fordern. Sie fordern aber auch eine starke gesetzliche Verpflichtung und darüber hinaus – dann wird es in der Diskussion durchaus noch problematischer – größere Möglichkeiten, gesetzgeberisch aktiv zu werden und die Kompetenzen der G 10-Kommission zu erweitern.
Insgesamt ist das eine Reihe von Forderungen, bei denen man sagen könnte: Das ist berechtigt. Das Phänomen gibt es. Man kann sich damit auseinandersetzen. – Trotz alledem habe ich ein ganz schlechtes Gefühl und ein großes Unbehagen angesichts dieses Antrages und Ihres Vortrages. Ich versuche jetzt, deutlich zu machen, warum.
In Ihrem Antrag und in Ihren Ausführungen erscheint mit keinem Wort der Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit, der 2020 im BMI – stark unterstützt von Horst Seehofer – eingeführt wurde, und das nicht ohne Grund. Denn wir haben den NSU und diverse Anschläge auf Moscheen erlebt. Wir haben Hanau und viele andere große und vermeintlich kleine Aktivitäten eines antimuslimischen Rassismus erlebt – von Morden bis hin zum alltäglichen Rassismus.
Herr de Vries, an der Stelle muss ich Sie ansprechen, aber das gilt auch für andere: Sie haben in der Debatte zu antimuslimischem Rassismus im vergangenen Jahr mit einem „Ja, aber“ argumentiert. Und das Aber war sehr groß; denn nach einigen Minuten kamen Sie – es ging um Muslimfeindlichkeit – zum Thema Islamismus. Sie haben Ihre Ausführungen damit beendet, dass Sie die ganze Begrifflichkeit des antimuslimischen Rassismus infrage gestellt haben.
Ihr Argument war: Dieses Thema wird instrumentalisiert und gebraucht von Erdogan. – Ist das ein Beleg dafür, dass es antimuslimischen Rassismus nicht gibt? Aus meiner Sicht nein. Nein, es gibt antimuslimischen Rassismus, und Musliminnen und Muslime erfahren das jeden Tag in diesem Land – im Alltag, am Arbeitsplatz, in Bussen, in der Schule, in allen möglichen Kontexten. Die schlimmstmöglichen Kontexte sind Morde, und die schlimmstmögliche Variante und Ausprägung ist zum Beispiel Christchurch. Das ist aus meiner Sicht des Pudels Kern. Wir würden doch auch nicht an anderen Stellen, nur weil die Falschen ein Argument verwenden, das Argument einfach ad absurdum führen.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Es ist Realität, dass Menschen in diesem Land – ob sie sich nun als gläubig identifizieren oder nicht –, nur weil sie als muslimisch identifiziert werden, ohne dass sie sich überhaupt dazu verhalten können, entsprechend behandelt werden. Sprechen Sie mal mit Musliminnen und Muslimen! Fragen Sie mal, was es zum Beispiel für eine kopftuchtragende Frau heutzutage bedeutet, sich in vielen Krankenhäusern zu bewerben! Da ist nicht immer von Egalität die Rede, sondern es gibt – die Fälle kann ich Ihnen vorlegen – sehr oft den Hinweis: nur ohne Kopftuch.
Wie, meinen Sie, lesen diese Frauen – aber auch ganz andere – Ihren Antrag? Wie nehmen sie das wahr? Wir können ja nicht die Auseinandersetzung mit dem Thema „legalistischer Islamismus“ bzw. „politischer Islamismus“ kontextfrei lesen, sondern wir müssen uns doch klarmachen: Wie nehmen Musliminnen und Muslime das wahr? Ich habe davon keine wirkliche Ahnung, weil ich diese Diskriminierung, diesen Rassismus nicht erfahre.
Lachen und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU
– Da können Sie gerne applaudieren. Aber ich glaube, Sie wissen das auch nicht. Sie behaupten in Ihrem Text, der legalistische Islamismus sei eine besondere Last für Musliminnen und Muslime im Land. Ich glaube, solche Anträge und solche Ausführungen sind eine besondere Belastung.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich kann es – und das als Beobachter – einfach nicht mehr ertragen, wie wir in allen möglichen Debatten immer wieder darauf kommen, uns in Mustern des Verdachts, in einer Kultur des Generalverdachts, des Unterstellens zu bewegen.
Finanzierung aus dem Ausland!)
Genau das ist der Effekt solcher Anträge. Und er weist auch Spuren eines kolonialen und paternalistischen Gehabes auf, indem Sie erklären, was guter und falscher Islam ist, was richtiger und unrichtiger Islam ist.
Sie erklären es den Musliminnen und Muslimen. Würden Sie so etwas auch bei Jüdinnen und Juden oder bei Christinnen und Christen machen? Nein, Sie würden es nicht tun.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist das grundsätzlich Falsche an diesem Ansatz. Wenn wir ein wirkliches Miteinander, eine Gleichberechtigung erreichen wollen, dann bedeuten Augenhöhe und Gleichberechtigung keine Kultur des Verdachts, keine Doppelstandards, –
– keine Kontaktschuld, sondern: Musliminnen und Muslime als Individuen anzuerkennen –
Herr Kollege, Sie sprechen jetzt auf Kosten Ihrer Kollegin.
– und sie nicht immer wieder in die Situation zu versetzen, sich rechtfertigen und erklären zu müssen. Genau das aber erreichen Sie mit diesem Antrag.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bernd Baumann für die AfD-Fraktion.
Beifall bei der AfD)